Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Astrid Zwölf Männer liegen im Schnee umsonst! "Und sollt ich dir sagen, wohin er entfloh'n!?Astrid, bist du est? Und Gisli entfloh!? -- Ha, aber du kennst im Gebirg die Verstecke -- Ehrlos bin ich, wenn ich ihn nicht strecke! Ich habe es Eijolf geschworen, Der das Weib durch Gisli verloren -- Und Eijolf ist blind!" -- Er ist seiner Mutter einziger Sohn!" -- "Er hat gemordet!" -- "Die Mutter verzieh!" -- "Mag sein; doch du verzeihst es ihm nie, Dem Hund, der dem Blinden das Weib geraubt! Du haßt ihn!" -- "Und Hass' ich, was geht es dich an! Einen schrecklichen Schwur hast du, Helgi, getan!" -- "-^ Ich liebte dich, Astrid! Du hast mich verlacht, Das hat mir das Schwören leichter gemacht." -- "Helgi, -- hätt'se dn nicht geschworen!" -- "Bei Rede und Spruch die Zeit vergeht, Und der Schneesturm schnell seine Spur verweht! Ich kann dich zwingen -- dn bist allein, Es hört auf Meilen niemand dein Schrei'n -- Zwing mich nicht, Astrid, zum Zwange!" -- "Du wirst nicht drauf trotzen!" -- "Und tu' ich es doch!?" "Dann fügst du zum Harne die Reue noch. Nein, rühr' much nicht an! Helgi! Schäme dich!" -- "Astrid! Weib!" -- "Helgi, bezähme dich!" -- "Himmel und Hölle!" -- "Laß mich frei! Lass' los!" -- "Sagst dn es nun?" -- "Erst gib mir Atem, dann werd' ich es tun." -- "Hab' ich dir die goldenen Flechten zerzaust?!" -- "Helgi, Helgi, vor dir mich graust!" -- "Glaub dir's, mein Vogel! Ja, man wird wild -- Heiß wird Rache und Liebe gestillt!" -- . Astrid Zwölf Männer liegen im Schnee umsonst! „Und sollt ich dir sagen, wohin er entfloh'n!?Astrid, bist du est? Und Gisli entfloh!? — Ha, aber du kennst im Gebirg die Verstecke — Ehrlos bin ich, wenn ich ihn nicht strecke! Ich habe es Eijolf geschworen, Der das Weib durch Gisli verloren — Und Eijolf ist blind!" — Er ist seiner Mutter einziger Sohn!" — „Er hat gemordet!" — „Die Mutter verzieh!" — „Mag sein; doch du verzeihst es ihm nie, Dem Hund, der dem Blinden das Weib geraubt! Du haßt ihn!" — „Und Hass' ich, was geht es dich an! Einen schrecklichen Schwur hast du, Helgi, getan!" — „-^ Ich liebte dich, Astrid! Du hast mich verlacht, Das hat mir das Schwören leichter gemacht." — „Helgi, — hätt'se dn nicht geschworen!" — „Bei Rede und Spruch die Zeit vergeht, Und der Schneesturm schnell seine Spur verweht! Ich kann dich zwingen — dn bist allein, Es hört auf Meilen niemand dein Schrei'n — Zwing mich nicht, Astrid, zum Zwange!" — „Du wirst nicht drauf trotzen!" — „Und tu' ich es doch!?" „Dann fügst du zum Harne die Reue noch. Nein, rühr' much nicht an! Helgi! Schäme dich!" — „Astrid! Weib!" — „Helgi, bezähme dich!" — „Himmel und Hölle!" — „Laß mich frei! Lass' los!" — „Sagst dn es nun?" — „Erst gib mir Atem, dann werd' ich es tun." — „Hab' ich dir die goldenen Flechten zerzaust?!" — „Helgi, Helgi, vor dir mich graust!" — „Glaub dir's, mein Vogel! Ja, man wird wild — Heiß wird Rache und Liebe gestillt!" — . <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320464"/> <fw type="header" place="top"> Astrid</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <head> Zwölf Männer liegen im Schnee umsonst!<lb/> Astrid, bist du est? Und Gisli entfloh!? —<lb/> Ha, aber du kennst im Gebirg die Verstecke —<lb/> Ehrlos bin ich, wenn ich ihn nicht strecke!<lb/> Ich habe es Eijolf geschworen,<lb/> Der das Weib durch Gisli verloren —<lb/> Und Eijolf ist blind!" —</head> <l> „Und sollt ich dir sagen, wohin er entfloh'n!?<lb/> Er ist seiner Mutter einziger Sohn!" —<lb/> „Er hat gemordet!" — „Die Mutter verzieh!" —<lb/> „Mag sein; doch du verzeihst es ihm nie,<lb/> Dem Hund, der dem Blinden das Weib geraubt!<lb/> Du haßt ihn!" — „Und Hass' ich, was geht es dich an!<lb/> Einen schrecklichen Schwur hast du, Helgi, getan!" —<lb/> „-^ Ich liebte dich, Astrid! Du hast mich verlacht,<lb/> Das hat mir das Schwören leichter gemacht." —<lb/> „Helgi, — hätt'se dn nicht geschworen!" —<lb/> „Bei Rede und Spruch die Zeit vergeht,<lb/> Und der Schneesturm schnell seine Spur verweht!<lb/> Ich kann dich zwingen — dn bist allein,<lb/> Es hört auf Meilen niemand dein Schrei'n —<lb/> Zwing mich nicht, Astrid, zum Zwange!" —<lb/> „Du wirst nicht drauf trotzen!" — „Und tu' ich es doch!?"<lb/> „Dann fügst du zum Harne die Reue noch.<lb/> Nein, rühr' much nicht an! Helgi! Schäme dich!" —<lb/> „Astrid! Weib!" — „Helgi, bezähme dich!" —<lb/> „Himmel und Hölle!" —<lb/> „Laß mich frei! Lass' los!" — „Sagst dn es nun?" —<lb/> „Erst gib mir Atem, dann werd' ich es tun." —<lb/> „Hab' ich dir die goldenen Flechten zerzaust?!" —<lb/> „Helgi, Helgi, vor dir mich graust!" —<lb/> „Glaub dir's, mein Vogel! Ja, man wird wild —<lb/> Heiß wird Rache und Liebe gestillt!" — . </l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
Astrid
Zwölf Männer liegen im Schnee umsonst!
Astrid, bist du est? Und Gisli entfloh!? —
Ha, aber du kennst im Gebirg die Verstecke —
Ehrlos bin ich, wenn ich ihn nicht strecke!
Ich habe es Eijolf geschworen,
Der das Weib durch Gisli verloren —
Und Eijolf ist blind!" — „Und sollt ich dir sagen, wohin er entfloh'n!?
Er ist seiner Mutter einziger Sohn!" —
„Er hat gemordet!" — „Die Mutter verzieh!" —
„Mag sein; doch du verzeihst es ihm nie,
Dem Hund, der dem Blinden das Weib geraubt!
Du haßt ihn!" — „Und Hass' ich, was geht es dich an!
Einen schrecklichen Schwur hast du, Helgi, getan!" —
„-^ Ich liebte dich, Astrid! Du hast mich verlacht,
Das hat mir das Schwören leichter gemacht." —
„Helgi, — hätt'se dn nicht geschworen!" —
„Bei Rede und Spruch die Zeit vergeht,
Und der Schneesturm schnell seine Spur verweht!
Ich kann dich zwingen — dn bist allein,
Es hört auf Meilen niemand dein Schrei'n —
Zwing mich nicht, Astrid, zum Zwange!" —
„Du wirst nicht drauf trotzen!" — „Und tu' ich es doch!?"
„Dann fügst du zum Harne die Reue noch.
Nein, rühr' much nicht an! Helgi! Schäme dich!" —
„Astrid! Weib!" — „Helgi, bezähme dich!" —
„Himmel und Hölle!" —
„Laß mich frei! Lass' los!" — „Sagst dn es nun?" —
„Erst gib mir Atem, dann werd' ich es tun." —
„Hab' ich dir die goldenen Flechten zerzaust?!" —
„Helgi, Helgi, vor dir mich graust!" —
„Glaub dir's, mein Vogel! Ja, man wird wild —
Heiß wird Rache und Liebe gestillt!" — .
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