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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Sozialismus in England

Englands. Die Gegner der Sozialisten behaupten, es sei abgefeimte Berechnung,
daß der äußere Unterschied zwischen der "IncieponclLnt I^abour Party" und
der "I^abour Party", deren Grundlage es ist, "incZeponäent" zu sein, nur ein
großer Buchstabe sei. Das ist wohl nicht der Fall. Tatsächlich aber ruft die
Ähnlichkeit der beiden Namen zahllose Verwechslungen und Mißverstündnisse
sogar heute noch und selbst in der großen englischen Presse hervor. Darum
darf wohl auch hier noch einmal festgestellt werden, daß die I^abour Party
konstitutiv "eine Föderativorganisation einerseits von Gewerkschafts- und ander¬
seits von zwei sozialistischen Verbänden, nämlich der Inäsponclent I.abour
Party und der Fabian Society" ist, wie E. Pease in einem sehr lesenswerten
Aufsatz über die Fabler in dein Grünbergschen "Archiv für die Geschichte des
Sozialismus und der Arbeiterbewegung" (Band I, Hest 2) sagt. Die hinter
dieser l^abvur Party stehenden Gewerkschaftler sind zwar, soweit sie nicht auch
einer der ausgesprochen sozialistischen Organisationen angehören, keine Sozialisten,
handeln aber durch diese ihre politische Organisation heute sozialistisch. Die
I^abour Party gibt zurzeit ihre Gesamtmitgliederschast mit 1481368 an. Da
in dieser Ziffer 155 Gewerkschaften mit 1445 708 Mitgliedern stecken, die
I. L. P. und die Fabische Gesellschaft, die zu der Föderation gehören, aber nur
etwas über 62000 Mitglieder zählen, so ergibt sich, daß rund 26000 Doppel-
Mitglieder vorhanden sind. Diese rund 1^/-> Millionen Einzelwähler nun
bilde", das kann man heute getrost sagen, das sozialistische Gesamtvotum aus
der englischen Arbeiterschaft. Rechnet man von den 3^/-, Millionen deutscher
sozialdemokratischer Wähler das gewaltige Heer der Mitläufer ab, und zählt
man dem englisch-sozialistischen Arbeitervotmn noch die Arbeiter zu, die in
Deutschland das Wahlrecht haben, in England aber nicht, dann nähern sich die
beiden Ziffern sicher beträchtlich. Im einzelnen hat die Arbeiterpartei bisher
folgende Wahlresultate gehabt:

Kan¬
didatenDurchschnitt- Gesamt-
Abgeordnete liebe S.^um- Stilen- ^Perlen-n
zahl Wahlkreisen
1900 (Khaki-Wahlen) 162 4179 "2 098 40.5
1906 ...... 6130 6161 331280 36.9
1910 (Januar) . . 784" 6483 606 690 36.6
1910 (Dezember) , , 5"42 6622 370 802 40.8

Die Gesamtstimmenziffer hängt von der Zahl der Kandidaturen ab. Diese
richtet sich nach taktischen und finanziellen Erwägungen. Ein brauchbareres
Kriterium für Auf- oder Absteigen der Bewegung ist die durchschnittliche Stimmen¬
ziffer der Kandidaten, und diese ergibt, wie ersichtlich, ein ununterbrochenes
Aufsteigen. Es entsteht noch die Frage, wo der Rest der 1^ Millionen
Stimmen, die der Arbeiterpartei zur Verfügung stehen, geblieben ist. Sie sind
in dem Gesamtvotum der liberalen Partei erhalten und sind dort namentlich


Der Sozialismus in England

Englands. Die Gegner der Sozialisten behaupten, es sei abgefeimte Berechnung,
daß der äußere Unterschied zwischen der „IncieponclLnt I^abour Party" und
der „I^abour Party", deren Grundlage es ist, „incZeponäent" zu sein, nur ein
großer Buchstabe sei. Das ist wohl nicht der Fall. Tatsächlich aber ruft die
Ähnlichkeit der beiden Namen zahllose Verwechslungen und Mißverstündnisse
sogar heute noch und selbst in der großen englischen Presse hervor. Darum
darf wohl auch hier noch einmal festgestellt werden, daß die I^abour Party
konstitutiv „eine Föderativorganisation einerseits von Gewerkschafts- und ander¬
seits von zwei sozialistischen Verbänden, nämlich der Inäsponclent I.abour
Party und der Fabian Society" ist, wie E. Pease in einem sehr lesenswerten
Aufsatz über die Fabler in dein Grünbergschen „Archiv für die Geschichte des
Sozialismus und der Arbeiterbewegung" (Band I, Hest 2) sagt. Die hinter
dieser l^abvur Party stehenden Gewerkschaftler sind zwar, soweit sie nicht auch
einer der ausgesprochen sozialistischen Organisationen angehören, keine Sozialisten,
handeln aber durch diese ihre politische Organisation heute sozialistisch. Die
I^abour Party gibt zurzeit ihre Gesamtmitgliederschast mit 1481368 an. Da
in dieser Ziffer 155 Gewerkschaften mit 1445 708 Mitgliedern stecken, die
I. L. P. und die Fabische Gesellschaft, die zu der Föderation gehören, aber nur
etwas über 62000 Mitglieder zählen, so ergibt sich, daß rund 26000 Doppel-
Mitglieder vorhanden sind. Diese rund 1^/-> Millionen Einzelwähler nun
bilde», das kann man heute getrost sagen, das sozialistische Gesamtvotum aus
der englischen Arbeiterschaft. Rechnet man von den 3^/-, Millionen deutscher
sozialdemokratischer Wähler das gewaltige Heer der Mitläufer ab, und zählt
man dem englisch-sozialistischen Arbeitervotmn noch die Arbeiter zu, die in
Deutschland das Wahlrecht haben, in England aber nicht, dann nähern sich die
beiden Ziffern sicher beträchtlich. Im einzelnen hat die Arbeiterpartei bisher
folgende Wahlresultate gehabt:

Kan¬
didatenDurchschnitt- Gesamt-
Abgeordnete liebe S.^um- Stilen- ^Perlen-n
zahl Wahlkreisen
1900 (Khaki-Wahlen) 162 4179 «2 098 40.5
1906 ...... 6130 6161 331280 36.9
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1910 (Dezember) , , 5«42 6622 370 802 40.8

Die Gesamtstimmenziffer hängt von der Zahl der Kandidaturen ab. Diese
richtet sich nach taktischen und finanziellen Erwägungen. Ein brauchbareres
Kriterium für Auf- oder Absteigen der Bewegung ist die durchschnittliche Stimmen¬
ziffer der Kandidaten, und diese ergibt, wie ersichtlich, ein ununterbrochenes
Aufsteigen. Es entsteht noch die Frage, wo der Rest der 1^ Millionen
Stimmen, die der Arbeiterpartei zur Verfügung stehen, geblieben ist. Sie sind
in dem Gesamtvotum der liberalen Partei erhalten und sind dort namentlich


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[0172] Der Sozialismus in England Englands. Die Gegner der Sozialisten behaupten, es sei abgefeimte Berechnung, daß der äußere Unterschied zwischen der „IncieponclLnt I^abour Party" und der „I^abour Party", deren Grundlage es ist, „incZeponäent" zu sein, nur ein großer Buchstabe sei. Das ist wohl nicht der Fall. Tatsächlich aber ruft die Ähnlichkeit der beiden Namen zahllose Verwechslungen und Mißverstündnisse sogar heute noch und selbst in der großen englischen Presse hervor. Darum darf wohl auch hier noch einmal festgestellt werden, daß die I^abour Party konstitutiv „eine Föderativorganisation einerseits von Gewerkschafts- und ander¬ seits von zwei sozialistischen Verbänden, nämlich der Inäsponclent I.abour Party und der Fabian Society" ist, wie E. Pease in einem sehr lesenswerten Aufsatz über die Fabler in dein Grünbergschen „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung" (Band I, Hest 2) sagt. Die hinter dieser l^abvur Party stehenden Gewerkschaftler sind zwar, soweit sie nicht auch einer der ausgesprochen sozialistischen Organisationen angehören, keine Sozialisten, handeln aber durch diese ihre politische Organisation heute sozialistisch. Die I^abour Party gibt zurzeit ihre Gesamtmitgliederschast mit 1481368 an. Da in dieser Ziffer 155 Gewerkschaften mit 1445 708 Mitgliedern stecken, die I. L. P. und die Fabische Gesellschaft, die zu der Föderation gehören, aber nur etwas über 62000 Mitglieder zählen, so ergibt sich, daß rund 26000 Doppel- Mitglieder vorhanden sind. Diese rund 1^/-> Millionen Einzelwähler nun bilde», das kann man heute getrost sagen, das sozialistische Gesamtvotum aus der englischen Arbeiterschaft. Rechnet man von den 3^/-, Millionen deutscher sozialdemokratischer Wähler das gewaltige Heer der Mitläufer ab, und zählt man dem englisch-sozialistischen Arbeitervotmn noch die Arbeiter zu, die in Deutschland das Wahlrecht haben, in England aber nicht, dann nähern sich die beiden Ziffern sicher beträchtlich. Im einzelnen hat die Arbeiterpartei bisher folgende Wahlresultate gehabt: Kan¬ didatenDurchschnitt- Gesamt- Abgeordnete liebe S.^um- Stilen- ^Perlen-n zahl Wahlkreisen 1900 (Khaki-Wahlen) 162 4179 «2 098 40.5 1906 ...... 6130 6161 331280 36.9 1910 (Januar) . . 784» 6483 606 690 36.6 1910 (Dezember) , , 5«42 6622 370 802 40.8 Die Gesamtstimmenziffer hängt von der Zahl der Kandidaturen ab. Diese richtet sich nach taktischen und finanziellen Erwägungen. Ein brauchbareres Kriterium für Auf- oder Absteigen der Bewegung ist die durchschnittliche Stimmen¬ ziffer der Kandidaten, und diese ergibt, wie ersichtlich, ein ununterbrochenes Aufsteigen. Es entsteht noch die Frage, wo der Rest der 1^ Millionen Stimmen, die der Arbeiterpartei zur Verfügung stehen, geblieben ist. Sie sind in dem Gesamtvotum der liberalen Partei erhalten und sind dort namentlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/172>, abgerufen am 20.10.2024.