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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Turner-, Sänger- und Schützenfesten, die Anfang der sechziger Jahre allent¬
halben das öffentliche Interesse lebhaft in Anspruch nahmen. Auch hier stand
der Herzog als Protektor oder Ehrenpräsident im Vordergrunde.

Daß das Auftreten des Herzogs, seine Rede und sein Verkehr mit den
preußischen Oppositionsführern in Berlin tief verstimmten, ist durchaus ver¬
ständlich. Besonders war die Meinung der militärischen Kreise begreiflich, daß
eine Persönlichkeit, die dazu beitrage, die preußische Armee in ihren Grund¬
festen zu erschüttern, nicht Chef eines ihrer Regimenter sein könne. Der
König ließ sich zwar zu einem so entschiedenen Schritt wie der Streichung des
Herzogs aus der Heeresliste nicht bestimmen; aber ernste Vorhaltungen hat er
ihm gemacht. "Es geht durch alle Zeitungen die Nachricht," so schreibt der
König, "Du habest an hiesige Mitglieder des Abgeordnetenhauses die Auf¬
forderung ergehen lassen, in ihrer Opposition gegen mich, meine Regierung und
also namentlich gegen die pommo cle cZi8Loräe, die Militärorganisation, fest¬
zuhalten, weil dann der Sieg ihnen verbleiben werde. Ich muß Dich auf das
bestimmteste auffordern, nur zu erklären, ob Du wirklich in: angegebenen Sinne
Dich gegen Mitglieder meines Abgeordnetenhauses ausgesprochen hast. Ist es
der Fall gewesen, so vermag ich ein solches Beginnen nicht mit Deiner persön¬
lichen Stellung zu mir, am wenigsten aber mit Deiner Stellung in meiner
Armee zu vereinigen. Jeder Offizier, der der aktiven Armee angehört, würde
über dergleichen Ansichten zur Verantwortung gezogen werden. Das kann ich
bei Dir nicht eintreten lassen, aber meiner Armee bin ich es schuldig, zu wissen,
wie ein Souverän Deutschlands, der in der preußischen Armee Chef eines
Regiments ist, über dieselbe und ihre Organisation denkt und ob er wirklich
gesonnen ist, dieselbe gegen den Willen seines Königs zu ruinieren." In aus¬
führlicher Weise und in gewundenen Ausdrücken entschuldigte sich Ernst der
Zweite; aber seinen Standpunkt hat er nicht geändert, nur vorsichtiger ist
er geworden.

In den Memoiren Ernst des Zweiten heißt es zwar: "So half das
Schicksal den rechten Mann an die Spitze der Geschäfte zu bringen, von dem
man wußte, daß er vor kleinen Rücksichten nicht zurückschreckte", und gleich darauf:
"Ich bin glücklich, die Zeit erlebt zu haben, wo jeder Deutsche sich freudig dazu
bekennt, den 9. Oktober 1862 als einen Glückstag in seiner Geschichte anzusehen."
Damals aber hatte sich der Herzog noch nicht zu dieser objektiven Höhe der
Beurteilung emporgeschwungen. Rudolf Gemse, der in jener Zeit Redakteur
der Koburger Zeitung war, versichert, der Herzog sei über die Ernennung
Bismarcks aufs äußerste bestürzt, beunruhigt, ja erbittert gewesen. Er bekam
mehrfach Winke, gegen die verruchte Bismarcksche Politik zu schreiben. Dazu
stimmen die leidenschaftlichen Angriffe des Nationalvereins auf Bismarck. Noch
am 14. Mai 186K schleuderte der Nationalverein in einem flammenden Protest
seinen Fluch auf das Haupt Bismarcks, des Urhebers des deutschen Krieges.
Aber es blieb bei den Resolutionen, bei der nationalen Entrüstung, bei


Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Turner-, Sänger- und Schützenfesten, die Anfang der sechziger Jahre allent¬
halben das öffentliche Interesse lebhaft in Anspruch nahmen. Auch hier stand
der Herzog als Protektor oder Ehrenpräsident im Vordergrunde.

Daß das Auftreten des Herzogs, seine Rede und sein Verkehr mit den
preußischen Oppositionsführern in Berlin tief verstimmten, ist durchaus ver¬
ständlich. Besonders war die Meinung der militärischen Kreise begreiflich, daß
eine Persönlichkeit, die dazu beitrage, die preußische Armee in ihren Grund¬
festen zu erschüttern, nicht Chef eines ihrer Regimenter sein könne. Der
König ließ sich zwar zu einem so entschiedenen Schritt wie der Streichung des
Herzogs aus der Heeresliste nicht bestimmen; aber ernste Vorhaltungen hat er
ihm gemacht. „Es geht durch alle Zeitungen die Nachricht," so schreibt der
König, „Du habest an hiesige Mitglieder des Abgeordnetenhauses die Auf¬
forderung ergehen lassen, in ihrer Opposition gegen mich, meine Regierung und
also namentlich gegen die pommo cle cZi8Loräe, die Militärorganisation, fest¬
zuhalten, weil dann der Sieg ihnen verbleiben werde. Ich muß Dich auf das
bestimmteste auffordern, nur zu erklären, ob Du wirklich in: angegebenen Sinne
Dich gegen Mitglieder meines Abgeordnetenhauses ausgesprochen hast. Ist es
der Fall gewesen, so vermag ich ein solches Beginnen nicht mit Deiner persön¬
lichen Stellung zu mir, am wenigsten aber mit Deiner Stellung in meiner
Armee zu vereinigen. Jeder Offizier, der der aktiven Armee angehört, würde
über dergleichen Ansichten zur Verantwortung gezogen werden. Das kann ich
bei Dir nicht eintreten lassen, aber meiner Armee bin ich es schuldig, zu wissen,
wie ein Souverän Deutschlands, der in der preußischen Armee Chef eines
Regiments ist, über dieselbe und ihre Organisation denkt und ob er wirklich
gesonnen ist, dieselbe gegen den Willen seines Königs zu ruinieren." In aus¬
führlicher Weise und in gewundenen Ausdrücken entschuldigte sich Ernst der
Zweite; aber seinen Standpunkt hat er nicht geändert, nur vorsichtiger ist
er geworden.

In den Memoiren Ernst des Zweiten heißt es zwar: „So half das
Schicksal den rechten Mann an die Spitze der Geschäfte zu bringen, von dem
man wußte, daß er vor kleinen Rücksichten nicht zurückschreckte", und gleich darauf:
„Ich bin glücklich, die Zeit erlebt zu haben, wo jeder Deutsche sich freudig dazu
bekennt, den 9. Oktober 1862 als einen Glückstag in seiner Geschichte anzusehen."
Damals aber hatte sich der Herzog noch nicht zu dieser objektiven Höhe der
Beurteilung emporgeschwungen. Rudolf Gemse, der in jener Zeit Redakteur
der Koburger Zeitung war, versichert, der Herzog sei über die Ernennung
Bismarcks aufs äußerste bestürzt, beunruhigt, ja erbittert gewesen. Er bekam
mehrfach Winke, gegen die verruchte Bismarcksche Politik zu schreiben. Dazu
stimmen die leidenschaftlichen Angriffe des Nationalvereins auf Bismarck. Noch
am 14. Mai 186K schleuderte der Nationalverein in einem flammenden Protest
seinen Fluch auf das Haupt Bismarcks, des Urhebers des deutschen Krieges.
Aber es blieb bei den Resolutionen, bei der nationalen Entrüstung, bei


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[0617] Die fürstlichen Gegner Bismarcks Turner-, Sänger- und Schützenfesten, die Anfang der sechziger Jahre allent¬ halben das öffentliche Interesse lebhaft in Anspruch nahmen. Auch hier stand der Herzog als Protektor oder Ehrenpräsident im Vordergrunde. Daß das Auftreten des Herzogs, seine Rede und sein Verkehr mit den preußischen Oppositionsführern in Berlin tief verstimmten, ist durchaus ver¬ ständlich. Besonders war die Meinung der militärischen Kreise begreiflich, daß eine Persönlichkeit, die dazu beitrage, die preußische Armee in ihren Grund¬ festen zu erschüttern, nicht Chef eines ihrer Regimenter sein könne. Der König ließ sich zwar zu einem so entschiedenen Schritt wie der Streichung des Herzogs aus der Heeresliste nicht bestimmen; aber ernste Vorhaltungen hat er ihm gemacht. „Es geht durch alle Zeitungen die Nachricht," so schreibt der König, „Du habest an hiesige Mitglieder des Abgeordnetenhauses die Auf¬ forderung ergehen lassen, in ihrer Opposition gegen mich, meine Regierung und also namentlich gegen die pommo cle cZi8Loräe, die Militärorganisation, fest¬ zuhalten, weil dann der Sieg ihnen verbleiben werde. Ich muß Dich auf das bestimmteste auffordern, nur zu erklären, ob Du wirklich in: angegebenen Sinne Dich gegen Mitglieder meines Abgeordnetenhauses ausgesprochen hast. Ist es der Fall gewesen, so vermag ich ein solches Beginnen nicht mit Deiner persön¬ lichen Stellung zu mir, am wenigsten aber mit Deiner Stellung in meiner Armee zu vereinigen. Jeder Offizier, der der aktiven Armee angehört, würde über dergleichen Ansichten zur Verantwortung gezogen werden. Das kann ich bei Dir nicht eintreten lassen, aber meiner Armee bin ich es schuldig, zu wissen, wie ein Souverän Deutschlands, der in der preußischen Armee Chef eines Regiments ist, über dieselbe und ihre Organisation denkt und ob er wirklich gesonnen ist, dieselbe gegen den Willen seines Königs zu ruinieren." In aus¬ führlicher Weise und in gewundenen Ausdrücken entschuldigte sich Ernst der Zweite; aber seinen Standpunkt hat er nicht geändert, nur vorsichtiger ist er geworden. In den Memoiren Ernst des Zweiten heißt es zwar: „So half das Schicksal den rechten Mann an die Spitze der Geschäfte zu bringen, von dem man wußte, daß er vor kleinen Rücksichten nicht zurückschreckte", und gleich darauf: „Ich bin glücklich, die Zeit erlebt zu haben, wo jeder Deutsche sich freudig dazu bekennt, den 9. Oktober 1862 als einen Glückstag in seiner Geschichte anzusehen." Damals aber hatte sich der Herzog noch nicht zu dieser objektiven Höhe der Beurteilung emporgeschwungen. Rudolf Gemse, der in jener Zeit Redakteur der Koburger Zeitung war, versichert, der Herzog sei über die Ernennung Bismarcks aufs äußerste bestürzt, beunruhigt, ja erbittert gewesen. Er bekam mehrfach Winke, gegen die verruchte Bismarcksche Politik zu schreiben. Dazu stimmen die leidenschaftlichen Angriffe des Nationalvereins auf Bismarck. Noch am 14. Mai 186K schleuderte der Nationalverein in einem flammenden Protest seinen Fluch auf das Haupt Bismarcks, des Urhebers des deutschen Krieges. Aber es blieb bei den Resolutionen, bei der nationalen Entrüstung, bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/617>, abgerufen am 27.09.2024.