Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.Ein 5pater Derer van Doorn Herr Kroen war immer voll Vergnügen um Frau Hartjc, Manchmal Dann zupfte er an ihren Schulterbändern herum und steckte wohl auch Aber eines Tages kam endlich der junge Priester zu Herrn Kroen ins "Sehen Sie, Herr Pfarrer, wie sie noch schwach ist. Das Blut fährt ihr "Sieh hier, mein gutes Weib Hartje," sagte er dann sanft. "Der Herr Aber Hieronymus van Doorn hielt nur jetzt Frau Hartjes Hand in der Ein 5pater Derer van Doorn Herr Kroen war immer voll Vergnügen um Frau Hartjc, Manchmal Dann zupfte er an ihren Schulterbändern herum und steckte wohl auch Aber eines Tages kam endlich der junge Priester zu Herrn Kroen ins „Sehen Sie, Herr Pfarrer, wie sie noch schwach ist. Das Blut fährt ihr „Sieh hier, mein gutes Weib Hartje," sagte er dann sanft. „Der Herr Aber Hieronymus van Doorn hielt nur jetzt Frau Hartjes Hand in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320609"/> <fw type="header" place="top"> Ein 5pater Derer van Doorn</fw><lb/> <p xml:id="ID_694"> Herr Kroen war immer voll Vergnügen um Frau Hartjc, Manchmal<lb/> sagte er pfiffig: „Ein Wunder hat dich mir wiedergegeben".</p><lb/> <p xml:id="ID_695"> Dann zupfte er an ihren Schulterbändern herum und steckte wohl auch<lb/> Frau Hartje das kirschrote Seidentuch fester um den Hals zu, das zu dem<lb/> goldenen Herbstgewirr des Gartens einen lieblichen Eindruck gab. Dann mußte<lb/> Frau Hartje lachen, weil es ihr sanft dünkte, daß ein Wunder Gottes sie ge¬<lb/> rettet hatte, und sie dachte von ferne an eine Macht ohne Grenzen, von stummen<lb/> Menschenblicken und lautlos bewegten Menschenlippen herabgcfleht, die heimlich<lb/> willfährig gekommen war, ihr müdes, durstendes Herz neu mit Kraft und Glauben<lb/> zu tränken. O ihr junges Herz schlug jetzt fühlbar. Sie träumte oft der bleichen<lb/> Nonne mit sanfter Röte im Gesicht in die frommen Augen hinein den Traum<lb/> der himmlischen Gnade. Und es kam wie ein fernes Erinnern auch, als wenn<lb/> des He lands beide sanften Hände selber nach ihr sich ausgestreckt hätten, sie<lb/> aus Ängsten der Finsternis und der eisigen Abgründe ins warme Licht empor<lb/> zu heben.</p><lb/> <p xml:id="ID_696"> Aber eines Tages kam endlich der junge Priester zu Herrn Kroen ins<lb/> Haus. Er stand im Treppenhaus, bleich und asketisch wie immer. Er tat<lb/> sanfte Fragen, schon wie er mit Herrn Kroen die Treppe zu Frau Hartje empor<lb/> stieg. Da mußte sich Frau Hartje, die an der offenen Terrassentür im Lehn¬<lb/> stuhl lag, vom Ton der Stimme getroffen, plötzlich besinnen. Da kam für ihr<lb/> Erinnern, wie aus einer Brunnentiefe Perle um Perle, so das Bild eines<lb/> Beters und Gottüberwinders herauf und ihrem inneren Blicke immer näher,<lb/> so daß sie vor dem Bilde, jetzt schon in den Rahmen der Terrassentür leibhaftig<lb/> hinein geschaut als großer Schallen, gebunden dalag, als läge sie diesem Hei¬<lb/> land in seinen ringenden Nuferarmen, und als hörte sie noch immer die stummen<lb/> Gewalten mit zerrissenen Ausrufen aus diesem Munde Gott um ihre kranke<lb/> Menschenseele bitten. Hieronmnus van Doorn war in dem Augenblicke mit<lb/> Herrn Kroen wirklich eingetreten. Herr Kroen ganz wie ein Weltkind. Herr<lb/> Kroen mußte laut lachen, weil Frau Hartje erst eine lange Weile nach dem<lb/> Eintreten zu sich kam. Um so mehr, weil sie noch vollends ganz erbleichte, als<lb/> sie Hieronymus van Doorn erkannte, den feinen, mageren, tonsurierten Mann,<lb/> der jetzt nur im schlichten Priesterrock vor ihr stand.</p><lb/> <p xml:id="ID_697"> „Sehen Sie, Herr Pfarrer, wie sie noch schwach ist. Das Blut fährt ihr<lb/> gleich aus den Wangen, wenn sie den leisesten Schreck hat," sagte Herr Kroen<lb/> und nahm ihre Hand und küßte die Hand, indem er sie dann dem Priester fast<lb/> sorglich in die seine legte.</p><lb/> <p xml:id="ID_698"> „Sieh hier, mein gutes Weib Hartje," sagte er dann sanft. „Der Herr<lb/> Pfarrer kommt persönlich nach dir fragen."</p><lb/> <p xml:id="ID_699" next="#ID_700"> Aber Hieronymus van Doorn hielt nur jetzt Frau Hartjes Hand in der<lb/> seinen und sah auf die Hand nieder, die ein wenig in der seinen lastete, und<lb/> verlor sich beinahe in der stillen Betrachtung, daß diese weiße, feine, bläulich<lb/> durchäderte Hand Frau Hartjes Hand wäre. Er sah die Hand lange an und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
Ein 5pater Derer van Doorn
Herr Kroen war immer voll Vergnügen um Frau Hartjc, Manchmal
sagte er pfiffig: „Ein Wunder hat dich mir wiedergegeben".
Dann zupfte er an ihren Schulterbändern herum und steckte wohl auch
Frau Hartje das kirschrote Seidentuch fester um den Hals zu, das zu dem
goldenen Herbstgewirr des Gartens einen lieblichen Eindruck gab. Dann mußte
Frau Hartje lachen, weil es ihr sanft dünkte, daß ein Wunder Gottes sie ge¬
rettet hatte, und sie dachte von ferne an eine Macht ohne Grenzen, von stummen
Menschenblicken und lautlos bewegten Menschenlippen herabgcfleht, die heimlich
willfährig gekommen war, ihr müdes, durstendes Herz neu mit Kraft und Glauben
zu tränken. O ihr junges Herz schlug jetzt fühlbar. Sie träumte oft der bleichen
Nonne mit sanfter Röte im Gesicht in die frommen Augen hinein den Traum
der himmlischen Gnade. Und es kam wie ein fernes Erinnern auch, als wenn
des He lands beide sanften Hände selber nach ihr sich ausgestreckt hätten, sie
aus Ängsten der Finsternis und der eisigen Abgründe ins warme Licht empor
zu heben.
Aber eines Tages kam endlich der junge Priester zu Herrn Kroen ins
Haus. Er stand im Treppenhaus, bleich und asketisch wie immer. Er tat
sanfte Fragen, schon wie er mit Herrn Kroen die Treppe zu Frau Hartje empor
stieg. Da mußte sich Frau Hartje, die an der offenen Terrassentür im Lehn¬
stuhl lag, vom Ton der Stimme getroffen, plötzlich besinnen. Da kam für ihr
Erinnern, wie aus einer Brunnentiefe Perle um Perle, so das Bild eines
Beters und Gottüberwinders herauf und ihrem inneren Blicke immer näher,
so daß sie vor dem Bilde, jetzt schon in den Rahmen der Terrassentür leibhaftig
hinein geschaut als großer Schallen, gebunden dalag, als läge sie diesem Hei¬
land in seinen ringenden Nuferarmen, und als hörte sie noch immer die stummen
Gewalten mit zerrissenen Ausrufen aus diesem Munde Gott um ihre kranke
Menschenseele bitten. Hieronmnus van Doorn war in dem Augenblicke mit
Herrn Kroen wirklich eingetreten. Herr Kroen ganz wie ein Weltkind. Herr
Kroen mußte laut lachen, weil Frau Hartje erst eine lange Weile nach dem
Eintreten zu sich kam. Um so mehr, weil sie noch vollends ganz erbleichte, als
sie Hieronymus van Doorn erkannte, den feinen, mageren, tonsurierten Mann,
der jetzt nur im schlichten Priesterrock vor ihr stand.
„Sehen Sie, Herr Pfarrer, wie sie noch schwach ist. Das Blut fährt ihr
gleich aus den Wangen, wenn sie den leisesten Schreck hat," sagte Herr Kroen
und nahm ihre Hand und küßte die Hand, indem er sie dann dem Priester fast
sorglich in die seine legte.
„Sieh hier, mein gutes Weib Hartje," sagte er dann sanft. „Der Herr
Pfarrer kommt persönlich nach dir fragen."
Aber Hieronymus van Doorn hielt nur jetzt Frau Hartjes Hand in der
seinen und sah auf die Hand nieder, die ein wenig in der seinen lastete, und
verlor sich beinahe in der stillen Betrachtung, daß diese weiße, feine, bläulich
durchäderte Hand Frau Hartjes Hand wäre. Er sah die Hand lange an und
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