Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Astrid "Helgi, o Helgi!" -- "Nicht Tränen, Kind! Sage jetzt Gislis Versteck geschwind."-- "-- Doch was gibst du zum Lohne, wenn ich ihn verriet?" -- "Alles wast' dir, wonach es dich zieht!"-- "-- Dein Gold und Geschmeide." -- "Mein Gold und Geschmeide!" Auf lacht er in Hohn. "Hier sind die Spangen, hier, hier der Lohn! Die Ringe hier und der Gürtel schwer, Sechs Pfund Silbers wiegt er und mehr!" -- Und sie nestelt vom Halse das hüllende Tuch Und hält es ihm hin: "Da hinein mit dem Fluch!" -- Er starrt sie an und zittert am Leib: "Niemals sah ich ein schöneres Weib." -- Langsam fällt das Geschmeide. Da greift sie die Enden und wiegt das Gold -- Ihr Haar gelöst auf die Hüften rollt, Hoch vor sich den schweren Beutel sie hält: "Kann ich mit walten, wie nur gefällt?!" -- Er nickt. Da streift sie das Linnen in Hast Herab von der Schulter -- sein Aug' schwimmt in Glase. -- Dann ein tiefes Atmen, ein Schwung dann, und jach Zwischen die Lichter trifft ihn der Schlag -- Röchelnd stürzt er vornüber. -- -- Es sinkt der Arm und der blutige Brei Kurre auf den Boden. Ein gellender Schrei "Helgi, mein Helgi!" -- Astrid „Helgi, o Helgi!" — „Nicht Tränen, Kind! Sage jetzt Gislis Versteck geschwind."-- „— Doch was gibst du zum Lohne, wenn ich ihn verriet?" — „Alles wast' dir, wonach es dich zieht!"-- „— Dein Gold und Geschmeide." — „Mein Gold und Geschmeide!" Auf lacht er in Hohn. „Hier sind die Spangen, hier, hier der Lohn! Die Ringe hier und der Gürtel schwer, Sechs Pfund Silbers wiegt er und mehr!" — Und sie nestelt vom Halse das hüllende Tuch Und hält es ihm hin: „Da hinein mit dem Fluch!" — Er starrt sie an und zittert am Leib: „Niemals sah ich ein schöneres Weib." — Langsam fällt das Geschmeide. Da greift sie die Enden und wiegt das Gold — Ihr Haar gelöst auf die Hüften rollt, Hoch vor sich den schweren Beutel sie hält: „Kann ich mit walten, wie nur gefällt?!" — Er nickt. Da streift sie das Linnen in Hast Herab von der Schulter — sein Aug' schwimmt in Glase. — Dann ein tiefes Atmen, ein Schwung dann, und jach Zwischen die Lichter trifft ihn der Schlag — Röchelnd stürzt er vornüber. — — Es sinkt der Arm und der blutige Brei Kurre auf den Boden. Ein gellender Schrei „Helgi, mein Helgi!" — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320465"/> <fw type="header" place="top"> Astrid</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> „Helgi, o Helgi!" — „Nicht Tränen, Kind!<lb/> Sage jetzt Gislis Versteck geschwind."--<lb/> „— Doch was gibst du zum Lohne, wenn ich ihn verriet?" —<lb/> „Alles wast' dir, wonach es dich zieht!"--<lb/> „— Dein Gold und Geschmeide." —<lb/></l> <l> „Mein Gold und Geschmeide!" Auf lacht er in Hohn.<lb/> „Hier sind die Spangen, hier, hier der Lohn!<lb/> Die Ringe hier und der Gürtel schwer,<lb/> Sechs Pfund Silbers wiegt er und mehr!" —<lb/> Und sie nestelt vom Halse das hüllende Tuch<lb/> Und hält es ihm hin: „Da hinein mit dem Fluch!" —<lb/> Er starrt sie an und zittert am Leib:<lb/> „Niemals sah ich ein schöneres Weib." —<lb/> Langsam fällt das Geschmeide.<lb/></l> <l> Da greift sie die Enden und wiegt das Gold —<lb/> Ihr Haar gelöst auf die Hüften rollt,<lb/> Hoch vor sich den schweren Beutel sie hält:<lb/> „Kann ich mit walten, wie nur gefällt?!" —<lb/> Er nickt. Da streift sie das Linnen in Hast<lb/> Herab von der Schulter — sein Aug' schwimmt in Glase. —<lb/> Dann ein tiefes Atmen, ein Schwung dann, und jach<lb/> Zwischen die Lichter trifft ihn der Schlag —<lb/> Röchelnd stürzt er vornüber. — —<lb/> Es sinkt der Arm und der blutige Brei<lb/> Kurre auf den Boden. Ein gellender Schrei<lb/> „Helgi, mein Helgi!" —<lb/></l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Astrid
„Helgi, o Helgi!" — „Nicht Tränen, Kind!
Sage jetzt Gislis Versteck geschwind."--
„— Doch was gibst du zum Lohne, wenn ich ihn verriet?" —
„Alles wast' dir, wonach es dich zieht!"--
„— Dein Gold und Geschmeide." —
„Mein Gold und Geschmeide!" Auf lacht er in Hohn.
„Hier sind die Spangen, hier, hier der Lohn!
Die Ringe hier und der Gürtel schwer,
Sechs Pfund Silbers wiegt er und mehr!" —
Und sie nestelt vom Halse das hüllende Tuch
Und hält es ihm hin: „Da hinein mit dem Fluch!" —
Er starrt sie an und zittert am Leib:
„Niemals sah ich ein schöneres Weib." —
Langsam fällt das Geschmeide.
Da greift sie die Enden und wiegt das Gold —
Ihr Haar gelöst auf die Hüften rollt,
Hoch vor sich den schweren Beutel sie hält:
„Kann ich mit walten, wie nur gefällt?!" —
Er nickt. Da streift sie das Linnen in Hast
Herab von der Schulter — sein Aug' schwimmt in Glase. —
Dann ein tiefes Atmen, ein Schwung dann, und jach
Zwischen die Lichter trifft ihn der Schlag —
Röchelnd stürzt er vornüber. — —
Es sinkt der Arm und der blutige Brei
Kurre auf den Boden. Ein gellender Schrei
„Helgi, mein Helgi!" —
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