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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Die Polen in Ästpreußen

In diesen Zahlen sind sowohl bei Polen als bei Deutschen die Anteile an
der Kreisbevölkerung zu niedrig bemessen, weil die unbekannte Zahl der Doppel-
sprachigen x) auf keiner Seite zur Hälfte gerechnet ist. Hingegen ist die
Überschußzahl richtig. Nennen wir die Zahl der reinen Deutschen a, die der
Polen d, so berechnet sich der Überschuß nach der Formel:

also a (Deutsche) -- b (Polen) ^ Überschuß. Mit anderen Worten: bei der
Berechnung des Überwigens kann man die sonst je zur Hälfte auf Polen und
Deutsche verteilten polnisch und deutsch Sprechenden auslassen.

Ziehe ich jetzt die Überschußzahlen für 1900 und 1905 von einander ab,
so erhalte ich in Tausendsätzen folgende Bewegung zwischen deutscher und
polnischer Bevölkerung:

in den Kreisen:
Angerburg.....von 14,8 von: Tausend
Rössel......" 6,0 "
Angerburg....." 1,2 "
Lyck....... " 7,4 "
Lötzen...... " 33,6 " "
zugunsten der Polen;
in den Kreisein
Mensteill.....von 60,8 vom Tausend
Ortelsburg....." 36,5 "
Neidenburg....." 16,0 "
Osterode....." 6,0 "
Goldap......., 6,9 "
Oletzko......" 28,4 "
Sensburg....." 13,1 "
Johannisburg.... " 19,3 "
zugunsten der Deutschen.

Als Ergebnis stellen wir für die dreizehn Kreise des polnischen Verbreitungs-
bezirks fest, daß zwar die Deutschen von 1900 bis 1905 um 11,2 vom Tausend
zugenommen haben, daß diese Zunahme aber lediglich auf Kosten der um mehr
als 13,3 vom Tausend verminderten Doppelsprachigen, aber nicht auf Kosten
der Polen, die um 2,9 vom Tausend gewachsen sind, erfolgt ist. Während
unter den Einzelkreisen von 1890 bis 1900 nur der Kreis Ortelsburg einen
ganz kleinen relativen Fortschritt des Polentums aufwies, finden wir für das
Jahrfünft 1900 bis 1905 bereits fünf Kreise mit Fortschritten des Polentums.
Der Kreis Altenstein hat die große Verschiebung im Anteil der Deutschen dadurch
erreicht, daß in dieser Zeit in Altenstein eine Bezirksregierung eingerichtet wurde,
die viel deutsche Beamte und deutsche Familien dorthin brachte.

Obige Statistik hatte für die Reichstagswahlen eine große Bedeutung.
In den Tageszeitungen war zu lesen, daß sich ein polnisches Wahlkomitee von
etwa zwanzig evangelischen Polen gebildet hat. Die polnischen Blätter Ost-


Die Polen in Ästpreußen

In diesen Zahlen sind sowohl bei Polen als bei Deutschen die Anteile an
der Kreisbevölkerung zu niedrig bemessen, weil die unbekannte Zahl der Doppel-
sprachigen x) auf keiner Seite zur Hälfte gerechnet ist. Hingegen ist die
Überschußzahl richtig. Nennen wir die Zahl der reinen Deutschen a, die der
Polen d, so berechnet sich der Überschuß nach der Formel:

also a (Deutsche) — b (Polen) ^ Überschuß. Mit anderen Worten: bei der
Berechnung des Überwigens kann man die sonst je zur Hälfte auf Polen und
Deutsche verteilten polnisch und deutsch Sprechenden auslassen.

Ziehe ich jetzt die Überschußzahlen für 1900 und 1905 von einander ab,
so erhalte ich in Tausendsätzen folgende Bewegung zwischen deutscher und
polnischer Bevölkerung:

in den Kreisen:
Angerburg.....von 14,8 von: Tausend
Rössel......„ 6,0 „
Angerburg.....„ 1,2 „
Lyck....... „ 7,4 „
Lötzen...... „ 33,6 „ „
zugunsten der Polen;
in den Kreisein
Mensteill.....von 60,8 vom Tausend
Ortelsburg.....„ 36,5 „
Neidenburg.....„ 16,0 „
Osterode.....„ 6,0 „
Goldap......., 6,9 „
Oletzko......„ 28,4 „
Sensburg.....„ 13,1 „
Johannisburg.... „ 19,3 „
zugunsten der Deutschen.

Als Ergebnis stellen wir für die dreizehn Kreise des polnischen Verbreitungs-
bezirks fest, daß zwar die Deutschen von 1900 bis 1905 um 11,2 vom Tausend
zugenommen haben, daß diese Zunahme aber lediglich auf Kosten der um mehr
als 13,3 vom Tausend verminderten Doppelsprachigen, aber nicht auf Kosten
der Polen, die um 2,9 vom Tausend gewachsen sind, erfolgt ist. Während
unter den Einzelkreisen von 1890 bis 1900 nur der Kreis Ortelsburg einen
ganz kleinen relativen Fortschritt des Polentums aufwies, finden wir für das
Jahrfünft 1900 bis 1905 bereits fünf Kreise mit Fortschritten des Polentums.
Der Kreis Altenstein hat die große Verschiebung im Anteil der Deutschen dadurch
erreicht, daß in dieser Zeit in Altenstein eine Bezirksregierung eingerichtet wurde,
die viel deutsche Beamte und deutsche Familien dorthin brachte.

Obige Statistik hatte für die Reichstagswahlen eine große Bedeutung.
In den Tageszeitungen war zu lesen, daß sich ein polnisches Wahlkomitee von
etwa zwanzig evangelischen Polen gebildet hat. Die polnischen Blätter Ost-


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[0036] Die Polen in Ästpreußen In diesen Zahlen sind sowohl bei Polen als bei Deutschen die Anteile an der Kreisbevölkerung zu niedrig bemessen, weil die unbekannte Zahl der Doppel- sprachigen x) auf keiner Seite zur Hälfte gerechnet ist. Hingegen ist die Überschußzahl richtig. Nennen wir die Zahl der reinen Deutschen a, die der Polen d, so berechnet sich der Überschuß nach der Formel: [FORMEL] also a (Deutsche) — b (Polen) ^ Überschuß. Mit anderen Worten: bei der Berechnung des Überwigens kann man die sonst je zur Hälfte auf Polen und Deutsche verteilten polnisch und deutsch Sprechenden auslassen. Ziehe ich jetzt die Überschußzahlen für 1900 und 1905 von einander ab, so erhalte ich in Tausendsätzen folgende Bewegung zwischen deutscher und polnischer Bevölkerung: in den Kreisen: Angerburg.....von 14,8 von: Tausend Rössel......„ 6,0 „ Angerburg.....„ 1,2 „ Lyck....... „ 7,4 „ Lötzen...... „ 33,6 „ „ zugunsten der Polen; in den Kreisein Mensteill.....von 60,8 vom Tausend Ortelsburg.....„ 36,5 „ Neidenburg.....„ 16,0 „ Osterode.....„ 6,0 „ Goldap......., 6,9 „ Oletzko......„ 28,4 „ Sensburg.....„ 13,1 „ Johannisburg.... „ 19,3 „ zugunsten der Deutschen. Als Ergebnis stellen wir für die dreizehn Kreise des polnischen Verbreitungs- bezirks fest, daß zwar die Deutschen von 1900 bis 1905 um 11,2 vom Tausend zugenommen haben, daß diese Zunahme aber lediglich auf Kosten der um mehr als 13,3 vom Tausend verminderten Doppelsprachigen, aber nicht auf Kosten der Polen, die um 2,9 vom Tausend gewachsen sind, erfolgt ist. Während unter den Einzelkreisen von 1890 bis 1900 nur der Kreis Ortelsburg einen ganz kleinen relativen Fortschritt des Polentums aufwies, finden wir für das Jahrfünft 1900 bis 1905 bereits fünf Kreise mit Fortschritten des Polentums. Der Kreis Altenstein hat die große Verschiebung im Anteil der Deutschen dadurch erreicht, daß in dieser Zeit in Altenstein eine Bezirksregierung eingerichtet wurde, die viel deutsche Beamte und deutsche Familien dorthin brachte. Obige Statistik hatte für die Reichstagswahlen eine große Bedeutung. In den Tageszeitungen war zu lesen, daß sich ein polnisches Wahlkomitee von etwa zwanzig evangelischen Polen gebildet hat. Die polnischen Blätter Ost-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/36>, abgerufen am 03.07.2024.