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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Line deutsche katholische Rivche?

des Katholizismus ist. Auf der Autorisation des Papstes beruht nach katholischer
Lehre jede Ausübung der geistlichen Funktionen innerhalb der Kirche. Priester
und Gläubige, die sich von dieser Autorität emanzipieren, hören damit auf,
katholisch zu sein. Man muß sich durch die Ausdrücke "deutsch-katholisch" oder
"altkatholisch" nicht täuschen lassen. Das sind Usurpationen, die logisch nicht
haltbar sind. Die Trennung von Rom bedeutet die Aufgabe des Prinzips, daß
die kirchliche Autorität kraft göttlicher Einrichtung in der Kirche zu befehlen hat, und
damit die Aufgabe des katholischen Grundprinzips, das gerade einen der Haupt¬
unterschiede zwischen katholischer und protestantischer Kirchenauffassung ausmacht.

Die Altkatholiken gehören logischerweise zu den Protestanten. Sie sind nur
dogmatisch noch nicht so freiheitlich entwickelt wie diese. Diese Entwicklung
kann aber eintreten und wird es vermutlich auch tun. Es steht ihr jedenfalls
kein Hindernis mehr im Wege, wenn man erst durch Trennung von dem
katholischerseits als höchste kirchliche Autorität geltenden Papsttum das Autoritäts¬
prinzip selbst durchbrochen hat.

Wie sehr man auch die Frage hin und her wenden mag, man kommt um
die Alternative nicht herum: "entweder unter päpstlicher Autorität und Führung
oder nicht mehr katholisch." Auch die griechisch-katholische Kirche kann im vor¬
liegenden Falle als Beispiel für eine andere Möglichkeit nicht herangezogen werden.
Denn diese negiert keineswegs das kirchliche Autoritätsprinzip, wie es eine deutsche
katholische Kirche tun müßte, die sich in Unabhängigkeit vom Papste gründen wollte.

Man kann also, das geht aus dem Gesagten hervor, nicht zugleich dem
Katholizismus in Deutschland die Existenzberechtigung zugestehen und verlangen,
daß er sich von Rom loslösen soll. Da man aber die Existenzberechtigung
den deutschen Katholiken doch wohl beim besten Willen nicht bestreiten kann,
so wird man sich eben mit der kirchlichen Abhängigkeit eines Teiles des deutschen
Volkes von Rom abfinden müssen, ganz abgesehen von den Wünschen, die man
in dieser Beziehung hat.

Birgt nun diese kirchliche Abhängigkeit der Katholiken von Rom wirklich
die politischen Gefahren in sich, die ihr gemeinhin von nichtkatholischer Seite
zugeschrieben werden? Man dürfe es nicht dulden, so sagt man, daß Deutsche
von einer außerdeutschen Macht Befehle empfingen. Schon Bismarck hat
geäußert, daß diese Auffassung der Dinge nicht korrekt sei. In der Sitzung
des Preußischen Abgeordnetenhauses vom 21. April 1887 sagte er: "Wenn er
(der Abgeordnete Richter) den Papst als Ausländer bezeichnet, so mag er das
als Protestant tun, aber, wenn ich Katholik wäre, glaube ich nicht, daß ich die
Institution des Papsttums als eine ausländische betrachten würde, und von
meinem paritätischen Standpunkt, den ich als Vertreter der Regierung inne¬
halten muß, gebe ich das zu. daß das Papsttum eine nicht bloß ausländische,
eine nicht bloß weltallgemeine, sondern weil sie eine weltallgemeine ist, auch
eine deutsche Institution für die deutschen Katholiken ist." In der Tat bringt
die weltallgemeine Stellung des Papstes, wie Bismarck sie bezeichnete, es mit


Line deutsche katholische Rivche?

des Katholizismus ist. Auf der Autorisation des Papstes beruht nach katholischer
Lehre jede Ausübung der geistlichen Funktionen innerhalb der Kirche. Priester
und Gläubige, die sich von dieser Autorität emanzipieren, hören damit auf,
katholisch zu sein. Man muß sich durch die Ausdrücke „deutsch-katholisch" oder
„altkatholisch" nicht täuschen lassen. Das sind Usurpationen, die logisch nicht
haltbar sind. Die Trennung von Rom bedeutet die Aufgabe des Prinzips, daß
die kirchliche Autorität kraft göttlicher Einrichtung in der Kirche zu befehlen hat, und
damit die Aufgabe des katholischen Grundprinzips, das gerade einen der Haupt¬
unterschiede zwischen katholischer und protestantischer Kirchenauffassung ausmacht.

Die Altkatholiken gehören logischerweise zu den Protestanten. Sie sind nur
dogmatisch noch nicht so freiheitlich entwickelt wie diese. Diese Entwicklung
kann aber eintreten und wird es vermutlich auch tun. Es steht ihr jedenfalls
kein Hindernis mehr im Wege, wenn man erst durch Trennung von dem
katholischerseits als höchste kirchliche Autorität geltenden Papsttum das Autoritäts¬
prinzip selbst durchbrochen hat.

Wie sehr man auch die Frage hin und her wenden mag, man kommt um
die Alternative nicht herum: „entweder unter päpstlicher Autorität und Führung
oder nicht mehr katholisch." Auch die griechisch-katholische Kirche kann im vor¬
liegenden Falle als Beispiel für eine andere Möglichkeit nicht herangezogen werden.
Denn diese negiert keineswegs das kirchliche Autoritätsprinzip, wie es eine deutsche
katholische Kirche tun müßte, die sich in Unabhängigkeit vom Papste gründen wollte.

Man kann also, das geht aus dem Gesagten hervor, nicht zugleich dem
Katholizismus in Deutschland die Existenzberechtigung zugestehen und verlangen,
daß er sich von Rom loslösen soll. Da man aber die Existenzberechtigung
den deutschen Katholiken doch wohl beim besten Willen nicht bestreiten kann,
so wird man sich eben mit der kirchlichen Abhängigkeit eines Teiles des deutschen
Volkes von Rom abfinden müssen, ganz abgesehen von den Wünschen, die man
in dieser Beziehung hat.

Birgt nun diese kirchliche Abhängigkeit der Katholiken von Rom wirklich
die politischen Gefahren in sich, die ihr gemeinhin von nichtkatholischer Seite
zugeschrieben werden? Man dürfe es nicht dulden, so sagt man, daß Deutsche
von einer außerdeutschen Macht Befehle empfingen. Schon Bismarck hat
geäußert, daß diese Auffassung der Dinge nicht korrekt sei. In der Sitzung
des Preußischen Abgeordnetenhauses vom 21. April 1887 sagte er: „Wenn er
(der Abgeordnete Richter) den Papst als Ausländer bezeichnet, so mag er das
als Protestant tun, aber, wenn ich Katholik wäre, glaube ich nicht, daß ich die
Institution des Papsttums als eine ausländische betrachten würde, und von
meinem paritätischen Standpunkt, den ich als Vertreter der Regierung inne¬
halten muß, gebe ich das zu. daß das Papsttum eine nicht bloß ausländische,
eine nicht bloß weltallgemeine, sondern weil sie eine weltallgemeine ist, auch
eine deutsche Institution für die deutschen Katholiken ist." In der Tat bringt
die weltallgemeine Stellung des Papstes, wie Bismarck sie bezeichnete, es mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/319>, abgerufen am 26.06.2024.