Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Stahl zur Welteroberung für Junker und Pfaffen einher. Serviler Landjunker,
eingefleischter Aristokrat, Jagdbummler, Spieler, das waren die Kosenamen, mit
denen man ihn zierte. Den Geist, der aus Bismarcks Reden sprudelte, verglich
man mit Sodawasser, und über seine Staatskunst fällten die politischen Tages¬
größen, wie Vtrchow, Simson, Sybel u. a. in unfehlbaren Kathederton ver¬
nichtende Urteile. Simson nannte Bismarcks Politik das Gelegenheitsgedicht
eines Mannes, der kein Dichter ist. Und das war noch eine höfliche Äußerung.
Man prophezeite ihm, daß er dereinst im Zuchthaus für den preußischen Staat
werde Wolle spinnen müssen. Todesurteile, auch ein hübsch eingepackter Strick
zum Hängen wurden ihm zugesandt. Und er verkehrte mit scheinbar unerschütter¬
lichen Nerven amtlich mit allen Menschen, Gegnern wie Freunden, mit einem
Humor und einem Sichgehenlassen, das an seine stürmische und burschikose
Studentenzeit erinnerte. In der Umgebung des Königs kam die Meinung auf,
Bismarck betrachte Angriffe und Verteidigung als Sport, den Verkehr mit dem
Parlamente lediglich als eine Komödie, bei der er sich amüsiere. Kraft zu Hohen-
lohe-Ingelfingen schreibt: "Im Jahre 1863, in Gastein, ward er einst wütend
und wollte den Kladderadatsch verbieten, weil er darin als Karikatur auf der
Jagd abgebildet war. Ich stellte ihm vor, daß, wenn er sich darüber ärgere,
er ja gerade seinen Feinden einen Gefallen tue, denn das sei ihr Zweck. ,Das
ist einerlei, sagte er wütend, ,in meiner Politik mag man mich anfeinden, da
lache ich nur darüber. Aber bei der Jagd, da hört der Spaß auf, da wird's
Ernst.'" Je ärger er angefeindet wurde, je schärfer er antworten konnte, um
so besserer Laune ward er. Wenn die Redner im Landtage am lautesten
donnerten, schrieb er an: liebsten seine Privatbriefe; so einmal an Motten,
seinen republikanischen Universitätsfreund, indem er die charakterisierte, die ihn
in der Kammer bekämpften. "Dumm in feiner Allgemeinheit ist nicht der
richtige Ausdruck; die Leute sind, einzeln betrachtet, zum Teil recht gescheit
meist unterrichtet, regelrechte deutsche Universitätsbildung; aber von der Politik
über Kirchturminteressen hinaus wissen sie so wenig, als wir Studenten davon
wußten, ja noch weniger. In der auswärtigen Politik sind sie auch einzeln
genommen Kinder, in allen übrigen Fragen aber werden sie kindisch, sobald sie
in corpore zusammentreten, massenweise dumm, einzeln verständig." Im Verkehr
ist Bismarck seinen politischen Gegnern zuweilen absichtlich höflich entgegen¬
getreten, und es verursachte ihm reine Freude, wenn ihnen die Galle in
die Augen trat. So stand er über seinen Feinden in der Kammer, so fand
er sich mit ihnen ab.

Das waren auch seine weniger gefährlichen Gegner; viel bedenklicher waren
die fürstlichen Personen in der nächsten Umgebung oder der Verwandtschaft des
Königs, die in Bismarcks Berufung ein Unglück erblickten.

In erster Linie ist hier die Königin Augusta zu nennen. Sie war es ja
gewesen, die ihren Gemahl in der Zeit des Krimkrieges in westnmchtlichem Sinne
beeinflußt und in eine Art Oppositionsstellung zu seinem Bruder gedrängt hatte.


Die fürstlichen Gegner Bismarcks

Stahl zur Welteroberung für Junker und Pfaffen einher. Serviler Landjunker,
eingefleischter Aristokrat, Jagdbummler, Spieler, das waren die Kosenamen, mit
denen man ihn zierte. Den Geist, der aus Bismarcks Reden sprudelte, verglich
man mit Sodawasser, und über seine Staatskunst fällten die politischen Tages¬
größen, wie Vtrchow, Simson, Sybel u. a. in unfehlbaren Kathederton ver¬
nichtende Urteile. Simson nannte Bismarcks Politik das Gelegenheitsgedicht
eines Mannes, der kein Dichter ist. Und das war noch eine höfliche Äußerung.
Man prophezeite ihm, daß er dereinst im Zuchthaus für den preußischen Staat
werde Wolle spinnen müssen. Todesurteile, auch ein hübsch eingepackter Strick
zum Hängen wurden ihm zugesandt. Und er verkehrte mit scheinbar unerschütter¬
lichen Nerven amtlich mit allen Menschen, Gegnern wie Freunden, mit einem
Humor und einem Sichgehenlassen, das an seine stürmische und burschikose
Studentenzeit erinnerte. In der Umgebung des Königs kam die Meinung auf,
Bismarck betrachte Angriffe und Verteidigung als Sport, den Verkehr mit dem
Parlamente lediglich als eine Komödie, bei der er sich amüsiere. Kraft zu Hohen-
lohe-Ingelfingen schreibt: „Im Jahre 1863, in Gastein, ward er einst wütend
und wollte den Kladderadatsch verbieten, weil er darin als Karikatur auf der
Jagd abgebildet war. Ich stellte ihm vor, daß, wenn er sich darüber ärgere,
er ja gerade seinen Feinden einen Gefallen tue, denn das sei ihr Zweck. ,Das
ist einerlei, sagte er wütend, ,in meiner Politik mag man mich anfeinden, da
lache ich nur darüber. Aber bei der Jagd, da hört der Spaß auf, da wird's
Ernst.'" Je ärger er angefeindet wurde, je schärfer er antworten konnte, um
so besserer Laune ward er. Wenn die Redner im Landtage am lautesten
donnerten, schrieb er an: liebsten seine Privatbriefe; so einmal an Motten,
seinen republikanischen Universitätsfreund, indem er die charakterisierte, die ihn
in der Kammer bekämpften. „Dumm in feiner Allgemeinheit ist nicht der
richtige Ausdruck; die Leute sind, einzeln betrachtet, zum Teil recht gescheit
meist unterrichtet, regelrechte deutsche Universitätsbildung; aber von der Politik
über Kirchturminteressen hinaus wissen sie so wenig, als wir Studenten davon
wußten, ja noch weniger. In der auswärtigen Politik sind sie auch einzeln
genommen Kinder, in allen übrigen Fragen aber werden sie kindisch, sobald sie
in corpore zusammentreten, massenweise dumm, einzeln verständig." Im Verkehr
ist Bismarck seinen politischen Gegnern zuweilen absichtlich höflich entgegen¬
getreten, und es verursachte ihm reine Freude, wenn ihnen die Galle in
die Augen trat. So stand er über seinen Feinden in der Kammer, so fand
er sich mit ihnen ab.

Das waren auch seine weniger gefährlichen Gegner; viel bedenklicher waren
die fürstlichen Personen in der nächsten Umgebung oder der Verwandtschaft des
Königs, die in Bismarcks Berufung ein Unglück erblickten.

In erster Linie ist hier die Königin Augusta zu nennen. Sie war es ja
gewesen, die ihren Gemahl in der Zeit des Krimkrieges in westnmchtlichem Sinne
beeinflußt und in eine Art Oppositionsstellung zu seinem Bruder gedrängt hatte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0606" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321023"/>
          <fw type="header" place="top"> Die fürstlichen Gegner Bismarcks</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2795" prev="#ID_2794"> Stahl zur Welteroberung für Junker und Pfaffen einher. Serviler Landjunker,<lb/>
eingefleischter Aristokrat, Jagdbummler, Spieler, das waren die Kosenamen, mit<lb/>
denen man ihn zierte. Den Geist, der aus Bismarcks Reden sprudelte, verglich<lb/>
man mit Sodawasser, und über seine Staatskunst fällten die politischen Tages¬<lb/>
größen, wie Vtrchow, Simson, Sybel u. a. in unfehlbaren Kathederton ver¬<lb/>
nichtende Urteile. Simson nannte Bismarcks Politik das Gelegenheitsgedicht<lb/>
eines Mannes, der kein Dichter ist. Und das war noch eine höfliche Äußerung.<lb/>
Man prophezeite ihm, daß er dereinst im Zuchthaus für den preußischen Staat<lb/>
werde Wolle spinnen müssen. Todesurteile, auch ein hübsch eingepackter Strick<lb/>
zum Hängen wurden ihm zugesandt. Und er verkehrte mit scheinbar unerschütter¬<lb/>
lichen Nerven amtlich mit allen Menschen, Gegnern wie Freunden, mit einem<lb/>
Humor und einem Sichgehenlassen, das an seine stürmische und burschikose<lb/>
Studentenzeit erinnerte. In der Umgebung des Königs kam die Meinung auf,<lb/>
Bismarck betrachte Angriffe und Verteidigung als Sport, den Verkehr mit dem<lb/>
Parlamente lediglich als eine Komödie, bei der er sich amüsiere. Kraft zu Hohen-<lb/>
lohe-Ingelfingen schreibt: &#x201E;Im Jahre 1863, in Gastein, ward er einst wütend<lb/>
und wollte den Kladderadatsch verbieten, weil er darin als Karikatur auf der<lb/>
Jagd abgebildet war. Ich stellte ihm vor, daß, wenn er sich darüber ärgere,<lb/>
er ja gerade seinen Feinden einen Gefallen tue, denn das sei ihr Zweck. ,Das<lb/>
ist einerlei, sagte er wütend, ,in meiner Politik mag man mich anfeinden, da<lb/>
lache ich nur darüber. Aber bei der Jagd, da hört der Spaß auf, da wird's<lb/>
Ernst.'" Je ärger er angefeindet wurde, je schärfer er antworten konnte, um<lb/>
so besserer Laune ward er. Wenn die Redner im Landtage am lautesten<lb/>
donnerten, schrieb er an: liebsten seine Privatbriefe; so einmal an Motten,<lb/>
seinen republikanischen Universitätsfreund, indem er die charakterisierte, die ihn<lb/>
in der Kammer bekämpften. &#x201E;Dumm in feiner Allgemeinheit ist nicht der<lb/>
richtige Ausdruck; die Leute sind, einzeln betrachtet, zum Teil recht gescheit<lb/>
meist unterrichtet, regelrechte deutsche Universitätsbildung; aber von der Politik<lb/>
über Kirchturminteressen hinaus wissen sie so wenig, als wir Studenten davon<lb/>
wußten, ja noch weniger. In der auswärtigen Politik sind sie auch einzeln<lb/>
genommen Kinder, in allen übrigen Fragen aber werden sie kindisch, sobald sie<lb/>
in corpore zusammentreten, massenweise dumm, einzeln verständig." Im Verkehr<lb/>
ist Bismarck seinen politischen Gegnern zuweilen absichtlich höflich entgegen¬<lb/>
getreten, und es verursachte ihm reine Freude, wenn ihnen die Galle in<lb/>
die Augen trat. So stand er über seinen Feinden in der Kammer, so fand<lb/>
er sich mit ihnen ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2796"> Das waren auch seine weniger gefährlichen Gegner; viel bedenklicher waren<lb/>
die fürstlichen Personen in der nächsten Umgebung oder der Verwandtschaft des<lb/>
Königs, die in Bismarcks Berufung ein Unglück erblickten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2797" next="#ID_2798"> In erster Linie ist hier die Königin Augusta zu nennen. Sie war es ja<lb/>
gewesen, die ihren Gemahl in der Zeit des Krimkrieges in westnmchtlichem Sinne<lb/>
beeinflußt und in eine Art Oppositionsstellung zu seinem Bruder gedrängt hatte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0606] Die fürstlichen Gegner Bismarcks Stahl zur Welteroberung für Junker und Pfaffen einher. Serviler Landjunker, eingefleischter Aristokrat, Jagdbummler, Spieler, das waren die Kosenamen, mit denen man ihn zierte. Den Geist, der aus Bismarcks Reden sprudelte, verglich man mit Sodawasser, und über seine Staatskunst fällten die politischen Tages¬ größen, wie Vtrchow, Simson, Sybel u. a. in unfehlbaren Kathederton ver¬ nichtende Urteile. Simson nannte Bismarcks Politik das Gelegenheitsgedicht eines Mannes, der kein Dichter ist. Und das war noch eine höfliche Äußerung. Man prophezeite ihm, daß er dereinst im Zuchthaus für den preußischen Staat werde Wolle spinnen müssen. Todesurteile, auch ein hübsch eingepackter Strick zum Hängen wurden ihm zugesandt. Und er verkehrte mit scheinbar unerschütter¬ lichen Nerven amtlich mit allen Menschen, Gegnern wie Freunden, mit einem Humor und einem Sichgehenlassen, das an seine stürmische und burschikose Studentenzeit erinnerte. In der Umgebung des Königs kam die Meinung auf, Bismarck betrachte Angriffe und Verteidigung als Sport, den Verkehr mit dem Parlamente lediglich als eine Komödie, bei der er sich amüsiere. Kraft zu Hohen- lohe-Ingelfingen schreibt: „Im Jahre 1863, in Gastein, ward er einst wütend und wollte den Kladderadatsch verbieten, weil er darin als Karikatur auf der Jagd abgebildet war. Ich stellte ihm vor, daß, wenn er sich darüber ärgere, er ja gerade seinen Feinden einen Gefallen tue, denn das sei ihr Zweck. ,Das ist einerlei, sagte er wütend, ,in meiner Politik mag man mich anfeinden, da lache ich nur darüber. Aber bei der Jagd, da hört der Spaß auf, da wird's Ernst.'" Je ärger er angefeindet wurde, je schärfer er antworten konnte, um so besserer Laune ward er. Wenn die Redner im Landtage am lautesten donnerten, schrieb er an: liebsten seine Privatbriefe; so einmal an Motten, seinen republikanischen Universitätsfreund, indem er die charakterisierte, die ihn in der Kammer bekämpften. „Dumm in feiner Allgemeinheit ist nicht der richtige Ausdruck; die Leute sind, einzeln betrachtet, zum Teil recht gescheit meist unterrichtet, regelrechte deutsche Universitätsbildung; aber von der Politik über Kirchturminteressen hinaus wissen sie so wenig, als wir Studenten davon wußten, ja noch weniger. In der auswärtigen Politik sind sie auch einzeln genommen Kinder, in allen übrigen Fragen aber werden sie kindisch, sobald sie in corpore zusammentreten, massenweise dumm, einzeln verständig." Im Verkehr ist Bismarck seinen politischen Gegnern zuweilen absichtlich höflich entgegen¬ getreten, und es verursachte ihm reine Freude, wenn ihnen die Galle in die Augen trat. So stand er über seinen Feinden in der Kammer, so fand er sich mit ihnen ab. Das waren auch seine weniger gefährlichen Gegner; viel bedenklicher waren die fürstlichen Personen in der nächsten Umgebung oder der Verwandtschaft des Königs, die in Bismarcks Berufung ein Unglück erblickten. In erster Linie ist hier die Königin Augusta zu nennen. Sie war es ja gewesen, die ihren Gemahl in der Zeit des Krimkrieges in westnmchtlichem Sinne beeinflußt und in eine Art Oppositionsstellung zu seinem Bruder gedrängt hatte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/606
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/606>, abgerufen am 27.09.2024.