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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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wirtschaftliche Rüstung

Allerdings hätte der Feldmarschall statt "Landwirtschaft" und "ernähren" viel¬
leicht noch besser die Worte gewählt "Volkswirtschaft" und "erhalten": denn
ein Heer will auch ausgerüstet, nicht bloß ernährt sein. Wir fassen daher
unsere Forderung so, daß im konkreten Kriegsfalle die heimische Volkswirtschaft
imstande sein soll, die unmittelbaren Lebensbedingungen von Heer und Flotte
zu sichern. Den Wert dieser speziell kriegerischen Unabhängigkeit mögen einige
Sätze veranschaulichen, die ich einem Aufsatze des Hauptmanns Deutelmoser aus
den Vierteljahrsheften unseres Großen Generalstabes (Jahrgang 1908 Heft 3)
entnehme. Es heißt da über das Verhältnis der Nord- und Südstaaten im
amerikanischen Sezesstonskriege (1861 bis 1864), der trotz hoher Kriegsbegeisterung
und anfänglich zweifelloser militärischer Überlegenheit der Südstaaten schließlich
mit deren Überwindung endete: "Der Süden zog seinen Erwerb fast aus¬
schließlich aus den durch Negersklaven bebauten Pflanzungen, wo Baumwolle,
Zucker, Reis, Indigo und Tabak gewonnen wurden. Der Anbau von Brod¬
getreide war nur gering, die Industrie vergleichsweise wenig entwickelt. Hieraus
ergab sich eine überaus störende wirtschaftliche Abhängigkeit vom Auslande, die
sich während des Bürgerkrieges natürlich fortwährend steigerte. Sie war um
so nachteiliger, als sich im Süden größere Geldmittel bei weitem nicht so leicht
flüssig machen ließen wie im Norden."

"Dieser war nicht nur an sich reicher, sondern auch durch die Art seiner
Landeserzeugnisse weniger auf fremde Einfuhr angewiesen. Seine Bewohner
trieben Getreide- und Futterbau, Schlachtvieh- und Pferdezucht. Sie gewannen
auf eigenem Grund und Boden Eisen, Kupfer, Blei, Hölzer für den Schiffbau,
Hanf und Steinkohle. Ihre Industrie stand in wirtschaftlicher Blüte, ihre Kriegs¬
und Handelsflotte beherrschte das Meer und die Binnengewässer. Sie konnten
also ihre Erzeugnisse unmittelbar dem Heere nutzbar machen. Ihrem Gegner
aber vermochten sie durch die Blockade seiner Häfen um so größeren Schaden
zuzufügen, als ihn: dadurch nicht nur die Einfuhr von Kriegsbedarf erschwert,
sondern auch seine wichtigste Einnahmequelle, die Baumwollausfuhr nach Europa,
unterbunden wurde."

"Die wirtschaftliche Konjunktur im Norden wurde, vom Daniederliegen
ganz vereinzelter Industriezweige abgesehen, durch den Krieg nicht schlechter,
sondern besser."

"Nur selten kam es vor, daß sich (im Süden) eine befohlene Truppen¬
gestellung verzögerte, und wenn ein solcher Fall eintrat, lag das nie am
Nekrutenmangel, sondem stets am Fehlen der nötigen Waffen und Ausrüstungs¬
stücke, deren Beschaffung große Schwierigkeiten machte."

"Man blieb (in: Süden) mit der Artillerie erheblich im Rückstände, da
deren gesamtes Material nur vom Auslande geliefert werden konnte."

Wenn man diesen Ausführungen noch hinzufügt, daß die Südstaaten über
ein weit besseres Material von Führern und Offizieren verfügten: wer kann
dann noch bezweifeln, daß den Sezessionskrieg im Grunde nur die wirtschaftliche


wirtschaftliche Rüstung

Allerdings hätte der Feldmarschall statt „Landwirtschaft" und „ernähren" viel¬
leicht noch besser die Worte gewählt „Volkswirtschaft" und „erhalten": denn
ein Heer will auch ausgerüstet, nicht bloß ernährt sein. Wir fassen daher
unsere Forderung so, daß im konkreten Kriegsfalle die heimische Volkswirtschaft
imstande sein soll, die unmittelbaren Lebensbedingungen von Heer und Flotte
zu sichern. Den Wert dieser speziell kriegerischen Unabhängigkeit mögen einige
Sätze veranschaulichen, die ich einem Aufsatze des Hauptmanns Deutelmoser aus
den Vierteljahrsheften unseres Großen Generalstabes (Jahrgang 1908 Heft 3)
entnehme. Es heißt da über das Verhältnis der Nord- und Südstaaten im
amerikanischen Sezesstonskriege (1861 bis 1864), der trotz hoher Kriegsbegeisterung
und anfänglich zweifelloser militärischer Überlegenheit der Südstaaten schließlich
mit deren Überwindung endete: „Der Süden zog seinen Erwerb fast aus¬
schließlich aus den durch Negersklaven bebauten Pflanzungen, wo Baumwolle,
Zucker, Reis, Indigo und Tabak gewonnen wurden. Der Anbau von Brod¬
getreide war nur gering, die Industrie vergleichsweise wenig entwickelt. Hieraus
ergab sich eine überaus störende wirtschaftliche Abhängigkeit vom Auslande, die
sich während des Bürgerkrieges natürlich fortwährend steigerte. Sie war um
so nachteiliger, als sich im Süden größere Geldmittel bei weitem nicht so leicht
flüssig machen ließen wie im Norden."

„Dieser war nicht nur an sich reicher, sondern auch durch die Art seiner
Landeserzeugnisse weniger auf fremde Einfuhr angewiesen. Seine Bewohner
trieben Getreide- und Futterbau, Schlachtvieh- und Pferdezucht. Sie gewannen
auf eigenem Grund und Boden Eisen, Kupfer, Blei, Hölzer für den Schiffbau,
Hanf und Steinkohle. Ihre Industrie stand in wirtschaftlicher Blüte, ihre Kriegs¬
und Handelsflotte beherrschte das Meer und die Binnengewässer. Sie konnten
also ihre Erzeugnisse unmittelbar dem Heere nutzbar machen. Ihrem Gegner
aber vermochten sie durch die Blockade seiner Häfen um so größeren Schaden
zuzufügen, als ihn: dadurch nicht nur die Einfuhr von Kriegsbedarf erschwert,
sondern auch seine wichtigste Einnahmequelle, die Baumwollausfuhr nach Europa,
unterbunden wurde."

„Die wirtschaftliche Konjunktur im Norden wurde, vom Daniederliegen
ganz vereinzelter Industriezweige abgesehen, durch den Krieg nicht schlechter,
sondern besser."

„Nur selten kam es vor, daß sich (im Süden) eine befohlene Truppen¬
gestellung verzögerte, und wenn ein solcher Fall eintrat, lag das nie am
Nekrutenmangel, sondem stets am Fehlen der nötigen Waffen und Ausrüstungs¬
stücke, deren Beschaffung große Schwierigkeiten machte."

„Man blieb (in: Süden) mit der Artillerie erheblich im Rückstände, da
deren gesamtes Material nur vom Auslande geliefert werden konnte."

Wenn man diesen Ausführungen noch hinzufügt, daß die Südstaaten über
ein weit besseres Material von Führern und Offizieren verfügten: wer kann
dann noch bezweifeln, daß den Sezessionskrieg im Grunde nur die wirtschaftliche


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[0284] wirtschaftliche Rüstung Allerdings hätte der Feldmarschall statt „Landwirtschaft" und „ernähren" viel¬ leicht noch besser die Worte gewählt „Volkswirtschaft" und „erhalten": denn ein Heer will auch ausgerüstet, nicht bloß ernährt sein. Wir fassen daher unsere Forderung so, daß im konkreten Kriegsfalle die heimische Volkswirtschaft imstande sein soll, die unmittelbaren Lebensbedingungen von Heer und Flotte zu sichern. Den Wert dieser speziell kriegerischen Unabhängigkeit mögen einige Sätze veranschaulichen, die ich einem Aufsatze des Hauptmanns Deutelmoser aus den Vierteljahrsheften unseres Großen Generalstabes (Jahrgang 1908 Heft 3) entnehme. Es heißt da über das Verhältnis der Nord- und Südstaaten im amerikanischen Sezesstonskriege (1861 bis 1864), der trotz hoher Kriegsbegeisterung und anfänglich zweifelloser militärischer Überlegenheit der Südstaaten schließlich mit deren Überwindung endete: „Der Süden zog seinen Erwerb fast aus¬ schließlich aus den durch Negersklaven bebauten Pflanzungen, wo Baumwolle, Zucker, Reis, Indigo und Tabak gewonnen wurden. Der Anbau von Brod¬ getreide war nur gering, die Industrie vergleichsweise wenig entwickelt. Hieraus ergab sich eine überaus störende wirtschaftliche Abhängigkeit vom Auslande, die sich während des Bürgerkrieges natürlich fortwährend steigerte. Sie war um so nachteiliger, als sich im Süden größere Geldmittel bei weitem nicht so leicht flüssig machen ließen wie im Norden." „Dieser war nicht nur an sich reicher, sondern auch durch die Art seiner Landeserzeugnisse weniger auf fremde Einfuhr angewiesen. Seine Bewohner trieben Getreide- und Futterbau, Schlachtvieh- und Pferdezucht. Sie gewannen auf eigenem Grund und Boden Eisen, Kupfer, Blei, Hölzer für den Schiffbau, Hanf und Steinkohle. Ihre Industrie stand in wirtschaftlicher Blüte, ihre Kriegs¬ und Handelsflotte beherrschte das Meer und die Binnengewässer. Sie konnten also ihre Erzeugnisse unmittelbar dem Heere nutzbar machen. Ihrem Gegner aber vermochten sie durch die Blockade seiner Häfen um so größeren Schaden zuzufügen, als ihn: dadurch nicht nur die Einfuhr von Kriegsbedarf erschwert, sondern auch seine wichtigste Einnahmequelle, die Baumwollausfuhr nach Europa, unterbunden wurde." „Die wirtschaftliche Konjunktur im Norden wurde, vom Daniederliegen ganz vereinzelter Industriezweige abgesehen, durch den Krieg nicht schlechter, sondern besser." „Nur selten kam es vor, daß sich (im Süden) eine befohlene Truppen¬ gestellung verzögerte, und wenn ein solcher Fall eintrat, lag das nie am Nekrutenmangel, sondem stets am Fehlen der nötigen Waffen und Ausrüstungs¬ stücke, deren Beschaffung große Schwierigkeiten machte." „Man blieb (in: Süden) mit der Artillerie erheblich im Rückstände, da deren gesamtes Material nur vom Auslande geliefert werden konnte." Wenn man diesen Ausführungen noch hinzufügt, daß die Südstaaten über ein weit besseres Material von Führern und Offizieren verfügten: wer kann dann noch bezweifeln, daß den Sezessionskrieg im Grunde nur die wirtschaftliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/284>, abgerufen am 22.07.2024.