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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Briefe aus China

Großes, so Ungeheueres geleistet wie er. Die Einnahmen durch die Seezölle
sind die einzigen sicher geregelten Einnahmen des Reiches. Seine Wohnung
zeichnet sich durch puritanische Einfachheit aus: Fenster ohne Gardine", Türen
ohne Portieren, Möbel in weißen Überzügen, im Tanzsaal zwei einfache Bücher¬
regale. An den Wänden einige Stahlstiche und Photographien, nirgends auch
nur ein einziges Stück chinesischer Kunst und Industrie. Ich bewundere und
ich bedauere ihn.

Um die Mittagszeit ist unser Haus stets belagert von Händlern aller Art,
die dann einer nach dem anderen ins Vorzimmer kommen und ihre Schätze aus¬
breiten. Die Kerle sind von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit und ihre
Waren oft derart, daß einem das Stoßgebet: "Führe uns nicht in Versuchung"
auf die Lippen kommt. Nur gute Seidenstickereien haben wir bisher leider nicht
auftreiben können -- die werden immer seltener und die Preise immer unerschwing¬
licher. Dagegen habe ich mir eine Büchersammlung, besonders Mandschudrucke,
die jetzt sehr rar sind, angelegt, die sich sehen lassen kann, und noch dazu für
einen Spottpreis. Vor mehreren Jahren wurde der Berliner Königlichen Bibliothek
eine Sammlung von Mandschndrucken angeboten, die kaum den Wert der meinen
hatte. Der Preis betrug 12000 Mark, während ich für meine Bücher 500 Mark
bezahlt habe. Wenn man mir eine vernünftige Summe angewiesen hätte, könnte
ich hier für unser Museum sür wenig Geld herrliche Sachen kaufen. Mit
6000 Mark kommt man natürlich nicht allzu weit. Dem Preußischen Staate
in untertänigen Gesuchen meine Dienste anzubieten, habe ich nun aber nicht die
mindeste Veranlassung nach allem, was ich ihm verdanke. Wünscht man etwas
von nur, so mag man mich bitten. Ich brauchte jetzt nur einen Schritt zu tun,
so könnte ich hier eine Stelle, die mir gar nicht übel zusagen würde, mit einem
Jahresgehalt von 20000 Mark bekommen, statt pour le roi cle prusss zu
arbeiten, wie mir noch vor wenigen Tagen gesagt wurde. Geistige Arbeit wird
in China nicht wie im Rechtsstaate Preußen als Kuliarbelt geschätzt, auch gibt
es hier miaute keine Wirkliche Geheime Ober-Regiernngsräte, von denen sich
Professoren wie Kukis behandeln lassen müssen . . .




An seinen Paten Dr. William Higginbotham.

Peking, 2. Januar 1898.


Mein hochverehrter, lieber Papst!

Das war wieder einmal ein reizender Einfall von Dir, uns -- wenn auch
in ekkiZie -- in Peking zu besuchen, und wenn Du am Weihnachtsabend meine
Freude darüber Hüttest sehen können, hättest Du Dich gewiß für die Strapazen
der Reise und des Briefschreibens belohnt gefühlt. Dein Konterfei, das übrigens
gar nicht ähnlicher hätte ausfallen können, ist nachgerade eine Art Neklameartikel
bei uns geworden, ich renommiere mit Dir gegen jedermann und habe sogar
neulich meinem Chinesen einen regelrechten chinesischen Vortrag über Dich gehalten.
Ich bin wirklich stolz darauf, in der Wahl meiner Taufeltern so vorsichtig


Briefe aus China

Großes, so Ungeheueres geleistet wie er. Die Einnahmen durch die Seezölle
sind die einzigen sicher geregelten Einnahmen des Reiches. Seine Wohnung
zeichnet sich durch puritanische Einfachheit aus: Fenster ohne Gardine», Türen
ohne Portieren, Möbel in weißen Überzügen, im Tanzsaal zwei einfache Bücher¬
regale. An den Wänden einige Stahlstiche und Photographien, nirgends auch
nur ein einziges Stück chinesischer Kunst und Industrie. Ich bewundere und
ich bedauere ihn.

Um die Mittagszeit ist unser Haus stets belagert von Händlern aller Art,
die dann einer nach dem anderen ins Vorzimmer kommen und ihre Schätze aus¬
breiten. Die Kerle sind von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit und ihre
Waren oft derart, daß einem das Stoßgebet: „Führe uns nicht in Versuchung"
auf die Lippen kommt. Nur gute Seidenstickereien haben wir bisher leider nicht
auftreiben können — die werden immer seltener und die Preise immer unerschwing¬
licher. Dagegen habe ich mir eine Büchersammlung, besonders Mandschudrucke,
die jetzt sehr rar sind, angelegt, die sich sehen lassen kann, und noch dazu für
einen Spottpreis. Vor mehreren Jahren wurde der Berliner Königlichen Bibliothek
eine Sammlung von Mandschndrucken angeboten, die kaum den Wert der meinen
hatte. Der Preis betrug 12000 Mark, während ich für meine Bücher 500 Mark
bezahlt habe. Wenn man mir eine vernünftige Summe angewiesen hätte, könnte
ich hier für unser Museum sür wenig Geld herrliche Sachen kaufen. Mit
6000 Mark kommt man natürlich nicht allzu weit. Dem Preußischen Staate
in untertänigen Gesuchen meine Dienste anzubieten, habe ich nun aber nicht die
mindeste Veranlassung nach allem, was ich ihm verdanke. Wünscht man etwas
von nur, so mag man mich bitten. Ich brauchte jetzt nur einen Schritt zu tun,
so könnte ich hier eine Stelle, die mir gar nicht übel zusagen würde, mit einem
Jahresgehalt von 20000 Mark bekommen, statt pour le roi cle prusss zu
arbeiten, wie mir noch vor wenigen Tagen gesagt wurde. Geistige Arbeit wird
in China nicht wie im Rechtsstaate Preußen als Kuliarbelt geschätzt, auch gibt
es hier miaute keine Wirkliche Geheime Ober-Regiernngsräte, von denen sich
Professoren wie Kukis behandeln lassen müssen . . .




An seinen Paten Dr. William Higginbotham.

Peking, 2. Januar 1898.


Mein hochverehrter, lieber Papst!

Das war wieder einmal ein reizender Einfall von Dir, uns — wenn auch
in ekkiZie — in Peking zu besuchen, und wenn Du am Weihnachtsabend meine
Freude darüber Hüttest sehen können, hättest Du Dich gewiß für die Strapazen
der Reise und des Briefschreibens belohnt gefühlt. Dein Konterfei, das übrigens
gar nicht ähnlicher hätte ausfallen können, ist nachgerade eine Art Neklameartikel
bei uns geworden, ich renommiere mit Dir gegen jedermann und habe sogar
neulich meinem Chinesen einen regelrechten chinesischen Vortrag über Dich gehalten.
Ich bin wirklich stolz darauf, in der Wahl meiner Taufeltern so vorsichtig


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[0535] Briefe aus China Großes, so Ungeheueres geleistet wie er. Die Einnahmen durch die Seezölle sind die einzigen sicher geregelten Einnahmen des Reiches. Seine Wohnung zeichnet sich durch puritanische Einfachheit aus: Fenster ohne Gardine», Türen ohne Portieren, Möbel in weißen Überzügen, im Tanzsaal zwei einfache Bücher¬ regale. An den Wänden einige Stahlstiche und Photographien, nirgends auch nur ein einziges Stück chinesischer Kunst und Industrie. Ich bewundere und ich bedauere ihn. Um die Mittagszeit ist unser Haus stets belagert von Händlern aller Art, die dann einer nach dem anderen ins Vorzimmer kommen und ihre Schätze aus¬ breiten. Die Kerle sind von einer unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit und ihre Waren oft derart, daß einem das Stoßgebet: „Führe uns nicht in Versuchung" auf die Lippen kommt. Nur gute Seidenstickereien haben wir bisher leider nicht auftreiben können — die werden immer seltener und die Preise immer unerschwing¬ licher. Dagegen habe ich mir eine Büchersammlung, besonders Mandschudrucke, die jetzt sehr rar sind, angelegt, die sich sehen lassen kann, und noch dazu für einen Spottpreis. Vor mehreren Jahren wurde der Berliner Königlichen Bibliothek eine Sammlung von Mandschndrucken angeboten, die kaum den Wert der meinen hatte. Der Preis betrug 12000 Mark, während ich für meine Bücher 500 Mark bezahlt habe. Wenn man mir eine vernünftige Summe angewiesen hätte, könnte ich hier für unser Museum sür wenig Geld herrliche Sachen kaufen. Mit 6000 Mark kommt man natürlich nicht allzu weit. Dem Preußischen Staate in untertänigen Gesuchen meine Dienste anzubieten, habe ich nun aber nicht die mindeste Veranlassung nach allem, was ich ihm verdanke. Wünscht man etwas von nur, so mag man mich bitten. Ich brauchte jetzt nur einen Schritt zu tun, so könnte ich hier eine Stelle, die mir gar nicht übel zusagen würde, mit einem Jahresgehalt von 20000 Mark bekommen, statt pour le roi cle prusss zu arbeiten, wie mir noch vor wenigen Tagen gesagt wurde. Geistige Arbeit wird in China nicht wie im Rechtsstaate Preußen als Kuliarbelt geschätzt, auch gibt es hier miaute keine Wirkliche Geheime Ober-Regiernngsräte, von denen sich Professoren wie Kukis behandeln lassen müssen . . . An seinen Paten Dr. William Higginbotham. Peking, 2. Januar 1898. Mein hochverehrter, lieber Papst! Das war wieder einmal ein reizender Einfall von Dir, uns — wenn auch in ekkiZie — in Peking zu besuchen, und wenn Du am Weihnachtsabend meine Freude darüber Hüttest sehen können, hättest Du Dich gewiß für die Strapazen der Reise und des Briefschreibens belohnt gefühlt. Dein Konterfei, das übrigens gar nicht ähnlicher hätte ausfallen können, ist nachgerade eine Art Neklameartikel bei uns geworden, ich renommiere mit Dir gegen jedermann und habe sogar neulich meinem Chinesen einen regelrechten chinesischen Vortrag über Dich gehalten. Ich bin wirklich stolz darauf, in der Wahl meiner Taufeltern so vorsichtig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/535>, abgerufen am 26.06.2024.