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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Zur belgischen Landesvcrteidigungsfrage



Zur belgischen Landesverteidigungssrage
Von Generalleutnant z. V. v, Janson

elgien wird durch seine von den Mächten gewährleistete Neu¬
tralität in ganz eigenartiger Weise in bezug auf die Anordnung
seiner Landesverteidigung beeinflußt. Diese Gewährleistung be¬
deutet keineswegs eine Entlastung des Landes von der Sorge
um seine Sicherheit, legt ihm vielmehr neben den nationalen auch
internationale Pflichten auf und beschränkt bis zu einem gewissen Grade seine
Selbständigkeit. Die 1831 in London versammelten Diplomaten erklärten, daß
Belgiens Neutralität aufhören werde, ein Element der Sicherheit für seine
Nachbarstaaten zu sein, wenn es nicht in der Lage sein werde, ihr selbst Achtung
zu verschaffen. Auch Moltke sagt, der eigene Widerstand sei die Hauptsache,
"denn die fremde Hilfe wird nur in dein Maße erfolgen, als das unmittelbare
Interesse der Garanten dabei beteiligt ist**)." Allerdings fordert das Völker¬
recht auch von jedem anderen nur in einem bestimmten Kriegsfalle neutralen
Staate, daß er "sich jeder aktiven Unterstützung einer der kriegführenden Par¬
teien, selbst jeder nur mittelbaren", enthält, und spricht bei jeder Verletzung
dieser Pflicht, gleichviel ob aus Absicht oder aus Schwäche, der geschädigten
Macht das Recht zu, "ihn ohne Kriegserklärung feindlich zu behandeln***)."
Jene Erklärung im Londoner Kongreß schließt aber außerdem noch gewisser-





*) Abeken hat bei "Gelichter" an den Rand in Klammern beigefügt "(GeHund, Gebäum)",
vermutlich, um den Freund an ähnliche scherzhafte Kollektivbildungen zu erinnern, mit deren
Erfindung sie sich in frohen Stunden ergötzt haben mögen. Auch Goethes Sohn machte der¬
gleichen Spaß; so lesen wir im Tagebuch des Vaters 1807 September 10: "Augustens und
Riemers Späße mit der Bildung von lauter kollektiven Substantivwörtern mit der Vorschlags¬
sylbe ge, als: GeöchS, Gekälb, Gebäuch, Gebühr, etc."
"
Großer Generalstab: "Moltkes Kriegslehren. Berlin 1911. I, S. 14.
W. v. Blume: "Strategie, ihre Aufgaben und Mittel." Berlin 1912. S. 7.
Zur belgischen Landesvcrteidigungsfrage



Zur belgischen Landesverteidigungssrage
Von Generalleutnant z. V. v, Janson

elgien wird durch seine von den Mächten gewährleistete Neu¬
tralität in ganz eigenartiger Weise in bezug auf die Anordnung
seiner Landesverteidigung beeinflußt. Diese Gewährleistung be¬
deutet keineswegs eine Entlastung des Landes von der Sorge
um seine Sicherheit, legt ihm vielmehr neben den nationalen auch
internationale Pflichten auf und beschränkt bis zu einem gewissen Grade seine
Selbständigkeit. Die 1831 in London versammelten Diplomaten erklärten, daß
Belgiens Neutralität aufhören werde, ein Element der Sicherheit für seine
Nachbarstaaten zu sein, wenn es nicht in der Lage sein werde, ihr selbst Achtung
zu verschaffen. Auch Moltke sagt, der eigene Widerstand sei die Hauptsache,
„denn die fremde Hilfe wird nur in dein Maße erfolgen, als das unmittelbare
Interesse der Garanten dabei beteiligt ist**)." Allerdings fordert das Völker¬
recht auch von jedem anderen nur in einem bestimmten Kriegsfalle neutralen
Staate, daß er „sich jeder aktiven Unterstützung einer der kriegführenden Par¬
teien, selbst jeder nur mittelbaren", enthält, und spricht bei jeder Verletzung
dieser Pflicht, gleichviel ob aus Absicht oder aus Schwäche, der geschädigten
Macht das Recht zu, „ihn ohne Kriegserklärung feindlich zu behandeln***)."
Jene Erklärung im Londoner Kongreß schließt aber außerdem noch gewisser-





*) Abeken hat bei „Gelichter" an den Rand in Klammern beigefügt „(GeHund, Gebäum)",
vermutlich, um den Freund an ähnliche scherzhafte Kollektivbildungen zu erinnern, mit deren
Erfindung sie sich in frohen Stunden ergötzt haben mögen. Auch Goethes Sohn machte der¬
gleichen Spaß; so lesen wir im Tagebuch des Vaters 1807 September 10: „Augustens und
Riemers Späße mit der Bildung von lauter kollektiven Substantivwörtern mit der Vorschlags¬
sylbe ge, als: GeöchS, Gekälb, Gebäuch, Gebühr, etc."
"
Großer Generalstab: „Moltkes Kriegslehren. Berlin 1911. I, S. 14.
W. v. Blume: „Strategie, ihre Aufgaben und Mittel." Berlin 1912. S. 7.
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[0591] Zur belgischen Landesvcrteidigungsfrage Zur belgischen Landesverteidigungssrage Von Generalleutnant z. V. v, Janson elgien wird durch seine von den Mächten gewährleistete Neu¬ tralität in ganz eigenartiger Weise in bezug auf die Anordnung seiner Landesverteidigung beeinflußt. Diese Gewährleistung be¬ deutet keineswegs eine Entlastung des Landes von der Sorge um seine Sicherheit, legt ihm vielmehr neben den nationalen auch internationale Pflichten auf und beschränkt bis zu einem gewissen Grade seine Selbständigkeit. Die 1831 in London versammelten Diplomaten erklärten, daß Belgiens Neutralität aufhören werde, ein Element der Sicherheit für seine Nachbarstaaten zu sein, wenn es nicht in der Lage sein werde, ihr selbst Achtung zu verschaffen. Auch Moltke sagt, der eigene Widerstand sei die Hauptsache, „denn die fremde Hilfe wird nur in dein Maße erfolgen, als das unmittelbare Interesse der Garanten dabei beteiligt ist**)." Allerdings fordert das Völker¬ recht auch von jedem anderen nur in einem bestimmten Kriegsfalle neutralen Staate, daß er „sich jeder aktiven Unterstützung einer der kriegführenden Par¬ teien, selbst jeder nur mittelbaren", enthält, und spricht bei jeder Verletzung dieser Pflicht, gleichviel ob aus Absicht oder aus Schwäche, der geschädigten Macht das Recht zu, „ihn ohne Kriegserklärung feindlich zu behandeln***)." Jene Erklärung im Londoner Kongreß schließt aber außerdem noch gewisser- *) Abeken hat bei „Gelichter" an den Rand in Klammern beigefügt „(GeHund, Gebäum)", vermutlich, um den Freund an ähnliche scherzhafte Kollektivbildungen zu erinnern, mit deren Erfindung sie sich in frohen Stunden ergötzt haben mögen. Auch Goethes Sohn machte der¬ gleichen Spaß; so lesen wir im Tagebuch des Vaters 1807 September 10: „Augustens und Riemers Späße mit der Bildung von lauter kollektiven Substantivwörtern mit der Vorschlags¬ sylbe ge, als: GeöchS, Gekälb, Gebäuch, Gebühr, etc." " Großer Generalstab: „Moltkes Kriegslehren. Berlin 1911. I, S. 14. W. v. Blume: „Strategie, ihre Aufgaben und Mittel." Berlin 1912. S. 7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/591>, abgerufen am 23.07.2024.