Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die fürstlichen Gegner Bismcircks

Ihre Vorliebe für alles Französische und Englische, ihre Abneigung gegen alles
Russische, die bei der Tochter Maria Paulownas schwer zu erklären ist, war
schuld daran. Doch hören wir Bismarck selbst. "Die Prinzessin Augusta hat
aus ihrer weimarischen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt,
daß französische und noch mehr englische Autoritäten und Personen den Ein¬
heimischen überlegen seien. Sie war darin echt deutschen Bluts, daß sich an
ihr unsere nationale Art bewährte, welche in der Redensart den schärfsten
Ausdruck findet: das ist nicht weit her, taugt also nichts. Trotz Goethe, Schiller
und allen anderen Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch
diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis zur
Gegenwart auf unserem Nationalgefühl gelastet hat, daß ein Franzose und
vollends ein Engländer durch feine Nationalität und Geburt ein vornehmeres
Wesen sei als der Deutsche, und daß der Beifall der öffentlichen Meinung von
Paris und London ein authentischeres Zeugnis des eigenen Wertes bilde als
unser eigenes Bewußtsein."

Bismarck hatte aus seiner Hinneigung zu Rußland oder vielmehr aus seiner
Überzeugung, daß die Drähte zwischen Berlin und Petersburg nicht durchschnitten
werden dürften, nie ein Hehl gemacht. Damit war schon sür den Gegensatz
zwischen ihm und der Königin das Fundament geschaffen. Dies verstärkte sich
in demselben Maße, in dem der König dem Einfluß Bismcircks nachgab. Und
sie war eine gefährliche Gegnerin. Es hatte sich die Gewohnheit herausgebildet,
daß sie ihren: Gemahl beim Frühstück Vortrag hielt unter Vorlegung von Briefen
und Zeitungsartikeln, die zuweilen eigens für den Zweck redigiert waren. Be¬
sonders der frühere Minister des Auswärtigen Schleinitz, der 1885 als Haus¬
minister der Kaiserin Augusta gestorben ist, hat sich das zweifelhafte Verdienst
erworben, auf diesem Wege Bismarck entgegen gearbeitet zu haben.

Der Einfluß der Königin hat Bismarck bei verschiedenen Gelegenheiten
schwere Sorgen bereitet. Ihr Widerstand gegen seine Ernennung war zwar
erfolglos geblieben, doch bereits in den ersten Wochen seines Ministeriunis zeigte
sich die Wirkung ihrer Gegnerschaft. Der König hatte sich am 30. September 1862,
dem Geburtstag seiner Gemahlin, nach Baden-Baden begeben. Bon dort kam er
in sehr gedrückter Stimmung zurück; denn während des achttägigen Aufenthaltes
war er über das Thema: Polignac, Strafford, Ludwig der Sechzehnte, in aus¬
giebiger Weise unterhalten worden. Bismarck war dem König auf seiner Rückreise
bis Jüterbog entgegengefahren, um ihn über einige Äußerungen aufzuklären und
zu beruhigen, die von ihm in den Kommissionssitzungen getan und von der
Presse verbreitet worden waren. Es handelte sich um das Blut- und Eisen-
Rezept und um Bismarcks Erklärung, daß Preußen in: Interesse Deutschlands
eine viel zu starke Rüstung für seinen schmalen Leib trage. Doch gleich bei
Beginn seiner Ausführungen unterbrach der König den Minister, wie uns Bis¬
marck selbst berichtet, wie folgt: "Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles
endigen wird. Da vor den: Opernplatz, unter meinen Fenstern, wird man


Die fürstlichen Gegner Bismcircks

Ihre Vorliebe für alles Französische und Englische, ihre Abneigung gegen alles
Russische, die bei der Tochter Maria Paulownas schwer zu erklären ist, war
schuld daran. Doch hören wir Bismarck selbst. „Die Prinzessin Augusta hat
aus ihrer weimarischen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt,
daß französische und noch mehr englische Autoritäten und Personen den Ein¬
heimischen überlegen seien. Sie war darin echt deutschen Bluts, daß sich an
ihr unsere nationale Art bewährte, welche in der Redensart den schärfsten
Ausdruck findet: das ist nicht weit her, taugt also nichts. Trotz Goethe, Schiller
und allen anderen Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch
diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis zur
Gegenwart auf unserem Nationalgefühl gelastet hat, daß ein Franzose und
vollends ein Engländer durch feine Nationalität und Geburt ein vornehmeres
Wesen sei als der Deutsche, und daß der Beifall der öffentlichen Meinung von
Paris und London ein authentischeres Zeugnis des eigenen Wertes bilde als
unser eigenes Bewußtsein."

Bismarck hatte aus seiner Hinneigung zu Rußland oder vielmehr aus seiner
Überzeugung, daß die Drähte zwischen Berlin und Petersburg nicht durchschnitten
werden dürften, nie ein Hehl gemacht. Damit war schon sür den Gegensatz
zwischen ihm und der Königin das Fundament geschaffen. Dies verstärkte sich
in demselben Maße, in dem der König dem Einfluß Bismcircks nachgab. Und
sie war eine gefährliche Gegnerin. Es hatte sich die Gewohnheit herausgebildet,
daß sie ihren: Gemahl beim Frühstück Vortrag hielt unter Vorlegung von Briefen
und Zeitungsartikeln, die zuweilen eigens für den Zweck redigiert waren. Be¬
sonders der frühere Minister des Auswärtigen Schleinitz, der 1885 als Haus¬
minister der Kaiserin Augusta gestorben ist, hat sich das zweifelhafte Verdienst
erworben, auf diesem Wege Bismarck entgegen gearbeitet zu haben.

Der Einfluß der Königin hat Bismarck bei verschiedenen Gelegenheiten
schwere Sorgen bereitet. Ihr Widerstand gegen seine Ernennung war zwar
erfolglos geblieben, doch bereits in den ersten Wochen seines Ministeriunis zeigte
sich die Wirkung ihrer Gegnerschaft. Der König hatte sich am 30. September 1862,
dem Geburtstag seiner Gemahlin, nach Baden-Baden begeben. Bon dort kam er
in sehr gedrückter Stimmung zurück; denn während des achttägigen Aufenthaltes
war er über das Thema: Polignac, Strafford, Ludwig der Sechzehnte, in aus¬
giebiger Weise unterhalten worden. Bismarck war dem König auf seiner Rückreise
bis Jüterbog entgegengefahren, um ihn über einige Äußerungen aufzuklären und
zu beruhigen, die von ihm in den Kommissionssitzungen getan und von der
Presse verbreitet worden waren. Es handelte sich um das Blut- und Eisen-
Rezept und um Bismarcks Erklärung, daß Preußen in: Interesse Deutschlands
eine viel zu starke Rüstung für seinen schmalen Leib trage. Doch gleich bei
Beginn seiner Ausführungen unterbrach der König den Minister, wie uns Bis¬
marck selbst berichtet, wie folgt: „Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles
endigen wird. Da vor den: Opernplatz, unter meinen Fenstern, wird man


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0607" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321024"/>
          <fw type="header" place="top"> Die fürstlichen Gegner Bismcircks</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2798" prev="#ID_2797"> Ihre Vorliebe für alles Französische und Englische, ihre Abneigung gegen alles<lb/>
Russische, die bei der Tochter Maria Paulownas schwer zu erklären ist, war<lb/>
schuld daran. Doch hören wir Bismarck selbst. &#x201E;Die Prinzessin Augusta hat<lb/>
aus ihrer weimarischen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt,<lb/>
daß französische und noch mehr englische Autoritäten und Personen den Ein¬<lb/>
heimischen überlegen seien. Sie war darin echt deutschen Bluts, daß sich an<lb/>
ihr unsere nationale Art bewährte, welche in der Redensart den schärfsten<lb/>
Ausdruck findet: das ist nicht weit her, taugt also nichts. Trotz Goethe, Schiller<lb/>
und allen anderen Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch<lb/>
diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis zur<lb/>
Gegenwart auf unserem Nationalgefühl gelastet hat, daß ein Franzose und<lb/>
vollends ein Engländer durch feine Nationalität und Geburt ein vornehmeres<lb/>
Wesen sei als der Deutsche, und daß der Beifall der öffentlichen Meinung von<lb/>
Paris und London ein authentischeres Zeugnis des eigenen Wertes bilde als<lb/>
unser eigenes Bewußtsein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2799"> Bismarck hatte aus seiner Hinneigung zu Rußland oder vielmehr aus seiner<lb/>
Überzeugung, daß die Drähte zwischen Berlin und Petersburg nicht durchschnitten<lb/>
werden dürften, nie ein Hehl gemacht. Damit war schon sür den Gegensatz<lb/>
zwischen ihm und der Königin das Fundament geschaffen. Dies verstärkte sich<lb/>
in demselben Maße, in dem der König dem Einfluß Bismcircks nachgab. Und<lb/>
sie war eine gefährliche Gegnerin. Es hatte sich die Gewohnheit herausgebildet,<lb/>
daß sie ihren: Gemahl beim Frühstück Vortrag hielt unter Vorlegung von Briefen<lb/>
und Zeitungsartikeln, die zuweilen eigens für den Zweck redigiert waren. Be¬<lb/>
sonders der frühere Minister des Auswärtigen Schleinitz, der 1885 als Haus¬<lb/>
minister der Kaiserin Augusta gestorben ist, hat sich das zweifelhafte Verdienst<lb/>
erworben, auf diesem Wege Bismarck entgegen gearbeitet zu haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2800" next="#ID_2801"> Der Einfluß der Königin hat Bismarck bei verschiedenen Gelegenheiten<lb/>
schwere Sorgen bereitet. Ihr Widerstand gegen seine Ernennung war zwar<lb/>
erfolglos geblieben, doch bereits in den ersten Wochen seines Ministeriunis zeigte<lb/>
sich die Wirkung ihrer Gegnerschaft. Der König hatte sich am 30. September 1862,<lb/>
dem Geburtstag seiner Gemahlin, nach Baden-Baden begeben. Bon dort kam er<lb/>
in sehr gedrückter Stimmung zurück; denn während des achttägigen Aufenthaltes<lb/>
war er über das Thema: Polignac, Strafford, Ludwig der Sechzehnte, in aus¬<lb/>
giebiger Weise unterhalten worden. Bismarck war dem König auf seiner Rückreise<lb/>
bis Jüterbog entgegengefahren, um ihn über einige Äußerungen aufzuklären und<lb/>
zu beruhigen, die von ihm in den Kommissionssitzungen getan und von der<lb/>
Presse verbreitet worden waren. Es handelte sich um das Blut- und Eisen-<lb/>
Rezept und um Bismarcks Erklärung, daß Preußen in: Interesse Deutschlands<lb/>
eine viel zu starke Rüstung für seinen schmalen Leib trage. Doch gleich bei<lb/>
Beginn seiner Ausführungen unterbrach der König den Minister, wie uns Bis¬<lb/>
marck selbst berichtet, wie folgt: &#x201E;Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles<lb/>
endigen wird.  Da vor den: Opernplatz, unter meinen Fenstern, wird man</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0607] Die fürstlichen Gegner Bismcircks Ihre Vorliebe für alles Französische und Englische, ihre Abneigung gegen alles Russische, die bei der Tochter Maria Paulownas schwer zu erklären ist, war schuld daran. Doch hören wir Bismarck selbst. „Die Prinzessin Augusta hat aus ihrer weimarischen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt, daß französische und noch mehr englische Autoritäten und Personen den Ein¬ heimischen überlegen seien. Sie war darin echt deutschen Bluts, daß sich an ihr unsere nationale Art bewährte, welche in der Redensart den schärfsten Ausdruck findet: das ist nicht weit her, taugt also nichts. Trotz Goethe, Schiller und allen anderen Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis zur Gegenwart auf unserem Nationalgefühl gelastet hat, daß ein Franzose und vollends ein Engländer durch feine Nationalität und Geburt ein vornehmeres Wesen sei als der Deutsche, und daß der Beifall der öffentlichen Meinung von Paris und London ein authentischeres Zeugnis des eigenen Wertes bilde als unser eigenes Bewußtsein." Bismarck hatte aus seiner Hinneigung zu Rußland oder vielmehr aus seiner Überzeugung, daß die Drähte zwischen Berlin und Petersburg nicht durchschnitten werden dürften, nie ein Hehl gemacht. Damit war schon sür den Gegensatz zwischen ihm und der Königin das Fundament geschaffen. Dies verstärkte sich in demselben Maße, in dem der König dem Einfluß Bismcircks nachgab. Und sie war eine gefährliche Gegnerin. Es hatte sich die Gewohnheit herausgebildet, daß sie ihren: Gemahl beim Frühstück Vortrag hielt unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln, die zuweilen eigens für den Zweck redigiert waren. Be¬ sonders der frühere Minister des Auswärtigen Schleinitz, der 1885 als Haus¬ minister der Kaiserin Augusta gestorben ist, hat sich das zweifelhafte Verdienst erworben, auf diesem Wege Bismarck entgegen gearbeitet zu haben. Der Einfluß der Königin hat Bismarck bei verschiedenen Gelegenheiten schwere Sorgen bereitet. Ihr Widerstand gegen seine Ernennung war zwar erfolglos geblieben, doch bereits in den ersten Wochen seines Ministeriunis zeigte sich die Wirkung ihrer Gegnerschaft. Der König hatte sich am 30. September 1862, dem Geburtstag seiner Gemahlin, nach Baden-Baden begeben. Bon dort kam er in sehr gedrückter Stimmung zurück; denn während des achttägigen Aufenthaltes war er über das Thema: Polignac, Strafford, Ludwig der Sechzehnte, in aus¬ giebiger Weise unterhalten worden. Bismarck war dem König auf seiner Rückreise bis Jüterbog entgegengefahren, um ihn über einige Äußerungen aufzuklären und zu beruhigen, die von ihm in den Kommissionssitzungen getan und von der Presse verbreitet worden waren. Es handelte sich um das Blut- und Eisen- Rezept und um Bismarcks Erklärung, daß Preußen in: Interesse Deutschlands eine viel zu starke Rüstung für seinen schmalen Leib trage. Doch gleich bei Beginn seiner Ausführungen unterbrach der König den Minister, wie uns Bis¬ marck selbst berichtet, wie folgt: „Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles endigen wird. Da vor den: Opernplatz, unter meinen Fenstern, wird man

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/607
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/607>, abgerufen am 27.09.2024.