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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

Autorschaft desselben ablehnen muß." Darauf teilte Campe im Telegraphen
(Ur. 34 vom 15. Februar 1839) mit, die Verstümmelungen fielen lediglich der
sächsischen Zensur zur Last, und setzte hinzu: "Wir bemerken dieses deswegen,
um den Gegnern Heinrich Heines deutlich zu machen, was sie unter der
heimlichen Betriebsamkeit ihrer Wahlverwandten zu verstehen haben." Heine
empfand in dem kategorischen Widerspruch Campes eine "rohe Beleidigung"
und fürchtete vor allem bedenkliche Auslegungen des angeführten Satzes, die
das Ansehen seines Wortes und "also auch jene heiligen Interessen", denen
sein Wort gelte, gefährden konnten, und ließ darum zur Aufklärung unter dem
Titel "Schriftstellernöthen" einen offenen Brief an Julius Campe in die Zeitung
für die elegante Welt (Ur. 75 bis 77)") einrücken, in dem er die Berechtigung
zu seinen Worten darzulegen suchte.

Seit den "Französischen Zuständen" (1333) hatte der Dichter beständig
Verstümmelungen seiner Werke über sich ergehen lassen müssen, und zwar nicht
ohne eine Schuld Campes, der aus Ängstlichkeit, "um großen Ungelegenheiten
vorzubeugen", selbst Werke, die über zwanzig Bogen enthielten und keiner
Zensur unterworfen waren, dieser überlieferte. Schon einmal war es deswegen
zu einem Zwist mit dem Verleger gekommen, dem aber bald die Versöhnung
folgte, da Heine damals Campes Furcht eine gewisse Berechtigung nicht
abstreiten konnte. Böse Erfahrungen aber hatte er dann wieder mit der
politisch ganz zahmen gegen Menzel gerichteten Vorrede zum dritten Teil des
"Salon"**) gemacht, da der Angegriffene sich damals, wie Heine erst später
erfuhr, des Schutzes einzelner Behörden erfreute und auch "eine Menge im
Dunkel einherschleichender Gehilfen" hatte. Heine hielt nun in seinem offenen
Brief Campe vor, daß er ihm selbst bei dieser Gelegenheit von den geheimen
Umtrieben der Menzelschen Wahlverwandten, die er jetzt leugnete, berichtet habe,
und führt mehrere diesbezügliche Stellen aus Campes Briefen während der
Jahre 1836 bis 1838 an. Er wies seinem Verleger nach, daß dieser selbst
nach seinem eigenen Eingeständnis bestimmten Befehl gegeben habe, Heines
Artikel, wenn die Zensur an ihm streichen wollte, "lieber gar nicht zu drucken",
und warf die Frage auf: "Wie kommt es nun, daß der Artikel dennoch trotz
diesem Befehl, fo entsetzlich zusammengestrichen und dennoch gedruckt wurde?"
An der Hand dieser und anderer Umstände legte Heine dar, wie er zu seiner
Behauptung gekommen war.

Auch Gutzkows, auf den, wie Heine erklärt, Campe ihn gern "anrennen"
lassen möchte, wird in dem offenen Schreiben Erwähnung getan. Wenn er
überhaupt gegen Gutzkow unmutig gewesen sei, so habe auch dazu Campe
"durch eine gewisse kindliche Redseligkeit" am meisten beigetragen, indem er ihn
auf Schmähartikel aufmerksam machte, die aus dem Kreise Gutzkows stammten.




") Vgl. auch die Fassung in Elsters Ausgabe von Heines Werken (VII, S. 333 ff.),
für welche die Handschrift des Dichters benutzt wurde.
Siehe oben.
Heinrich Heine

Autorschaft desselben ablehnen muß." Darauf teilte Campe im Telegraphen
(Ur. 34 vom 15. Februar 1839) mit, die Verstümmelungen fielen lediglich der
sächsischen Zensur zur Last, und setzte hinzu: „Wir bemerken dieses deswegen,
um den Gegnern Heinrich Heines deutlich zu machen, was sie unter der
heimlichen Betriebsamkeit ihrer Wahlverwandten zu verstehen haben." Heine
empfand in dem kategorischen Widerspruch Campes eine „rohe Beleidigung"
und fürchtete vor allem bedenkliche Auslegungen des angeführten Satzes, die
das Ansehen seines Wortes und „also auch jene heiligen Interessen", denen
sein Wort gelte, gefährden konnten, und ließ darum zur Aufklärung unter dem
Titel „Schriftstellernöthen" einen offenen Brief an Julius Campe in die Zeitung
für die elegante Welt (Ur. 75 bis 77)") einrücken, in dem er die Berechtigung
zu seinen Worten darzulegen suchte.

Seit den „Französischen Zuständen" (1333) hatte der Dichter beständig
Verstümmelungen seiner Werke über sich ergehen lassen müssen, und zwar nicht
ohne eine Schuld Campes, der aus Ängstlichkeit, „um großen Ungelegenheiten
vorzubeugen", selbst Werke, die über zwanzig Bogen enthielten und keiner
Zensur unterworfen waren, dieser überlieferte. Schon einmal war es deswegen
zu einem Zwist mit dem Verleger gekommen, dem aber bald die Versöhnung
folgte, da Heine damals Campes Furcht eine gewisse Berechtigung nicht
abstreiten konnte. Böse Erfahrungen aber hatte er dann wieder mit der
politisch ganz zahmen gegen Menzel gerichteten Vorrede zum dritten Teil des
„Salon"**) gemacht, da der Angegriffene sich damals, wie Heine erst später
erfuhr, des Schutzes einzelner Behörden erfreute und auch „eine Menge im
Dunkel einherschleichender Gehilfen" hatte. Heine hielt nun in seinem offenen
Brief Campe vor, daß er ihm selbst bei dieser Gelegenheit von den geheimen
Umtrieben der Menzelschen Wahlverwandten, die er jetzt leugnete, berichtet habe,
und führt mehrere diesbezügliche Stellen aus Campes Briefen während der
Jahre 1836 bis 1838 an. Er wies seinem Verleger nach, daß dieser selbst
nach seinem eigenen Eingeständnis bestimmten Befehl gegeben habe, Heines
Artikel, wenn die Zensur an ihm streichen wollte, „lieber gar nicht zu drucken",
und warf die Frage auf: „Wie kommt es nun, daß der Artikel dennoch trotz
diesem Befehl, fo entsetzlich zusammengestrichen und dennoch gedruckt wurde?"
An der Hand dieser und anderer Umstände legte Heine dar, wie er zu seiner
Behauptung gekommen war.

Auch Gutzkows, auf den, wie Heine erklärt, Campe ihn gern „anrennen"
lassen möchte, wird in dem offenen Schreiben Erwähnung getan. Wenn er
überhaupt gegen Gutzkow unmutig gewesen sei, so habe auch dazu Campe
„durch eine gewisse kindliche Redseligkeit" am meisten beigetragen, indem er ihn
auf Schmähartikel aufmerksam machte, die aus dem Kreise Gutzkows stammten.




") Vgl. auch die Fassung in Elsters Ausgabe von Heines Werken (VII, S. 333 ff.),
für welche die Handschrift des Dichters benutzt wurde.
Siehe oben.
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[0446] Heinrich Heine Autorschaft desselben ablehnen muß." Darauf teilte Campe im Telegraphen (Ur. 34 vom 15. Februar 1839) mit, die Verstümmelungen fielen lediglich der sächsischen Zensur zur Last, und setzte hinzu: „Wir bemerken dieses deswegen, um den Gegnern Heinrich Heines deutlich zu machen, was sie unter der heimlichen Betriebsamkeit ihrer Wahlverwandten zu verstehen haben." Heine empfand in dem kategorischen Widerspruch Campes eine „rohe Beleidigung" und fürchtete vor allem bedenkliche Auslegungen des angeführten Satzes, die das Ansehen seines Wortes und „also auch jene heiligen Interessen", denen sein Wort gelte, gefährden konnten, und ließ darum zur Aufklärung unter dem Titel „Schriftstellernöthen" einen offenen Brief an Julius Campe in die Zeitung für die elegante Welt (Ur. 75 bis 77)") einrücken, in dem er die Berechtigung zu seinen Worten darzulegen suchte. Seit den „Französischen Zuständen" (1333) hatte der Dichter beständig Verstümmelungen seiner Werke über sich ergehen lassen müssen, und zwar nicht ohne eine Schuld Campes, der aus Ängstlichkeit, „um großen Ungelegenheiten vorzubeugen", selbst Werke, die über zwanzig Bogen enthielten und keiner Zensur unterworfen waren, dieser überlieferte. Schon einmal war es deswegen zu einem Zwist mit dem Verleger gekommen, dem aber bald die Versöhnung folgte, da Heine damals Campes Furcht eine gewisse Berechtigung nicht abstreiten konnte. Böse Erfahrungen aber hatte er dann wieder mit der politisch ganz zahmen gegen Menzel gerichteten Vorrede zum dritten Teil des „Salon"**) gemacht, da der Angegriffene sich damals, wie Heine erst später erfuhr, des Schutzes einzelner Behörden erfreute und auch „eine Menge im Dunkel einherschleichender Gehilfen" hatte. Heine hielt nun in seinem offenen Brief Campe vor, daß er ihm selbst bei dieser Gelegenheit von den geheimen Umtrieben der Menzelschen Wahlverwandten, die er jetzt leugnete, berichtet habe, und führt mehrere diesbezügliche Stellen aus Campes Briefen während der Jahre 1836 bis 1838 an. Er wies seinem Verleger nach, daß dieser selbst nach seinem eigenen Eingeständnis bestimmten Befehl gegeben habe, Heines Artikel, wenn die Zensur an ihm streichen wollte, „lieber gar nicht zu drucken", und warf die Frage auf: „Wie kommt es nun, daß der Artikel dennoch trotz diesem Befehl, fo entsetzlich zusammengestrichen und dennoch gedruckt wurde?" An der Hand dieser und anderer Umstände legte Heine dar, wie er zu seiner Behauptung gekommen war. Auch Gutzkows, auf den, wie Heine erklärt, Campe ihn gern „anrennen" lassen möchte, wird in dem offenen Schreiben Erwähnung getan. Wenn er überhaupt gegen Gutzkow unmutig gewesen sei, so habe auch dazu Campe „durch eine gewisse kindliche Redseligkeit" am meisten beigetragen, indem er ihn auf Schmähartikel aufmerksam machte, die aus dem Kreise Gutzkows stammten. ") Vgl. auch die Fassung in Elsters Ausgabe von Heines Werken (VII, S. 333 ff.), für welche die Handschrift des Dichters benutzt wurde. Siehe oben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/446>, abgerufen am 23.07.2024.