Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Dichtermerke in neuem Gewände Regis, der bis zu seinem 1854 erfolgten Tode ein stilles, emsiges Gelehrtendasein Man kann immer wieder die Beobachtung machen, daß Leute, die aus der Dichtermerke in neuem Gewände Regis, der bis zu seinem 1854 erfolgten Tode ein stilles, emsiges Gelehrtendasein Man kann immer wieder die Beobachtung machen, daß Leute, die aus der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0563" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320164"/> <fw type="header" place="top"> Dichtermerke in neuem Gewände</fw><lb/> <p xml:id="ID_2434" prev="#ID_2433"> Regis, der bis zu seinem 1854 erfolgten Tode ein stilles, emsiges Gelehrtendasein<lb/> führte, ist als mustergiltiger Übersetzer des Rabelais, des Bojardo, der Sonette<lb/> Shakespeares und Michelangelos nur einem recht kleinen Kreis von Literatur-<lb/> freunden bekannt geworden. „Man wird nicht fehlgehen, sagt Weigand im Vor¬<lb/> wort, wenn man annimmt, daß der ungeheure Kommentar, mit dem Regis seine<lb/> Arbeit belastete, — er nimmt in zwei Bänden eintausendfünfhundertsechzig eng-<lb/> gedruckte Seiten ein — seiner Übersetzung den Weg versperrte.. . Ein Kommentar,<lb/> dessen Text umfangreicher ist als das Werk, kann auf die ganze Welt eingehen,<lb/> deren Verhältnisse Rabelais streift; denn ein Buch, daS nicht nur die Antike,<lb/> sondern auch das französische Mittelalter und die Zeit des ersten Humanismus<lb/> in Frankreich berührt, ist unerschöpflich an Beziehungen, wie es die neueste Blüte<lb/> der Rabelaisforschung beweist: es mag einem ganzen Leben Inhalt geben, weil<lb/> es den Forscher mit einer unendlich reichen Vergangenheit verbindet und überall<lb/> das beziehungsreichste Walten und Wägen schöpferischen Geistes verrät." Was<lb/> zum Verständnis des Werkes unbedingt notwendig erschien, hat Weigand größten¬<lb/> teils dem gelehrten Apparat R?gis' entnommen und in Fußnoten auch räumlich<lb/> dem Text nahegebracht. Mit einem tiefgreifenden und aufschlußreichen Essay über<lb/> Rabelais leitet der Herausgeber die Ausgabe ein, mit liebevollen Worten über<lb/> Regis und die Geschichte seiner Rabelais-Übersetzung sowie einer höchst wertvollen<lb/> Bibliographie des Romans beschließt Dr. Georg Pfeffer das Werk, das in unserer<lb/> llbersetzungsliteratur einen Ehrenplatz zu beanspruchen hat und nun hoffentlich<lb/> dauernd behalten wird. —</p><lb/> <p xml:id="ID_2435"> Man kann immer wieder die Beobachtung machen, daß Leute, die aus der<lb/> Provinz nach Berlin kommen und allmählich auch die nähere und weitere Um¬<lb/> gebung der Reichshauptstadt kennen lernen, selbst wenn sie Theodor Fontanes<lb/> „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen und Bilder Leistikows<lb/> gesehen haben, im höchsten Grade von den Schönheiten der vielverschrienen<lb/> „märkischen Sandwüste" überrascht sind. Natürlich findet der Wanderer heute<lb/> vieles nicht mehr so, wie es Fontane um 1870 beobachtet und beschrieben hat.<lb/> Da wird es gewiß manchen interessiren, daß in einer von Fedor v. Zobeltitz<lb/> herausgegebenen Neuausgabe von Fontanes „Havelland. Die Landschaft von<lb/> Spandau, Potsdam, Brandenburg" (Stuttgart, I. G. Cotta. Preis 10 Mark) der<lb/> ursprüngliche Text durch Bilder illustriert wird, die die geschilderten Örtlichkeiten<lb/> so zeigen, wie sie sich heute dem Auge darbieten. Fontane selbst hatte, wie er<lb/> Zobeltitz gegenüber gelegentlich äußerte, die Absicht, die „Wanderungen" auf den<lb/> neuen Stand der Dinge zu bringen. Er ist nicht dazu gelangt, den Plan aus¬<lb/> zuführen. Daß nun des Dichters Familie gerade Zobeltitz mit der Neuausgabe<lb/> der prachtvollen lebendigen Schilderungen, „wie er es sah", betraut hat, ist dem<lb/> Werke sehr zustatten gekommen; seine Berichtigungen und Ergänzungen zum Text<lb/> erhöhen den Wert des schönen Buches. — Andere Werke Fontanes sind neu<lb/> herausgekommen in Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane (S. Fischer Verlag.<lb/> Berlin, Preis je 1 Mary: „L'Adultera", „Cecile", „Irrungen Wirrungen",<lb/> „Frau Jenny Treibel". Diese billigen Ausgaben mögen der großen Gemeinde<lb/> Fontanes viele neuen Freunde zuführen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0563]
Dichtermerke in neuem Gewände
Regis, der bis zu seinem 1854 erfolgten Tode ein stilles, emsiges Gelehrtendasein
führte, ist als mustergiltiger Übersetzer des Rabelais, des Bojardo, der Sonette
Shakespeares und Michelangelos nur einem recht kleinen Kreis von Literatur-
freunden bekannt geworden. „Man wird nicht fehlgehen, sagt Weigand im Vor¬
wort, wenn man annimmt, daß der ungeheure Kommentar, mit dem Regis seine
Arbeit belastete, — er nimmt in zwei Bänden eintausendfünfhundertsechzig eng-
gedruckte Seiten ein — seiner Übersetzung den Weg versperrte.. . Ein Kommentar,
dessen Text umfangreicher ist als das Werk, kann auf die ganze Welt eingehen,
deren Verhältnisse Rabelais streift; denn ein Buch, daS nicht nur die Antike,
sondern auch das französische Mittelalter und die Zeit des ersten Humanismus
in Frankreich berührt, ist unerschöpflich an Beziehungen, wie es die neueste Blüte
der Rabelaisforschung beweist: es mag einem ganzen Leben Inhalt geben, weil
es den Forscher mit einer unendlich reichen Vergangenheit verbindet und überall
das beziehungsreichste Walten und Wägen schöpferischen Geistes verrät." Was
zum Verständnis des Werkes unbedingt notwendig erschien, hat Weigand größten¬
teils dem gelehrten Apparat R?gis' entnommen und in Fußnoten auch räumlich
dem Text nahegebracht. Mit einem tiefgreifenden und aufschlußreichen Essay über
Rabelais leitet der Herausgeber die Ausgabe ein, mit liebevollen Worten über
Regis und die Geschichte seiner Rabelais-Übersetzung sowie einer höchst wertvollen
Bibliographie des Romans beschließt Dr. Georg Pfeffer das Werk, das in unserer
llbersetzungsliteratur einen Ehrenplatz zu beanspruchen hat und nun hoffentlich
dauernd behalten wird. —
Man kann immer wieder die Beobachtung machen, daß Leute, die aus der
Provinz nach Berlin kommen und allmählich auch die nähere und weitere Um¬
gebung der Reichshauptstadt kennen lernen, selbst wenn sie Theodor Fontanes
„Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen und Bilder Leistikows
gesehen haben, im höchsten Grade von den Schönheiten der vielverschrienen
„märkischen Sandwüste" überrascht sind. Natürlich findet der Wanderer heute
vieles nicht mehr so, wie es Fontane um 1870 beobachtet und beschrieben hat.
Da wird es gewiß manchen interessiren, daß in einer von Fedor v. Zobeltitz
herausgegebenen Neuausgabe von Fontanes „Havelland. Die Landschaft von
Spandau, Potsdam, Brandenburg" (Stuttgart, I. G. Cotta. Preis 10 Mark) der
ursprüngliche Text durch Bilder illustriert wird, die die geschilderten Örtlichkeiten
so zeigen, wie sie sich heute dem Auge darbieten. Fontane selbst hatte, wie er
Zobeltitz gegenüber gelegentlich äußerte, die Absicht, die „Wanderungen" auf den
neuen Stand der Dinge zu bringen. Er ist nicht dazu gelangt, den Plan aus¬
zuführen. Daß nun des Dichters Familie gerade Zobeltitz mit der Neuausgabe
der prachtvollen lebendigen Schilderungen, „wie er es sah", betraut hat, ist dem
Werke sehr zustatten gekommen; seine Berichtigungen und Ergänzungen zum Text
erhöhen den Wert des schönen Buches. — Andere Werke Fontanes sind neu
herausgekommen in Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane (S. Fischer Verlag.
Berlin, Preis je 1 Mary: „L'Adultera", „Cecile", „Irrungen Wirrungen",
„Frau Jenny Treibel". Diese billigen Ausgaben mögen der großen Gemeinde
Fontanes viele neuen Freunde zuführen.
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