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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

erwägen, daß Platen ihn persönlich auf die gemeinste Weise zuerst angefaßt
hat."*) Beer versprach Immermann, in der Korrespondenz oder im münd¬
lichen Gespräch Heines Anwalt zu spielen, soweit es seine Ehrlichkeit zuließe,
setzte jedoch hinzu: "Wenn Heine Sie wiederum befragt, ob Sie Antwort von mir
erhalten, und auf welche Weise ich seiner erwähnte, so sagen Sie ihm, er sollte
sich erinnern, wie oft er mir gesagt, daß ich die meisten Dinge mit Glace¬
handschuhen anfaßte. Ich hätte mir diese Handschuhe bei Lectüre seines Buches
angezogen und wäre noch immer der alte Schwächling, der eine so derbe Kost
wie seine Satyre nicht ohne Indigestion vertragen könne. Mit einem Worte,
es wäre mir etwas übel dabei geworden. Übrigens grüße ich ihn aufs herz¬
lichste, und meine persönliche Neigung für ihn sei noch immer die alte."*'')
Immermann berichtete (3. Mai 1830) an Beer, was Heine sür "Tulifäntchen"
getan und suchte damit seine Stellungnahme zu rechtfertigen: "ich muß ihm
daher schon, wie Sie begreifen, aus Pietät die Stange halten."***)

Campes leichtfertige Auffassung von der Wirkung der "Bäder von Lucca"
wird nur verständlich durch die Heiterkeit, die Heine selbst seinen Tadlern gegen¬
über bewahrte. Immermann erzählt später in den "Düsseldorfer Anfängen":
"seine Briefe aus jener Zeit sind voll von drolligen Äußerungen über diesen
Krieg." f)

Die zweite Auslage des ersten Reisebilderbandes erschien 1830. Campes
Plan, die sämtlichen Gedichte im Hinblick auf das von ihm 1827 verlegte "Buch
der Lieder" auszumerzen, wurde nur zum Teil ausgeführt. Heine schreibt über
die zweite Auflage des ersten Bandes an Varnhagen (Wandsbek, den 16. Juni
1830): "Die Veränderung, die ich drin vornahm, ist gewiß ein Zeugnis meiner
inneren Demut und meiner Liebe für das Bessere: ich habe nämlich unter den
88 Liedern der "Heimkehr" diejenigen ausgeschieden, die den Schwachen im
Lande als anstößig erscheinen könnten, und ersetzte sie aufs tugendhafteste; die
folgenden spanischen Romanzen und die grellen Jamben unterdrückte ich ganz;
in der "Harzreise" habe ich ebenfalls alles Allzuherbe ausgemerzt; und somit
den gewonnenen Platz mit der zweiten Abteilung der Seebilder gefüllt. Das
Buch gewinnt dadurch an Symmetrie und Präsentierbarkeit."1's-)

Erst 1839 wieder wird Heine, der sich seit dem Mai 1831 in Paris befand,
in Campes Briefen an Immermann genannt. Auch in der französischen Haupt¬
stadt suchte Heine für den Freund zu wirken.fff) So stellte er dessen Verbindung
mit der "Lurvpe littöraire" her, für die Immermann auf Wunsch einen an-








*) BeerS Briefwechsel. Hrsg. von Ed. v. Schenk. Leipzig 1837. S. 176.
**) Ebenda S. 182.
Ebenda S. 192.
'!-) Vgl. meine Ausgabe Bd. V, S. 236, Z, 2S ff.
'"'
!!) Daffis I, S. 378. -- Eine Betrachtung des "Buchs der Lieder" vom bibliographischen
Gesichtspunkte gibt Karpeles a. a. O., S. 98 ff.
'M) Vgl. Daffis II, S. 17 f.
Heinrich Heine

erwägen, daß Platen ihn persönlich auf die gemeinste Weise zuerst angefaßt
hat."*) Beer versprach Immermann, in der Korrespondenz oder im münd¬
lichen Gespräch Heines Anwalt zu spielen, soweit es seine Ehrlichkeit zuließe,
setzte jedoch hinzu: „Wenn Heine Sie wiederum befragt, ob Sie Antwort von mir
erhalten, und auf welche Weise ich seiner erwähnte, so sagen Sie ihm, er sollte
sich erinnern, wie oft er mir gesagt, daß ich die meisten Dinge mit Glace¬
handschuhen anfaßte. Ich hätte mir diese Handschuhe bei Lectüre seines Buches
angezogen und wäre noch immer der alte Schwächling, der eine so derbe Kost
wie seine Satyre nicht ohne Indigestion vertragen könne. Mit einem Worte,
es wäre mir etwas übel dabei geworden. Übrigens grüße ich ihn aufs herz¬
lichste, und meine persönliche Neigung für ihn sei noch immer die alte."*'')
Immermann berichtete (3. Mai 1830) an Beer, was Heine sür „Tulifäntchen"
getan und suchte damit seine Stellungnahme zu rechtfertigen: „ich muß ihm
daher schon, wie Sie begreifen, aus Pietät die Stange halten."***)

Campes leichtfertige Auffassung von der Wirkung der „Bäder von Lucca"
wird nur verständlich durch die Heiterkeit, die Heine selbst seinen Tadlern gegen¬
über bewahrte. Immermann erzählt später in den „Düsseldorfer Anfängen":
„seine Briefe aus jener Zeit sind voll von drolligen Äußerungen über diesen
Krieg." f)

Die zweite Auslage des ersten Reisebilderbandes erschien 1830. Campes
Plan, die sämtlichen Gedichte im Hinblick auf das von ihm 1827 verlegte „Buch
der Lieder" auszumerzen, wurde nur zum Teil ausgeführt. Heine schreibt über
die zweite Auflage des ersten Bandes an Varnhagen (Wandsbek, den 16. Juni
1830): „Die Veränderung, die ich drin vornahm, ist gewiß ein Zeugnis meiner
inneren Demut und meiner Liebe für das Bessere: ich habe nämlich unter den
88 Liedern der „Heimkehr" diejenigen ausgeschieden, die den Schwachen im
Lande als anstößig erscheinen könnten, und ersetzte sie aufs tugendhafteste; die
folgenden spanischen Romanzen und die grellen Jamben unterdrückte ich ganz;
in der „Harzreise" habe ich ebenfalls alles Allzuherbe ausgemerzt; und somit
den gewonnenen Platz mit der zweiten Abteilung der Seebilder gefüllt. Das
Buch gewinnt dadurch an Symmetrie und Präsentierbarkeit."1's-)

Erst 1839 wieder wird Heine, der sich seit dem Mai 1831 in Paris befand,
in Campes Briefen an Immermann genannt. Auch in der französischen Haupt¬
stadt suchte Heine für den Freund zu wirken.fff) So stellte er dessen Verbindung
mit der „Lurvpe littöraire" her, für die Immermann auf Wunsch einen an-








*) BeerS Briefwechsel. Hrsg. von Ed. v. Schenk. Leipzig 1837. S. 176.
**) Ebenda S. 182.
Ebenda S. 192.
'!-) Vgl. meine Ausgabe Bd. V, S. 236, Z, 2S ff.
'"'
!!) Daffis I, S. 378. — Eine Betrachtung des „Buchs der Lieder" vom bibliographischen
Gesichtspunkte gibt Karpeles a. a. O., S. 98 ff.
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[0443] Heinrich Heine erwägen, daß Platen ihn persönlich auf die gemeinste Weise zuerst angefaßt hat."*) Beer versprach Immermann, in der Korrespondenz oder im münd¬ lichen Gespräch Heines Anwalt zu spielen, soweit es seine Ehrlichkeit zuließe, setzte jedoch hinzu: „Wenn Heine Sie wiederum befragt, ob Sie Antwort von mir erhalten, und auf welche Weise ich seiner erwähnte, so sagen Sie ihm, er sollte sich erinnern, wie oft er mir gesagt, daß ich die meisten Dinge mit Glace¬ handschuhen anfaßte. Ich hätte mir diese Handschuhe bei Lectüre seines Buches angezogen und wäre noch immer der alte Schwächling, der eine so derbe Kost wie seine Satyre nicht ohne Indigestion vertragen könne. Mit einem Worte, es wäre mir etwas übel dabei geworden. Übrigens grüße ich ihn aufs herz¬ lichste, und meine persönliche Neigung für ihn sei noch immer die alte."*'') Immermann berichtete (3. Mai 1830) an Beer, was Heine sür „Tulifäntchen" getan und suchte damit seine Stellungnahme zu rechtfertigen: „ich muß ihm daher schon, wie Sie begreifen, aus Pietät die Stange halten."***) Campes leichtfertige Auffassung von der Wirkung der „Bäder von Lucca" wird nur verständlich durch die Heiterkeit, die Heine selbst seinen Tadlern gegen¬ über bewahrte. Immermann erzählt später in den „Düsseldorfer Anfängen": „seine Briefe aus jener Zeit sind voll von drolligen Äußerungen über diesen Krieg." f) Die zweite Auslage des ersten Reisebilderbandes erschien 1830. Campes Plan, die sämtlichen Gedichte im Hinblick auf das von ihm 1827 verlegte „Buch der Lieder" auszumerzen, wurde nur zum Teil ausgeführt. Heine schreibt über die zweite Auflage des ersten Bandes an Varnhagen (Wandsbek, den 16. Juni 1830): „Die Veränderung, die ich drin vornahm, ist gewiß ein Zeugnis meiner inneren Demut und meiner Liebe für das Bessere: ich habe nämlich unter den 88 Liedern der „Heimkehr" diejenigen ausgeschieden, die den Schwachen im Lande als anstößig erscheinen könnten, und ersetzte sie aufs tugendhafteste; die folgenden spanischen Romanzen und die grellen Jamben unterdrückte ich ganz; in der „Harzreise" habe ich ebenfalls alles Allzuherbe ausgemerzt; und somit den gewonnenen Platz mit der zweiten Abteilung der Seebilder gefüllt. Das Buch gewinnt dadurch an Symmetrie und Präsentierbarkeit."1's-) Erst 1839 wieder wird Heine, der sich seit dem Mai 1831 in Paris befand, in Campes Briefen an Immermann genannt. Auch in der französischen Haupt¬ stadt suchte Heine für den Freund zu wirken.fff) So stellte er dessen Verbindung mit der „Lurvpe littöraire" her, für die Immermann auf Wunsch einen an- *) BeerS Briefwechsel. Hrsg. von Ed. v. Schenk. Leipzig 1837. S. 176. **) Ebenda S. 182. Ebenda S. 192. '!-) Vgl. meine Ausgabe Bd. V, S. 236, Z, 2S ff. '"' !!) Daffis I, S. 378. — Eine Betrachtung des „Buchs der Lieder" vom bibliographischen Gesichtspunkte gibt Karpeles a. a. O., S. 98 ff. 'M) Vgl. Daffis II, S. 17 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/443>, abgerufen am 25.08.2024.