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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines Aaiserxocircs

Auch kam es ihm nicht so sehr darauf an, was es zu trinken gab, ob den
landesüblichen Whisky oder gar Rhein- und Moselwein, den man damals mit
großen Mühen und Kosten faßweise importierte und dann auf mexikanischen
Ochsenkarren in beschwerlicher Weise von dem (jetzt längst durch eine Sturmflut
untergegangenen) Jndianola dorthin schaffen mußte.

War Fischer ein großer Verehrer des Bacchus, so war er auch dem Dienste
der Venus keineswegs abhold. Aber, aber ... die englischen und amerikanischen
Gesetze machen diesen Kultus dem Manne nicht so bequem wie in Deutschland
oder gar in Frankreich. Die Auswahl zwischen Ehezwang oder Haft ist eine
höchst peinliche. Außerdem aber gab es in Texas und gibt es auch noch heute
ortsübliche Gepflogenheiten, bei denen Revolver und Schrotflinte eine verzweifelte
Rolle spielen.

Als Fischer eines Tages erfuhr, daß jemand, dem er ins Gehege gekommen,
mit einer Flinte bewaffnet ihn "gesucht" und dabei gepfiffen habe:

da zog er es als kluger und vorsichtiger Manu vor, den Schauplatz seiner
Tätigkeit anderswohin zu verlegen und ohne formelle Verabschiedung zu ver¬
schwinden. Wohin? Das wußte niemand und das erfuhr man auch vorläufig
noch nicht.

Mancher freilich war froh, daß Fischer fort war, aber die meisten bedauerten
aufrichtig das Verschwinden des lustigen, stets zu allerlei tollen Streichen auf¬
gelegten Burschen, den man in den drei Jahren seines Aufenthaltes in Neu-
Braunsels trotz aller seiner Fehler -- vielleicht gerade deswegen! -- lieb
gewonnen hatte.

Jahre vergingen, ohne daß man in Texas wieder etwas von "I^oper
Fischer" zu hören bekam. Man hatte ihn schon fast vergessen, als ein junger
Deutscher, der in den Goldfeldern Kaliforniens vergeblich sein Glück versucht
hatte, nach Neu-Braunfels zurückkehrte und nun behauptete, die kaum zu ver¬
kennende Riesengestalt Fischers in grobem Wollhemde, mit Pinke und Schaufel
in einem Goldgräberlager der Felsengebirge gesehen zu haben. Aber man wollte
es nicht recht glauben.

Wieder verging eine Reihe von Jahren, da kehrten mehrere Neu-Braun-
felser Geschäftsleute von einer Reise zurück, welche sie bis nach der alten Wein¬
stadt Parras im mexikanischen Staate Chikuahua geführt hatte. Als Sensations-
ncuigkeit brachten sie die Nachricht mit: "Wißt Ihr, Kinder, wen wir in Narras
getroffen haben?'-- den I^xvysr Fischer! Aber der ist jetzt kein Adovokat mehr --
sondern, ihr mögt's glauben oder nicht -- der ist jetzt katholischer Priester geworden!
Er sieht sehr würdig aus -- wenigstens auf der Straße --, und die Kinder sowie
die alten Weiber laufen ihm nach und küssen ihm die Hand, die ihnen der heilige
Mann auch mit ganz unnachahmlicher Herablassung gnädig überläßt!"


Grenzboten I 1ete2 6
Der Beichtvater eines Aaiserxocircs

Auch kam es ihm nicht so sehr darauf an, was es zu trinken gab, ob den
landesüblichen Whisky oder gar Rhein- und Moselwein, den man damals mit
großen Mühen und Kosten faßweise importierte und dann auf mexikanischen
Ochsenkarren in beschwerlicher Weise von dem (jetzt längst durch eine Sturmflut
untergegangenen) Jndianola dorthin schaffen mußte.

War Fischer ein großer Verehrer des Bacchus, so war er auch dem Dienste
der Venus keineswegs abhold. Aber, aber ... die englischen und amerikanischen
Gesetze machen diesen Kultus dem Manne nicht so bequem wie in Deutschland
oder gar in Frankreich. Die Auswahl zwischen Ehezwang oder Haft ist eine
höchst peinliche. Außerdem aber gab es in Texas und gibt es auch noch heute
ortsübliche Gepflogenheiten, bei denen Revolver und Schrotflinte eine verzweifelte
Rolle spielen.

Als Fischer eines Tages erfuhr, daß jemand, dem er ins Gehege gekommen,
mit einer Flinte bewaffnet ihn „gesucht" und dabei gepfiffen habe:

da zog er es als kluger und vorsichtiger Manu vor, den Schauplatz seiner
Tätigkeit anderswohin zu verlegen und ohne formelle Verabschiedung zu ver¬
schwinden. Wohin? Das wußte niemand und das erfuhr man auch vorläufig
noch nicht.

Mancher freilich war froh, daß Fischer fort war, aber die meisten bedauerten
aufrichtig das Verschwinden des lustigen, stets zu allerlei tollen Streichen auf¬
gelegten Burschen, den man in den drei Jahren seines Aufenthaltes in Neu-
Braunsels trotz aller seiner Fehler — vielleicht gerade deswegen! — lieb
gewonnen hatte.

Jahre vergingen, ohne daß man in Texas wieder etwas von „I^oper
Fischer" zu hören bekam. Man hatte ihn schon fast vergessen, als ein junger
Deutscher, der in den Goldfeldern Kaliforniens vergeblich sein Glück versucht
hatte, nach Neu-Braunfels zurückkehrte und nun behauptete, die kaum zu ver¬
kennende Riesengestalt Fischers in grobem Wollhemde, mit Pinke und Schaufel
in einem Goldgräberlager der Felsengebirge gesehen zu haben. Aber man wollte
es nicht recht glauben.

Wieder verging eine Reihe von Jahren, da kehrten mehrere Neu-Braun-
felser Geschäftsleute von einer Reise zurück, welche sie bis nach der alten Wein¬
stadt Parras im mexikanischen Staate Chikuahua geführt hatte. Als Sensations-
ncuigkeit brachten sie die Nachricht mit: „Wißt Ihr, Kinder, wen wir in Narras
getroffen haben?'— den I^xvysr Fischer! Aber der ist jetzt kein Adovokat mehr —
sondern, ihr mögt's glauben oder nicht — der ist jetzt katholischer Priester geworden!
Er sieht sehr würdig aus — wenigstens auf der Straße —, und die Kinder sowie
die alten Weiber laufen ihm nach und küssen ihm die Hand, die ihnen der heilige
Mann auch mit ganz unnachahmlicher Herablassung gnädig überläßt!"


Grenzboten I 1ete2 6
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[0045] Der Beichtvater eines Aaiserxocircs Auch kam es ihm nicht so sehr darauf an, was es zu trinken gab, ob den landesüblichen Whisky oder gar Rhein- und Moselwein, den man damals mit großen Mühen und Kosten faßweise importierte und dann auf mexikanischen Ochsenkarren in beschwerlicher Weise von dem (jetzt längst durch eine Sturmflut untergegangenen) Jndianola dorthin schaffen mußte. War Fischer ein großer Verehrer des Bacchus, so war er auch dem Dienste der Venus keineswegs abhold. Aber, aber ... die englischen und amerikanischen Gesetze machen diesen Kultus dem Manne nicht so bequem wie in Deutschland oder gar in Frankreich. Die Auswahl zwischen Ehezwang oder Haft ist eine höchst peinliche. Außerdem aber gab es in Texas und gibt es auch noch heute ortsübliche Gepflogenheiten, bei denen Revolver und Schrotflinte eine verzweifelte Rolle spielen. Als Fischer eines Tages erfuhr, daß jemand, dem er ins Gehege gekommen, mit einer Flinte bewaffnet ihn „gesucht" und dabei gepfiffen habe: da zog er es als kluger und vorsichtiger Manu vor, den Schauplatz seiner Tätigkeit anderswohin zu verlegen und ohne formelle Verabschiedung zu ver¬ schwinden. Wohin? Das wußte niemand und das erfuhr man auch vorläufig noch nicht. Mancher freilich war froh, daß Fischer fort war, aber die meisten bedauerten aufrichtig das Verschwinden des lustigen, stets zu allerlei tollen Streichen auf¬ gelegten Burschen, den man in den drei Jahren seines Aufenthaltes in Neu- Braunsels trotz aller seiner Fehler — vielleicht gerade deswegen! — lieb gewonnen hatte. Jahre vergingen, ohne daß man in Texas wieder etwas von „I^oper Fischer" zu hören bekam. Man hatte ihn schon fast vergessen, als ein junger Deutscher, der in den Goldfeldern Kaliforniens vergeblich sein Glück versucht hatte, nach Neu-Braunfels zurückkehrte und nun behauptete, die kaum zu ver¬ kennende Riesengestalt Fischers in grobem Wollhemde, mit Pinke und Schaufel in einem Goldgräberlager der Felsengebirge gesehen zu haben. Aber man wollte es nicht recht glauben. Wieder verging eine Reihe von Jahren, da kehrten mehrere Neu-Braun- felser Geschäftsleute von einer Reise zurück, welche sie bis nach der alten Wein¬ stadt Parras im mexikanischen Staate Chikuahua geführt hatte. Als Sensations- ncuigkeit brachten sie die Nachricht mit: „Wißt Ihr, Kinder, wen wir in Narras getroffen haben?'— den I^xvysr Fischer! Aber der ist jetzt kein Adovokat mehr — sondern, ihr mögt's glauben oder nicht — der ist jetzt katholischer Priester geworden! Er sieht sehr würdig aus — wenigstens auf der Straße —, und die Kinder sowie die alten Weiber laufen ihm nach und küssen ihm die Hand, die ihnen der heilige Mann auch mit ganz unnachahmlicher Herablassung gnädig überläßt!" Grenzboten I 1ete2 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/45>, abgerufen am 29.12.2024.