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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Reich-spiegel

Verminderung des Ansehens der Weißen Rasse und die zunehmende Gefährdung von Leben
und Eigentum der Europäer. . . , Die Angehörigen von Kameruner Urwaldstämmen sind
keine europäischen Staatsbürger. Man sollte die oberste Leitung der summarischen Gerichts¬
barkeit Männern anvertrauen, die sich durch lange und ständige Berührung mit den Ein¬
geborenen die unentbehrlichen Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt haben. . . . Man
fange an, den Eingeborenen als das zu behandeln, was er zurzeit ist, und nicht als das,
als was ihn juristische Fiktionen hinstellen."

Der Handelskammerbericht hebt noch ausdrücklich hervor:


"Auch der Vertreter der katholischen Mission in Kribi, der den Verhandlungen der
Kammer beiwohnte, sprach sich dahin aus, daß die Strafen an Eingeborenen auf eine Weise
vollstreckt würden, die mit dem Charakter der Strafe als eines Übels nicht zu vereinigen sei."

Die Handelskammer wendet sich weiter gegen


"die prozessuale Gleichstellung des Europäers mit dem Schwarzen vor dem Richter.
Obwohl der Eingeborene nicht beeidigt wird, schätzt der europäische Richter die Glaubhaftigkeit
seiner Aussagen nicht geringer ein als die eines beeidigten Europäers. Dieses Verfahren
trägt zur Überhebung der schwarzen Rasse viel bei. Schuld ist die oberflächliche Auslegung
des Grundsatzes von der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze. Die Gleichbewertung
der gesetzlichen Rechte deckt sich nicht mit der Gleichbewertung der dem Richter vom Gesetz¬
geber überlassenen Hilfsmittel zur Erforschung der Wahrheit. Das Gesetz entschuldigt den
kolonialen Richter nicht, wenn er sich der Erkenntnis der besonderen physischen und moralischen
Unterschiede zwischen Angehörigen der schwarzen und denen der Weißen Rasse verschließt."

Mit Recht beansprucht auch die Handelskammer eine Benachrichtigung des
Strafantragstellers über das Ergebnis des Strafverfahrens und das Recht des
Geschädigten, gegen die Entscheidung der Lokalbehörde in Eingeborenenstrafsachen
Beschwerde an die höhere Instanz einzulegen. Mit Recht, denn der von den
lokalen Behörden hervorgehobene Mangel ausdrücklicher Vorschriften steht dem
nicht entgegen. Die entsprechende Anwendung der heimischen Bestimmungen ist
nicht begründet, weil diese Bestimmungen von der heimischen Institution einer
öffentlichen, zum Einschreiten verpflichteten Anklagebehörde ausgehen, die in der
Organisation der kolonialen Eingeborenenstrafrechtspflege nicht vorgesehen ist.

Die vorstehend mitgeteilten Klagen und Beschwerden aus der Kolonie
Kamerun erscheinen, wie angedeutet, der Beachtung, Prüfung und Berücksichtigung
wert. Mögen sie deshalb im Mutterlande nicht ungehört verhallen!






Verantwortlich: der Heraiisgeber George Cleinow in Schöneberg. -- Mannskriplscndungen "ut Briefe werden
erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grcnzbotrn in Friedenau bei Berlin, Hcdniigstr, t".
Fernsprecher der Schristleitung: Amt Pfalzbnrg 6719, des Verlags: Amt Lüyow S510.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV. 11.
Druck: "Der Reichsbote" G. in. S. H. in Berlin SV. II, D-ssauer Strafe 3K/37.
Reich-spiegel

Verminderung des Ansehens der Weißen Rasse und die zunehmende Gefährdung von Leben
und Eigentum der Europäer. . . , Die Angehörigen von Kameruner Urwaldstämmen sind
keine europäischen Staatsbürger. Man sollte die oberste Leitung der summarischen Gerichts¬
barkeit Männern anvertrauen, die sich durch lange und ständige Berührung mit den Ein¬
geborenen die unentbehrlichen Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt haben. . . . Man
fange an, den Eingeborenen als das zu behandeln, was er zurzeit ist, und nicht als das,
als was ihn juristische Fiktionen hinstellen."

Der Handelskammerbericht hebt noch ausdrücklich hervor:


„Auch der Vertreter der katholischen Mission in Kribi, der den Verhandlungen der
Kammer beiwohnte, sprach sich dahin aus, daß die Strafen an Eingeborenen auf eine Weise
vollstreckt würden, die mit dem Charakter der Strafe als eines Übels nicht zu vereinigen sei."

Die Handelskammer wendet sich weiter gegen


„die prozessuale Gleichstellung des Europäers mit dem Schwarzen vor dem Richter.
Obwohl der Eingeborene nicht beeidigt wird, schätzt der europäische Richter die Glaubhaftigkeit
seiner Aussagen nicht geringer ein als die eines beeidigten Europäers. Dieses Verfahren
trägt zur Überhebung der schwarzen Rasse viel bei. Schuld ist die oberflächliche Auslegung
des Grundsatzes von der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze. Die Gleichbewertung
der gesetzlichen Rechte deckt sich nicht mit der Gleichbewertung der dem Richter vom Gesetz¬
geber überlassenen Hilfsmittel zur Erforschung der Wahrheit. Das Gesetz entschuldigt den
kolonialen Richter nicht, wenn er sich der Erkenntnis der besonderen physischen und moralischen
Unterschiede zwischen Angehörigen der schwarzen und denen der Weißen Rasse verschließt."

Mit Recht beansprucht auch die Handelskammer eine Benachrichtigung des
Strafantragstellers über das Ergebnis des Strafverfahrens und das Recht des
Geschädigten, gegen die Entscheidung der Lokalbehörde in Eingeborenenstrafsachen
Beschwerde an die höhere Instanz einzulegen. Mit Recht, denn der von den
lokalen Behörden hervorgehobene Mangel ausdrücklicher Vorschriften steht dem
nicht entgegen. Die entsprechende Anwendung der heimischen Bestimmungen ist
nicht begründet, weil diese Bestimmungen von der heimischen Institution einer
öffentlichen, zum Einschreiten verpflichteten Anklagebehörde ausgehen, die in der
Organisation der kolonialen Eingeborenenstrafrechtspflege nicht vorgesehen ist.

Die vorstehend mitgeteilten Klagen und Beschwerden aus der Kolonie
Kamerun erscheinen, wie angedeutet, der Beachtung, Prüfung und Berücksichtigung
wert. Mögen sie deshalb im Mutterlande nicht ungehört verhallen!






Verantwortlich: der Heraiisgeber George Cleinow in Schöneberg. — Mannskriplscndungen »ut Briefe werden
erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grcnzbotrn in Friedenau bei Berlin, Hcdniigstr, t».
Fernsprecher der Schristleitung: Amt Pfalzbnrg 6719, des Verlags: Amt Lüyow S510.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV. 11.
Druck: „Der Reichsbote" G. in. S. H. in Berlin SV. II, D-ssauer Strafe 3K/37.
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[0512] Reich-spiegel Verminderung des Ansehens der Weißen Rasse und die zunehmende Gefährdung von Leben und Eigentum der Europäer. . . , Die Angehörigen von Kameruner Urwaldstämmen sind keine europäischen Staatsbürger. Man sollte die oberste Leitung der summarischen Gerichts¬ barkeit Männern anvertrauen, die sich durch lange und ständige Berührung mit den Ein¬ geborenen die unentbehrlichen Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt haben. . . . Man fange an, den Eingeborenen als das zu behandeln, was er zurzeit ist, und nicht als das, als was ihn juristische Fiktionen hinstellen." Der Handelskammerbericht hebt noch ausdrücklich hervor: „Auch der Vertreter der katholischen Mission in Kribi, der den Verhandlungen der Kammer beiwohnte, sprach sich dahin aus, daß die Strafen an Eingeborenen auf eine Weise vollstreckt würden, die mit dem Charakter der Strafe als eines Übels nicht zu vereinigen sei." Die Handelskammer wendet sich weiter gegen „die prozessuale Gleichstellung des Europäers mit dem Schwarzen vor dem Richter. Obwohl der Eingeborene nicht beeidigt wird, schätzt der europäische Richter die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen nicht geringer ein als die eines beeidigten Europäers. Dieses Verfahren trägt zur Überhebung der schwarzen Rasse viel bei. Schuld ist die oberflächliche Auslegung des Grundsatzes von der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze. Die Gleichbewertung der gesetzlichen Rechte deckt sich nicht mit der Gleichbewertung der dem Richter vom Gesetz¬ geber überlassenen Hilfsmittel zur Erforschung der Wahrheit. Das Gesetz entschuldigt den kolonialen Richter nicht, wenn er sich der Erkenntnis der besonderen physischen und moralischen Unterschiede zwischen Angehörigen der schwarzen und denen der Weißen Rasse verschließt." Mit Recht beansprucht auch die Handelskammer eine Benachrichtigung des Strafantragstellers über das Ergebnis des Strafverfahrens und das Recht des Geschädigten, gegen die Entscheidung der Lokalbehörde in Eingeborenenstrafsachen Beschwerde an die höhere Instanz einzulegen. Mit Recht, denn der von den lokalen Behörden hervorgehobene Mangel ausdrücklicher Vorschriften steht dem nicht entgegen. Die entsprechende Anwendung der heimischen Bestimmungen ist nicht begründet, weil diese Bestimmungen von der heimischen Institution einer öffentlichen, zum Einschreiten verpflichteten Anklagebehörde ausgehen, die in der Organisation der kolonialen Eingeborenenstrafrechtspflege nicht vorgesehen ist. Die vorstehend mitgeteilten Klagen und Beschwerden aus der Kolonie Kamerun erscheinen, wie angedeutet, der Beachtung, Prüfung und Berücksichtigung wert. Mögen sie deshalb im Mutterlande nicht ungehört verhallen! Verantwortlich: der Heraiisgeber George Cleinow in Schöneberg. — Mannskriplscndungen »ut Briefe werden erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grcnzbotrn in Friedenau bei Berlin, Hcdniigstr, t». Fernsprecher der Schristleitung: Amt Pfalzbnrg 6719, des Verlags: Amt Lüyow S510. Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV. 11. Druck: „Der Reichsbote" G. in. S. H. in Berlin SV. II, D-ssauer Strafe 3K/37.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/512>, abgerufen am 28.09.2024.