Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rüichsspicgcl

mit der Regierung die Wege geebnet hätte. An dem Prosperieren dieser oder
anderer Gesellschaften in den neuen Gebieten hat Deutschland kein Interesse, aber
es ist zu bedauern, daß der naturgemäße Weg, durch eine Verständigung die vor¬
handenen Gegensätze zu versöhnen, durch eine kurzsichtige oder übelwollende
Geschäftspolitik der Franzosen verlegt worden ist.

In Budapest ist nach langwieriger Verhandlung ein herbes Urteil über einen
der berüchtigten ungarischenAnimierbankiers gefällt worden, der seineOpfer haupt¬
sächlich in den Kreisen des deutschen Publikums gesucht hat -- mit welchem Erfolg,
beweist die Tatsache, daß er in drei Jahren 800 000 Kronen verdienen konnte,
ohne überhaupt ein nennenswertes Geschäftskapital zu besitzen. Die Methode, nach
der dieser Winkelbankier arbeitete und mit der er die Vertrauensseligen in das
Garn lockte, war die altbewährte der Herausgabe eines anscheinend unabhängigen,
in Wahrheit ausschließlich in seinem Interesse redigierten Finanzblattes, welches
wöchentlich in einer Million (!) Exemplaren verschickt wurde. Es ist kaum zu
glauben, daß eine so grobe Art des Bauernfangs in Deutschland immer wieder
Erfolg haben kann. Welche erschreckende Unkenntnis in den elementarsten Dingen
des Finanz- und Geldwesens muß doch in weiten Kreisen des deutschen Publikums
und zwar eines Kapitalistenpublikums verbreitet sein! Denn dieser Übeltäter ist
doch nur eiuer unter Hunderten. Tag für Tag kann man in der Tagespresse
Warnungen vor ausländischen Schwindelfirmen lesen, der Zentralverband deutscher
Banken und Bankiers bemüht sich, das libet wenigstens im Inland durch Straf¬
verfolgung und Aufklärung auszurotten, aber alle Mühe ist anscheinend vergebens.
In Deutschland und zwar fast ausschließlich in Deutschland findet jenes Gauner-
tum ein lohnendes Arbeitsfeld, und anscheinend in den letzten Jahren in steigendem
Maße. Wie ist das zu erklären? Doch wohl nur damit, daß hier der Wohlstand,
der Besitz verfügbarer, wenn auch kleiner Kapitalien sich stärker vermehrt hat, als
die Fähigkeit, mit dem Gelde zu wirtschaften und es nach den Regeln verständiger
Vermögensverwaltung anzulegen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu ver¬
richten. Kaufmännischer Geist und kaufmännisches Wissen zum Gemeinbesitz eines
ganzen Volkes zu machen, erfordert Mühe und Zeit, die Arbeit von mehr als
einer Generation. Diese Arbeit ist aber unerläßlich für ein Volk, das, wie das
deutsche, Anspruch auf eine führende Rolls in der Volkswirtschaft erhebt.


Specwtor


Verantwortliche Schriftleiter: für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den
literarischen Teil und die Redaktion Heinz Am elung'Friedenall. -- Manuslriptsendungen und Buche werden
ausschließlich an die Adresse der Schriftleitung Berlin SV/. 11, B-rnburger Strasze 2S->/23, erbeten. -- Sprechstunden
der Schriftl-itung: Montags 10-12 Uhr, Donnerstags 11-1 Uhr.
Verlag: Verlag der Gr-nzboten G.in.b.H. in Berlin SV. 11.






Druck: "Der RcichSoote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11 Dessau" Strasze S?
Rüichsspicgcl

mit der Regierung die Wege geebnet hätte. An dem Prosperieren dieser oder
anderer Gesellschaften in den neuen Gebieten hat Deutschland kein Interesse, aber
es ist zu bedauern, daß der naturgemäße Weg, durch eine Verständigung die vor¬
handenen Gegensätze zu versöhnen, durch eine kurzsichtige oder übelwollende
Geschäftspolitik der Franzosen verlegt worden ist.

In Budapest ist nach langwieriger Verhandlung ein herbes Urteil über einen
der berüchtigten ungarischenAnimierbankiers gefällt worden, der seineOpfer haupt¬
sächlich in den Kreisen des deutschen Publikums gesucht hat — mit welchem Erfolg,
beweist die Tatsache, daß er in drei Jahren 800 000 Kronen verdienen konnte,
ohne überhaupt ein nennenswertes Geschäftskapital zu besitzen. Die Methode, nach
der dieser Winkelbankier arbeitete und mit der er die Vertrauensseligen in das
Garn lockte, war die altbewährte der Herausgabe eines anscheinend unabhängigen,
in Wahrheit ausschließlich in seinem Interesse redigierten Finanzblattes, welches
wöchentlich in einer Million (!) Exemplaren verschickt wurde. Es ist kaum zu
glauben, daß eine so grobe Art des Bauernfangs in Deutschland immer wieder
Erfolg haben kann. Welche erschreckende Unkenntnis in den elementarsten Dingen
des Finanz- und Geldwesens muß doch in weiten Kreisen des deutschen Publikums
und zwar eines Kapitalistenpublikums verbreitet sein! Denn dieser Übeltäter ist
doch nur eiuer unter Hunderten. Tag für Tag kann man in der Tagespresse
Warnungen vor ausländischen Schwindelfirmen lesen, der Zentralverband deutscher
Banken und Bankiers bemüht sich, das libet wenigstens im Inland durch Straf¬
verfolgung und Aufklärung auszurotten, aber alle Mühe ist anscheinend vergebens.
In Deutschland und zwar fast ausschließlich in Deutschland findet jenes Gauner-
tum ein lohnendes Arbeitsfeld, und anscheinend in den letzten Jahren in steigendem
Maße. Wie ist das zu erklären? Doch wohl nur damit, daß hier der Wohlstand,
der Besitz verfügbarer, wenn auch kleiner Kapitalien sich stärker vermehrt hat, als
die Fähigkeit, mit dem Gelde zu wirtschaften und es nach den Regeln verständiger
Vermögensverwaltung anzulegen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu ver¬
richten. Kaufmännischer Geist und kaufmännisches Wissen zum Gemeinbesitz eines
ganzen Volkes zu machen, erfordert Mühe und Zeit, die Arbeit von mehr als
einer Generation. Diese Arbeit ist aber unerläßlich für ein Volk, das, wie das
deutsche, Anspruch auf eine führende Rolls in der Volkswirtschaft erhebt.


Specwtor


Verantwortliche Schriftleiter: für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den
literarischen Teil und die Redaktion Heinz Am elung'Friedenall. — Manuslriptsendungen und Buche werden
ausschließlich an die Adresse der Schriftleitung Berlin SV/. 11, B-rnburger Strasze 2S->/23, erbeten. — Sprechstunden
der Schriftl-itung: Montags 10-12 Uhr, Donnerstags 11-1 Uhr.
Verlag: Verlag der Gr-nzboten G.in.b.H. in Berlin SV. 11.






Druck: „Der RcichSoote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11 Dessau« Strasze S?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0576" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320177"/>
            <fw type="header" place="top"> Rüichsspicgcl</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2476" prev="#ID_2475"> mit der Regierung die Wege geebnet hätte. An dem Prosperieren dieser oder<lb/>
anderer Gesellschaften in den neuen Gebieten hat Deutschland kein Interesse, aber<lb/>
es ist zu bedauern, daß der naturgemäße Weg, durch eine Verständigung die vor¬<lb/>
handenen Gegensätze zu versöhnen, durch eine kurzsichtige oder übelwollende<lb/>
Geschäftspolitik der Franzosen verlegt worden ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2477"> In Budapest ist nach langwieriger Verhandlung ein herbes Urteil über einen<lb/>
der berüchtigten ungarischenAnimierbankiers gefällt worden, der seineOpfer haupt¬<lb/>
sächlich in den Kreisen des deutschen Publikums gesucht hat &#x2014; mit welchem Erfolg,<lb/>
beweist die Tatsache, daß er in drei Jahren 800 000 Kronen verdienen konnte,<lb/>
ohne überhaupt ein nennenswertes Geschäftskapital zu besitzen. Die Methode, nach<lb/>
der dieser Winkelbankier arbeitete und mit der er die Vertrauensseligen in das<lb/>
Garn lockte, war die altbewährte der Herausgabe eines anscheinend unabhängigen,<lb/>
in Wahrheit ausschließlich in seinem Interesse redigierten Finanzblattes, welches<lb/>
wöchentlich in einer Million (!) Exemplaren verschickt wurde. Es ist kaum zu<lb/>
glauben, daß eine so grobe Art des Bauernfangs in Deutschland immer wieder<lb/>
Erfolg haben kann. Welche erschreckende Unkenntnis in den elementarsten Dingen<lb/>
des Finanz- und Geldwesens muß doch in weiten Kreisen des deutschen Publikums<lb/>
und zwar eines Kapitalistenpublikums verbreitet sein! Denn dieser Übeltäter ist<lb/>
doch nur eiuer unter Hunderten. Tag für Tag kann man in der Tagespresse<lb/>
Warnungen vor ausländischen Schwindelfirmen lesen, der Zentralverband deutscher<lb/>
Banken und Bankiers bemüht sich, das libet wenigstens im Inland durch Straf¬<lb/>
verfolgung und Aufklärung auszurotten, aber alle Mühe ist anscheinend vergebens.<lb/>
In Deutschland und zwar fast ausschließlich in Deutschland findet jenes Gauner-<lb/>
tum ein lohnendes Arbeitsfeld, und anscheinend in den letzten Jahren in steigendem<lb/>
Maße. Wie ist das zu erklären? Doch wohl nur damit, daß hier der Wohlstand,<lb/>
der Besitz verfügbarer, wenn auch kleiner Kapitalien sich stärker vermehrt hat, als<lb/>
die Fähigkeit, mit dem Gelde zu wirtschaften und es nach den Regeln verständiger<lb/>
Vermögensverwaltung anzulegen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu ver¬<lb/>
richten. Kaufmännischer Geist und kaufmännisches Wissen zum Gemeinbesitz eines<lb/>
ganzen Volkes zu machen, erfordert Mühe und Zeit, die Arbeit von mehr als<lb/>
einer Generation. Diese Arbeit ist aber unerläßlich für ein Volk, das, wie das<lb/>
deutsche, Anspruch auf eine führende Rolls in der Volkswirtschaft erhebt.</p><lb/>
            <note type="byline"> Specwtor</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p xml:id="ID_2478"> Verantwortliche Schriftleiter: für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den<lb/>
literarischen Teil und die Redaktion Heinz Am elung'Friedenall. &#x2014; Manuslriptsendungen und Buche werden<lb/>
ausschließlich an die Adresse der Schriftleitung Berlin SV/. 11, B-rnburger Strasze 2S-&gt;/23, erbeten. &#x2014; Sprechstunden<lb/>
der Schriftl-itung: Montags 10-12 Uhr, Donnerstags 11-1 Uhr.<lb/>
Verlag: Verlag der Gr-nzboten G.in.b.H. in Berlin SV. 11.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Druck: &#x201E;Der RcichSoote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11 Dessau« Strasze S?</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0576] Rüichsspicgcl mit der Regierung die Wege geebnet hätte. An dem Prosperieren dieser oder anderer Gesellschaften in den neuen Gebieten hat Deutschland kein Interesse, aber es ist zu bedauern, daß der naturgemäße Weg, durch eine Verständigung die vor¬ handenen Gegensätze zu versöhnen, durch eine kurzsichtige oder übelwollende Geschäftspolitik der Franzosen verlegt worden ist. In Budapest ist nach langwieriger Verhandlung ein herbes Urteil über einen der berüchtigten ungarischenAnimierbankiers gefällt worden, der seineOpfer haupt¬ sächlich in den Kreisen des deutschen Publikums gesucht hat — mit welchem Erfolg, beweist die Tatsache, daß er in drei Jahren 800 000 Kronen verdienen konnte, ohne überhaupt ein nennenswertes Geschäftskapital zu besitzen. Die Methode, nach der dieser Winkelbankier arbeitete und mit der er die Vertrauensseligen in das Garn lockte, war die altbewährte der Herausgabe eines anscheinend unabhängigen, in Wahrheit ausschließlich in seinem Interesse redigierten Finanzblattes, welches wöchentlich in einer Million (!) Exemplaren verschickt wurde. Es ist kaum zu glauben, daß eine so grobe Art des Bauernfangs in Deutschland immer wieder Erfolg haben kann. Welche erschreckende Unkenntnis in den elementarsten Dingen des Finanz- und Geldwesens muß doch in weiten Kreisen des deutschen Publikums und zwar eines Kapitalistenpublikums verbreitet sein! Denn dieser Übeltäter ist doch nur eiuer unter Hunderten. Tag für Tag kann man in der Tagespresse Warnungen vor ausländischen Schwindelfirmen lesen, der Zentralverband deutscher Banken und Bankiers bemüht sich, das libet wenigstens im Inland durch Straf¬ verfolgung und Aufklärung auszurotten, aber alle Mühe ist anscheinend vergebens. In Deutschland und zwar fast ausschließlich in Deutschland findet jenes Gauner- tum ein lohnendes Arbeitsfeld, und anscheinend in den letzten Jahren in steigendem Maße. Wie ist das zu erklären? Doch wohl nur damit, daß hier der Wohlstand, der Besitz verfügbarer, wenn auch kleiner Kapitalien sich stärker vermehrt hat, als die Fähigkeit, mit dem Gelde zu wirtschaften und es nach den Regeln verständiger Vermögensverwaltung anzulegen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu ver¬ richten. Kaufmännischer Geist und kaufmännisches Wissen zum Gemeinbesitz eines ganzen Volkes zu machen, erfordert Mühe und Zeit, die Arbeit von mehr als einer Generation. Diese Arbeit ist aber unerläßlich für ein Volk, das, wie das deutsche, Anspruch auf eine führende Rolls in der Volkswirtschaft erhebt. Specwtor Verantwortliche Schriftleiter: für den politischen Teil der Herausgeber George Cleinow-Schöneberg, für den literarischen Teil und die Redaktion Heinz Am elung'Friedenall. — Manuslriptsendungen und Buche werden ausschließlich an die Adresse der Schriftleitung Berlin SV/. 11, B-rnburger Strasze 2S->/23, erbeten. — Sprechstunden der Schriftl-itung: Montags 10-12 Uhr, Donnerstags 11-1 Uhr. Verlag: Verlag der Gr-nzboten G.in.b.H. in Berlin SV. 11. Druck: „Der RcichSoote" G. in. b. H. in Berlin SV. 11 Dessau« Strasze S?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/576
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/576>, abgerufen am 23.07.2024.