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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

ich für den Autor mehr thue wie andere Verleger; daher wünschte er längst,
daß Sie mir etwas zum Versuch übergeben mögten. So zimlich kenne ich das
belletristische Publicum mit seinen Eigenheiten. Gern war ich dazu willig, doch
hätte ich zum Anfang etwas von Ihnen erhalten mögen, worauf Sie einen
besonderen Werth legten. Ich glaube nicht, daß er Ihnen jemals darüber etwas
gesagt hat: da er für seine Freunde sorgt, ohne darüber zu sprechen."

Aus einem Briefe Heines an Friedrich Merkel (Lüneburg, den 1. Januar
1827)*) wissen wir, daß er inzwischen den auf ihn zurückzuführenden Entschluß
Campes, etwas von Immermann zu verlegen, vernommen hatte. Seine Freude,
dem "biedern" Immermann dadurch zu zeigen, wie sehr ihm seine "Interessen
am Herzen liegen", war "unsäglich", zumal da er zugleich auch in Campes
Interesse gehandelt hatte.

Am 8. Januar 1827 berichtet Campe:

"Heine ist noch nicht hier; er kommt aber in wenigen Tagen, wie er mich
sehr oft wissen läßt; Ihren Brief hat er empfangen; er theilte einem Freunde
die Wandernde Quadrille mit, worüber er sich freute."

Noch bevor Immermanns Kritik über den ersten Band der "Reisebilder"
im Druck erschien (Berliner Jahrbücher Ur. 95, 96 im Mai 1827), erhielt er
den zweiten Teil, für den er auf Heines Wunsch einige Epigramme verfaßt
hatte, mit folgendem Begleitschreiben des Verlegers:

"Hamburg d. 23 April 1827


Ew Wohlgeboren

empfangen anliegend den 2^°" Theil von Heines Reisebildern, der eben fertig
geworden ist. Ihre Xenien stehen in einem sehr wilden Buche: das leicht Ver¬
folgungen zu erleiden haben mögte!

Ihr freundliches Schreiben hat Heine bis zuni Tage vor seiner Abreise
bei sich behalten; er wollte und wollte immer an Sie schreiben, wird aber wol
nicht dazu gekommen seyn, denn er trug mir viele herzliche Grüße an Sie auf,
deren ich mich hierdurch entledigen will.

Am Tage (d. 12^" d.) wo ich das Buch hier ausgab, ging er mit dem
DampWoote nach London, wo er den 3'°" Bd ausarbeitet, der Michaelis
erscheinen soll."

Die Gegner Heines waren mit Immermanns Besprechung des ersten Reise¬
bilderbandes nicht einverstanden und meinten, der Verfasser habe Heine, indem
er ihn mit dem Romantiker Achin von Arnim zusammenstellte, eine unver¬
diente Ehre angetan.**) Schon vor dem Erscheinen des zweiten Bandes befürchtete
Varnhagen auf Grund von Hamburger Nachrichten, daß Heine die durch den ersten
Band erweckten Ärgernisse noch vermehren werde. Seine Befürchtung erwies




*) Heine. Briefe. HrSg. v. H. Daffis. Berlin. 1906. I. S. 297 f.
**) Varnhagen an Immermann, ungedruckt im Archiv. Der undatierte Brief stammt
aus dem Frühjahr 1327.
Heinrich Heine

ich für den Autor mehr thue wie andere Verleger; daher wünschte er längst,
daß Sie mir etwas zum Versuch übergeben mögten. So zimlich kenne ich das
belletristische Publicum mit seinen Eigenheiten. Gern war ich dazu willig, doch
hätte ich zum Anfang etwas von Ihnen erhalten mögen, worauf Sie einen
besonderen Werth legten. Ich glaube nicht, daß er Ihnen jemals darüber etwas
gesagt hat: da er für seine Freunde sorgt, ohne darüber zu sprechen."

Aus einem Briefe Heines an Friedrich Merkel (Lüneburg, den 1. Januar
1827)*) wissen wir, daß er inzwischen den auf ihn zurückzuführenden Entschluß
Campes, etwas von Immermann zu verlegen, vernommen hatte. Seine Freude,
dem „biedern" Immermann dadurch zu zeigen, wie sehr ihm seine „Interessen
am Herzen liegen", war „unsäglich", zumal da er zugleich auch in Campes
Interesse gehandelt hatte.

Am 8. Januar 1827 berichtet Campe:

„Heine ist noch nicht hier; er kommt aber in wenigen Tagen, wie er mich
sehr oft wissen läßt; Ihren Brief hat er empfangen; er theilte einem Freunde
die Wandernde Quadrille mit, worüber er sich freute."

Noch bevor Immermanns Kritik über den ersten Band der „Reisebilder"
im Druck erschien (Berliner Jahrbücher Ur. 95, 96 im Mai 1827), erhielt er
den zweiten Teil, für den er auf Heines Wunsch einige Epigramme verfaßt
hatte, mit folgendem Begleitschreiben des Verlegers:

„Hamburg d. 23 April 1827


Ew Wohlgeboren

empfangen anliegend den 2^°» Theil von Heines Reisebildern, der eben fertig
geworden ist. Ihre Xenien stehen in einem sehr wilden Buche: das leicht Ver¬
folgungen zu erleiden haben mögte!

Ihr freundliches Schreiben hat Heine bis zuni Tage vor seiner Abreise
bei sich behalten; er wollte und wollte immer an Sie schreiben, wird aber wol
nicht dazu gekommen seyn, denn er trug mir viele herzliche Grüße an Sie auf,
deren ich mich hierdurch entledigen will.

Am Tage (d. 12^" d.) wo ich das Buch hier ausgab, ging er mit dem
DampWoote nach London, wo er den 3'°« Bd ausarbeitet, der Michaelis
erscheinen soll."

Die Gegner Heines waren mit Immermanns Besprechung des ersten Reise¬
bilderbandes nicht einverstanden und meinten, der Verfasser habe Heine, indem
er ihn mit dem Romantiker Achin von Arnim zusammenstellte, eine unver¬
diente Ehre angetan.**) Schon vor dem Erscheinen des zweiten Bandes befürchtete
Varnhagen auf Grund von Hamburger Nachrichten, daß Heine die durch den ersten
Band erweckten Ärgernisse noch vermehren werde. Seine Befürchtung erwies




*) Heine. Briefe. HrSg. v. H. Daffis. Berlin. 1906. I. S. 297 f.
**) Varnhagen an Immermann, ungedruckt im Archiv. Der undatierte Brief stammt
aus dem Frühjahr 1327.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/436>, abgerufen am 23.07.2024.