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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Aus Hebbels Studienzeit

künstlerischer Reife Vorgedrungenen im August der Anschluß an das Cottaische
Morgenblatt und damit an die deutsche Öffentlichkeit. Das macht, wie begreiflich,
seinen Ruf in der Heimat steigen; der junge Adept erlebt die Genugtuung, vom
"Boten" nun um einen Beitrag höflich ersucht zu werden. Mit dem folgenden,
dem ersten der unveröffentlichten Briefe, die ich hier vorlegen darf, entspricht
Hebbel diesem Gesuch; er übersendet nach Friedrichstadt die Ballade "Der alten
Götter Abendmahl"*), und nicht ohne Humor ist es, zu sehen, wie der "Bote"
das herzlich mittelmäßige Stück -- denn Gutes hätte der schon gescheit gewordene
Hebbel nach Friedrichstadt nicht mehr gegeben -- als Reklame sogleich in der
ersten Januarnummer des neuen Jahrgangs 1836 abdrückt. Es war Hebbels
überhaupt letzter Beitrag für den "Boten". Das Original des Gedichts und
der Begleitbrief, beide auf einem Blatt, befinden sich im Besitz der Frau Ellen
Mavntzhusen in Hamburg.

Ubr.: Sr. Wohlgeboren dem Herrn Fischer, Königl. privilegirten
Buchdrucker in Friedrichstadt an der Eider. -- Durch Güte.

Hamburg, den 17. Dezember 1835.

Im vorstehenden Gedicht, lieber Herr Fischer, sende ich zu gleicher Zeit
Ihnen, Ihrem Boten und meinem Vaterlande einen Gruß (Sie sehen, ich bin
in der Fremde öconomisch geworden!) und habe dabei keinen andern Wunsch,
als denjenigen, den man bei Grüßen gewöhnlich ausspricht, daß sie nämlich
recht bald bestellt werden mögen, auszusprechen. Ich hoffe, Sie werden das
verflossene Jahr heiter verlebt haben und wünsche in dieser Voraussetzung, daß
das kommende seinem Bruder gleiche. Für den Weihnacht weiß ich Ihnen Nichts
zu wünschen, so wenig Christgeschenke, als Kindlein; für jene ist man zu alt,
sobald das zwölfte Jahr überschritten ist, und diese würden Ihnen vermuthlich
zu unbequem fallen. Nach Neujahr werde ich die Ehre haben, Ihnen meine
Aufwartung zu machen, bis dahin ein herzliches Lebewohl!


Der Ihrige

Indem Hebbel hier dem Verleger Fischer seinen Besuch in Aussicht stellt,
denkt er bereits an jene Reise in die Heimat, die er im Februar 1836, um
sich vor dem Abgang auf die Universität von Mutter und Freunden zu ver¬
abschieden, wirklich ausführte. In Friedrichstadt freilich ist er nicht mehr gewesen. --
Das Programm Amalie Schoppes, demzufolge Hebbel nach privater Vorbereitung
in das Johanneum eintreten und hier sein Absolutorium bestehen sollte, hatte
sich als undurchführbar erwiesen. Wer den jungen Hebbel hätte Latein lehren
wollen, der hätte etwa beim Tacitus einsetzen müssen; mit ille, illa, illuä ging's
nicht. Der rastlos um sich greifende Geist des genialen Autodidakten war auf
pädagogische Methodik nicht mehr eingestellt. Wir, die wir die Tagebücher der
ersten Hamburger Zeit kennen und den unerhörten kritischen Instinkt bewundern,
mit demi in seinem vor dem "Wissenschaftlicher Verein von 1817" gehaltenen



") R, M. Werner: Hist.-trie, Ausgabe. Bd. VII, S. 132.
Aus Hebbels Studienzeit

künstlerischer Reife Vorgedrungenen im August der Anschluß an das Cottaische
Morgenblatt und damit an die deutsche Öffentlichkeit. Das macht, wie begreiflich,
seinen Ruf in der Heimat steigen; der junge Adept erlebt die Genugtuung, vom
„Boten" nun um einen Beitrag höflich ersucht zu werden. Mit dem folgenden,
dem ersten der unveröffentlichten Briefe, die ich hier vorlegen darf, entspricht
Hebbel diesem Gesuch; er übersendet nach Friedrichstadt die Ballade „Der alten
Götter Abendmahl"*), und nicht ohne Humor ist es, zu sehen, wie der „Bote"
das herzlich mittelmäßige Stück — denn Gutes hätte der schon gescheit gewordene
Hebbel nach Friedrichstadt nicht mehr gegeben — als Reklame sogleich in der
ersten Januarnummer des neuen Jahrgangs 1836 abdrückt. Es war Hebbels
überhaupt letzter Beitrag für den „Boten". Das Original des Gedichts und
der Begleitbrief, beide auf einem Blatt, befinden sich im Besitz der Frau Ellen
Mavntzhusen in Hamburg.

Ubr.: Sr. Wohlgeboren dem Herrn Fischer, Königl. privilegirten
Buchdrucker in Friedrichstadt an der Eider. — Durch Güte.

Hamburg, den 17. Dezember 1835.

Im vorstehenden Gedicht, lieber Herr Fischer, sende ich zu gleicher Zeit
Ihnen, Ihrem Boten und meinem Vaterlande einen Gruß (Sie sehen, ich bin
in der Fremde öconomisch geworden!) und habe dabei keinen andern Wunsch,
als denjenigen, den man bei Grüßen gewöhnlich ausspricht, daß sie nämlich
recht bald bestellt werden mögen, auszusprechen. Ich hoffe, Sie werden das
verflossene Jahr heiter verlebt haben und wünsche in dieser Voraussetzung, daß
das kommende seinem Bruder gleiche. Für den Weihnacht weiß ich Ihnen Nichts
zu wünschen, so wenig Christgeschenke, als Kindlein; für jene ist man zu alt,
sobald das zwölfte Jahr überschritten ist, und diese würden Ihnen vermuthlich
zu unbequem fallen. Nach Neujahr werde ich die Ehre haben, Ihnen meine
Aufwartung zu machen, bis dahin ein herzliches Lebewohl!


Der Ihrige

Indem Hebbel hier dem Verleger Fischer seinen Besuch in Aussicht stellt,
denkt er bereits an jene Reise in die Heimat, die er im Februar 1836, um
sich vor dem Abgang auf die Universität von Mutter und Freunden zu ver¬
abschieden, wirklich ausführte. In Friedrichstadt freilich ist er nicht mehr gewesen. —
Das Programm Amalie Schoppes, demzufolge Hebbel nach privater Vorbereitung
in das Johanneum eintreten und hier sein Absolutorium bestehen sollte, hatte
sich als undurchführbar erwiesen. Wer den jungen Hebbel hätte Latein lehren
wollen, der hätte etwa beim Tacitus einsetzen müssen; mit ille, illa, illuä ging's
nicht. Der rastlos um sich greifende Geist des genialen Autodidakten war auf
pädagogische Methodik nicht mehr eingestellt. Wir, die wir die Tagebücher der
ersten Hamburger Zeit kennen und den unerhörten kritischen Instinkt bewundern,
mit demi in seinem vor dem „Wissenschaftlicher Verein von 1817" gehaltenen



") R, M. Werner: Hist.-trie, Ausgabe. Bd. VII, S. 132.
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[0632] Aus Hebbels Studienzeit künstlerischer Reife Vorgedrungenen im August der Anschluß an das Cottaische Morgenblatt und damit an die deutsche Öffentlichkeit. Das macht, wie begreiflich, seinen Ruf in der Heimat steigen; der junge Adept erlebt die Genugtuung, vom „Boten" nun um einen Beitrag höflich ersucht zu werden. Mit dem folgenden, dem ersten der unveröffentlichten Briefe, die ich hier vorlegen darf, entspricht Hebbel diesem Gesuch; er übersendet nach Friedrichstadt die Ballade „Der alten Götter Abendmahl"*), und nicht ohne Humor ist es, zu sehen, wie der „Bote" das herzlich mittelmäßige Stück — denn Gutes hätte der schon gescheit gewordene Hebbel nach Friedrichstadt nicht mehr gegeben — als Reklame sogleich in der ersten Januarnummer des neuen Jahrgangs 1836 abdrückt. Es war Hebbels überhaupt letzter Beitrag für den „Boten". Das Original des Gedichts und der Begleitbrief, beide auf einem Blatt, befinden sich im Besitz der Frau Ellen Mavntzhusen in Hamburg. Ubr.: Sr. Wohlgeboren dem Herrn Fischer, Königl. privilegirten Buchdrucker in Friedrichstadt an der Eider. — Durch Güte. Hamburg, den 17. Dezember 1835. Im vorstehenden Gedicht, lieber Herr Fischer, sende ich zu gleicher Zeit Ihnen, Ihrem Boten und meinem Vaterlande einen Gruß (Sie sehen, ich bin in der Fremde öconomisch geworden!) und habe dabei keinen andern Wunsch, als denjenigen, den man bei Grüßen gewöhnlich ausspricht, daß sie nämlich recht bald bestellt werden mögen, auszusprechen. Ich hoffe, Sie werden das verflossene Jahr heiter verlebt haben und wünsche in dieser Voraussetzung, daß das kommende seinem Bruder gleiche. Für den Weihnacht weiß ich Ihnen Nichts zu wünschen, so wenig Christgeschenke, als Kindlein; für jene ist man zu alt, sobald das zwölfte Jahr überschritten ist, und diese würden Ihnen vermuthlich zu unbequem fallen. Nach Neujahr werde ich die Ehre haben, Ihnen meine Aufwartung zu machen, bis dahin ein herzliches Lebewohl! Der Ihrige Indem Hebbel hier dem Verleger Fischer seinen Besuch in Aussicht stellt, denkt er bereits an jene Reise in die Heimat, die er im Februar 1836, um sich vor dem Abgang auf die Universität von Mutter und Freunden zu ver¬ abschieden, wirklich ausführte. In Friedrichstadt freilich ist er nicht mehr gewesen. — Das Programm Amalie Schoppes, demzufolge Hebbel nach privater Vorbereitung in das Johanneum eintreten und hier sein Absolutorium bestehen sollte, hatte sich als undurchführbar erwiesen. Wer den jungen Hebbel hätte Latein lehren wollen, der hätte etwa beim Tacitus einsetzen müssen; mit ille, illa, illuä ging's nicht. Der rastlos um sich greifende Geist des genialen Autodidakten war auf pädagogische Methodik nicht mehr eingestellt. Wir, die wir die Tagebücher der ersten Hamburger Zeit kennen und den unerhörten kritischen Instinkt bewundern, mit demi in seinem vor dem „Wissenschaftlicher Verein von 1817" gehaltenen ") R, M. Werner: Hist.-trie, Ausgabe. Bd. VII, S. 132.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/632>, abgerufen am 29.12.2024.