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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Zur belgischen Landesverteidigungsfrage

zu wurde in Vorschlag gebracht. 1910 löste man die 9. Jnfanteriebrigade
(die 8 anderen sind zu je 2 in Armeedivisionen vereint) auf und überwies
schon im Frieden je eins ihrer Regimenter (zu Z aktiven und 1 Neservebataillon)
Lüttich und Namur nebst je einen: halbaktiven Festungs-Pionierbataillon. Außer¬
dem gehören zur Besatzung je 2 Festungs-Jnfanteriebataillone, und an Festungs¬
artillerie zu Lüttich 4 Bataillone (mit 12 aktiven, 4 Reserve- und 1 Depot¬
batterie), zu Namur 3 Bataillone (mit 9 aktiven, 3 Reserve- und 1 Depot¬
batterie). Die beabsichtigte Neubefestigung von Termonde mit vier Forts wurde
wieder aufgegeben und die Schleifung der alten Werke beschlossen.

Auch zum Umbau Antwerpens entsprechend den modernen Anforderungen
entschloß man sich im Jahre 1900: Beseitigung der Umwallung; ihr Ersatz
durch die Brialmontsche Fortlinie -- die alten Forts 1 bis 8 sollten durch
Eisengitter verbunden werden und so eine Umfassung von 45 Ku Umfang
bilden; Herstellung eines neuen Gürtels, bestehend aus schon vorhandenen fünf
Forts und drei Zwischenwerken, sowie aus um zu bauenden elf Forts und
zwölf Zwischenwerken. Dieser Gürtel soll auf dem rechten Scheide-Ufer den
alten in einem Abstände von 4 Ka im Norden bis zu 12 Ka im Süden mit
einem Umfange von 100 Ku umgeben. Auf dem linken Ufer ist vorläufig
nur die Ausführung von zwei Forts und zwei Zwischenwerken von den ge¬
planten sechs bzw. fünf beabsichtigt; eins dieser Forts war bereits 1909 vollendet.
Die Bauzeit wurde 1909 auf 39 Monate festgesetzt. Dazu wurden bereits
1906 und 1907 etwa 50 Millionen Franks bewilligt, wozu noch 15 Millionen
aus dem Verkauf der alten Festungsgelände von Antwerpen und Termonde
kommen. Für Ausrüstung und Munition sollen außerdem 32 Millionen in
Aussicht genommen sein. Die Gesamtkosten dürfen auf 100 Millionen geschätzt
werden. Die Besatzung des äußeren Fortgürtels wird auf mindestens 80000
Mann berechnet. Da aber die Maaslinie 30000 Mann bedarf*) und die
Feldarmee mindestens 100000 Mann stark sein soll (nach dem Etat sogar
stärker), so fehlen bei einer Gesamtstärke von rund 180000 Mann noch 30000
Mann an der Besatzung der äußeren Forts, während für die innere Linie und
zur Reserve nichts bleibt. Man sieht, wie sehr Moltke Recht behielt. Die
dauernde Fesselung wenigstens eines Teils der Feldarmee in Antwerpen ist
unter diesen Umständen unvermeidlich. Mit alledem ist noch nichts zum un¬
mittelbaren Schutze der Küste zwischen der niederländischen und französischen
Grenze geschehen; eine Flotte fehlt bekanntlich. Ob ernstlich 5Alstenbefestigimgen
in Aussicht genommen sind, ist nicht bekannt. Eine englische Landung kann
hier bei der Unfreiheit der Feldarmee nicht verhindert werden.

Die sonnt stets wachsenden Anforderungen an die militärischen Rüstungen
des Landes mit der garantierten Neutralität können mit größerem Rechte als
eine "Schraube ohne Ende" bezeichnet werden als die entsprechenden Forte-



") n. a. O, XXXVll S. 333.
Zur belgischen Landesverteidigungsfrage

zu wurde in Vorschlag gebracht. 1910 löste man die 9. Jnfanteriebrigade
(die 8 anderen sind zu je 2 in Armeedivisionen vereint) auf und überwies
schon im Frieden je eins ihrer Regimenter (zu Z aktiven und 1 Neservebataillon)
Lüttich und Namur nebst je einen: halbaktiven Festungs-Pionierbataillon. Außer¬
dem gehören zur Besatzung je 2 Festungs-Jnfanteriebataillone, und an Festungs¬
artillerie zu Lüttich 4 Bataillone (mit 12 aktiven, 4 Reserve- und 1 Depot¬
batterie), zu Namur 3 Bataillone (mit 9 aktiven, 3 Reserve- und 1 Depot¬
batterie). Die beabsichtigte Neubefestigung von Termonde mit vier Forts wurde
wieder aufgegeben und die Schleifung der alten Werke beschlossen.

Auch zum Umbau Antwerpens entsprechend den modernen Anforderungen
entschloß man sich im Jahre 1900: Beseitigung der Umwallung; ihr Ersatz
durch die Brialmontsche Fortlinie — die alten Forts 1 bis 8 sollten durch
Eisengitter verbunden werden und so eine Umfassung von 45 Ku Umfang
bilden; Herstellung eines neuen Gürtels, bestehend aus schon vorhandenen fünf
Forts und drei Zwischenwerken, sowie aus um zu bauenden elf Forts und
zwölf Zwischenwerken. Dieser Gürtel soll auf dem rechten Scheide-Ufer den
alten in einem Abstände von 4 Ka im Norden bis zu 12 Ka im Süden mit
einem Umfange von 100 Ku umgeben. Auf dem linken Ufer ist vorläufig
nur die Ausführung von zwei Forts und zwei Zwischenwerken von den ge¬
planten sechs bzw. fünf beabsichtigt; eins dieser Forts war bereits 1909 vollendet.
Die Bauzeit wurde 1909 auf 39 Monate festgesetzt. Dazu wurden bereits
1906 und 1907 etwa 50 Millionen Franks bewilligt, wozu noch 15 Millionen
aus dem Verkauf der alten Festungsgelände von Antwerpen und Termonde
kommen. Für Ausrüstung und Munition sollen außerdem 32 Millionen in
Aussicht genommen sein. Die Gesamtkosten dürfen auf 100 Millionen geschätzt
werden. Die Besatzung des äußeren Fortgürtels wird auf mindestens 80000
Mann berechnet. Da aber die Maaslinie 30000 Mann bedarf*) und die
Feldarmee mindestens 100000 Mann stark sein soll (nach dem Etat sogar
stärker), so fehlen bei einer Gesamtstärke von rund 180000 Mann noch 30000
Mann an der Besatzung der äußeren Forts, während für die innere Linie und
zur Reserve nichts bleibt. Man sieht, wie sehr Moltke Recht behielt. Die
dauernde Fesselung wenigstens eines Teils der Feldarmee in Antwerpen ist
unter diesen Umständen unvermeidlich. Mit alledem ist noch nichts zum un¬
mittelbaren Schutze der Küste zwischen der niederländischen und französischen
Grenze geschehen; eine Flotte fehlt bekanntlich. Ob ernstlich 5Alstenbefestigimgen
in Aussicht genommen sind, ist nicht bekannt. Eine englische Landung kann
hier bei der Unfreiheit der Feldarmee nicht verhindert werden.

Die sonnt stets wachsenden Anforderungen an die militärischen Rüstungen
des Landes mit der garantierten Neutralität können mit größerem Rechte als
eine „Schraube ohne Ende" bezeichnet werden als die entsprechenden Forte-



") n. a. O, XXXVll S. 333.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/594>, abgerufen am 23.07.2024.