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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Der Untergang des alten Lcamtenstaats

Großhandels oder überhaupt des Großkapitals. Es sind dies im all¬
gemeinen dieselben Kreise, aus denen sich gewisse Korps mit dem Rufe
besonderer Vornehmheit und die Reserveoffiziere der Kavallerie in der Haupt¬
sache ergänzen.

Ich habe hierauf bereits früher hingewiesen. Inzwischen hat auch Freiherr
v. Zedlitz (im Tag vom 29. November 1910) meine Ausführungen bestätigt.
Später spielte bei den erregten Auseinandersetzungen über die politische Stellung
und Tätigkeit der Landräte im Abgeordnetenhaus im Beginn der letzten Tagung
die Bevorzugung der Adligen und der konservativen Kreise bei der Besetzung der
wirklich regierenden Stellen in der Verwaltung eine große Rolle. Auch bei
diesen Erörterungen hat man vom Regierungstisch aus wieder, wie bei allen
früheren Gelegenheiten, alle derartigen Behauptungen ins Reich der Fabel ver¬
wiesen. Aber ich glaube, die Tatsache der Bevorzugung der genannten Kreise
in der Verwaltung kann wirklich nicht bestritten werden. Sie wird schon
bewiesen durch die Zahlen über die Herkunft der höheren Verwaltungsbeamten,
die man im Zusammenhang mit den ebenerwähnten parlamentarischen Erörterungen
in dankenswerter Weise amtlich selbst veröffentlicht hat, obwohl diese Zahlen kein
ganz treffendes Bild geben. So sind anscheinend alle Zentralbehörden und alle
ihre Beamten, auch die technischen, berücksichtigt; es kommt hier aber nur auf
die Zentralbehörden an, die mit Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung
befaßt sind, und auf die nichttechnischen Beamten. Außerdem unterscheiden die
amtlichen Angaben bei den Zentralbehörden nur zwischen adligen und bürger¬
lichen Beamten und geben den Beruf der Väter nicht an. Indessen zeigen auch
schon diese lückenhaften Zahlen, daß da, wo es auf entsagende Arbeit im stillen
Amtszimmer ankommt, der Adel auffallend zurücktritt; von 28 Ministerial¬
direktoren waren nur 6 und von 45 Oberverwaltungsgerichtsräten nur
4 adlig!

Bei den Beamten der Proviuzialbehörden vermißt man eine Angabe, wie¬
viele bürgerliche Beamten aus Großgrundbesitzerfamilien stammen, da diese Kreise
infolge ihrer übereinstimmenden politischen und wirtschaftlichen Anschauungen
und Bestrebungen hier ohne weiteres und ausnahmslos dem Grundadel
und überhaupt dem Adel hinzugerechnet werden müssen. Ferner entspricht
es nicht den wirklichen Verhältnissen, daß man die sämtlichen Ober¬
regierungsräte zusammengefaßt hat. Man hätte vielmehr die Oberregierungs¬
räte bei den Oberpräsidenten und die Oberregierungsräte, die Stellvertreter
der Regierungspräsidenten sind, von den anderen Oberregierungspräsidenten
trennen müssen.

Aber auch schon jetzt wird die nachstehende Zusammenstellung, die ich auf
Grund der amtlichen Angaben wenigstens für die Provinzialbehörden habe
anfertigen können, meine Behauptung rechtfertigen, daß ein kleiner, aus bestimmten
Kreisen stammender Teil dieser Beamten von der Mehrheit entschieden bevor¬
zugt wird.


Der Untergang des alten Lcamtenstaats

Großhandels oder überhaupt des Großkapitals. Es sind dies im all¬
gemeinen dieselben Kreise, aus denen sich gewisse Korps mit dem Rufe
besonderer Vornehmheit und die Reserveoffiziere der Kavallerie in der Haupt¬
sache ergänzen.

Ich habe hierauf bereits früher hingewiesen. Inzwischen hat auch Freiherr
v. Zedlitz (im Tag vom 29. November 1910) meine Ausführungen bestätigt.
Später spielte bei den erregten Auseinandersetzungen über die politische Stellung
und Tätigkeit der Landräte im Abgeordnetenhaus im Beginn der letzten Tagung
die Bevorzugung der Adligen und der konservativen Kreise bei der Besetzung der
wirklich regierenden Stellen in der Verwaltung eine große Rolle. Auch bei
diesen Erörterungen hat man vom Regierungstisch aus wieder, wie bei allen
früheren Gelegenheiten, alle derartigen Behauptungen ins Reich der Fabel ver¬
wiesen. Aber ich glaube, die Tatsache der Bevorzugung der genannten Kreise
in der Verwaltung kann wirklich nicht bestritten werden. Sie wird schon
bewiesen durch die Zahlen über die Herkunft der höheren Verwaltungsbeamten,
die man im Zusammenhang mit den ebenerwähnten parlamentarischen Erörterungen
in dankenswerter Weise amtlich selbst veröffentlicht hat, obwohl diese Zahlen kein
ganz treffendes Bild geben. So sind anscheinend alle Zentralbehörden und alle
ihre Beamten, auch die technischen, berücksichtigt; es kommt hier aber nur auf
die Zentralbehörden an, die mit Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung
befaßt sind, und auf die nichttechnischen Beamten. Außerdem unterscheiden die
amtlichen Angaben bei den Zentralbehörden nur zwischen adligen und bürger¬
lichen Beamten und geben den Beruf der Väter nicht an. Indessen zeigen auch
schon diese lückenhaften Zahlen, daß da, wo es auf entsagende Arbeit im stillen
Amtszimmer ankommt, der Adel auffallend zurücktritt; von 28 Ministerial¬
direktoren waren nur 6 und von 45 Oberverwaltungsgerichtsräten nur
4 adlig!

Bei den Beamten der Proviuzialbehörden vermißt man eine Angabe, wie¬
viele bürgerliche Beamten aus Großgrundbesitzerfamilien stammen, da diese Kreise
infolge ihrer übereinstimmenden politischen und wirtschaftlichen Anschauungen
und Bestrebungen hier ohne weiteres und ausnahmslos dem Grundadel
und überhaupt dem Adel hinzugerechnet werden müssen. Ferner entspricht
es nicht den wirklichen Verhältnissen, daß man die sämtlichen Ober¬
regierungsräte zusammengefaßt hat. Man hätte vielmehr die Oberregierungs¬
räte bei den Oberpräsidenten und die Oberregierungsräte, die Stellvertreter
der Regierungspräsidenten sind, von den anderen Oberregierungspräsidenten
trennen müssen.

Aber auch schon jetzt wird die nachstehende Zusammenstellung, die ich auf
Grund der amtlichen Angaben wenigstens für die Provinzialbehörden habe
anfertigen können, meine Behauptung rechtfertigen, daß ein kleiner, aus bestimmten
Kreisen stammender Teil dieser Beamten von der Mehrheit entschieden bevor¬
zugt wird.


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[0334] Der Untergang des alten Lcamtenstaats Großhandels oder überhaupt des Großkapitals. Es sind dies im all¬ gemeinen dieselben Kreise, aus denen sich gewisse Korps mit dem Rufe besonderer Vornehmheit und die Reserveoffiziere der Kavallerie in der Haupt¬ sache ergänzen. Ich habe hierauf bereits früher hingewiesen. Inzwischen hat auch Freiherr v. Zedlitz (im Tag vom 29. November 1910) meine Ausführungen bestätigt. Später spielte bei den erregten Auseinandersetzungen über die politische Stellung und Tätigkeit der Landräte im Abgeordnetenhaus im Beginn der letzten Tagung die Bevorzugung der Adligen und der konservativen Kreise bei der Besetzung der wirklich regierenden Stellen in der Verwaltung eine große Rolle. Auch bei diesen Erörterungen hat man vom Regierungstisch aus wieder, wie bei allen früheren Gelegenheiten, alle derartigen Behauptungen ins Reich der Fabel ver¬ wiesen. Aber ich glaube, die Tatsache der Bevorzugung der genannten Kreise in der Verwaltung kann wirklich nicht bestritten werden. Sie wird schon bewiesen durch die Zahlen über die Herkunft der höheren Verwaltungsbeamten, die man im Zusammenhang mit den ebenerwähnten parlamentarischen Erörterungen in dankenswerter Weise amtlich selbst veröffentlicht hat, obwohl diese Zahlen kein ganz treffendes Bild geben. So sind anscheinend alle Zentralbehörden und alle ihre Beamten, auch die technischen, berücksichtigt; es kommt hier aber nur auf die Zentralbehörden an, die mit Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung befaßt sind, und auf die nichttechnischen Beamten. Außerdem unterscheiden die amtlichen Angaben bei den Zentralbehörden nur zwischen adligen und bürger¬ lichen Beamten und geben den Beruf der Väter nicht an. Indessen zeigen auch schon diese lückenhaften Zahlen, daß da, wo es auf entsagende Arbeit im stillen Amtszimmer ankommt, der Adel auffallend zurücktritt; von 28 Ministerial¬ direktoren waren nur 6 und von 45 Oberverwaltungsgerichtsräten nur 4 adlig! Bei den Beamten der Proviuzialbehörden vermißt man eine Angabe, wie¬ viele bürgerliche Beamten aus Großgrundbesitzerfamilien stammen, da diese Kreise infolge ihrer übereinstimmenden politischen und wirtschaftlichen Anschauungen und Bestrebungen hier ohne weiteres und ausnahmslos dem Grundadel und überhaupt dem Adel hinzugerechnet werden müssen. Ferner entspricht es nicht den wirklichen Verhältnissen, daß man die sämtlichen Ober¬ regierungsräte zusammengefaßt hat. Man hätte vielmehr die Oberregierungs¬ räte bei den Oberpräsidenten und die Oberregierungsräte, die Stellvertreter der Regierungspräsidenten sind, von den anderen Oberregierungspräsidenten trennen müssen. Aber auch schon jetzt wird die nachstehende Zusammenstellung, die ich auf Grund der amtlichen Angaben wenigstens für die Provinzialbehörden habe anfertigen können, meine Behauptung rechtfertigen, daß ein kleiner, aus bestimmten Kreisen stammender Teil dieser Beamten von der Mehrheit entschieden bevor¬ zugt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/334>, abgerufen am 26.08.2024.