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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das neue Kamerun

dem entsprechenden Teil von Kamerun, schwer beizukommen ist, so können wir
es zunächst bei der Eröterung der Eatwicklungsmöglichkeiten unserer Kolonie
füglich außer Betracht lassen. Unsere Kolonialwirtschaft hat zunächst im Süden
und Norden des Landes ein weites Feld der Betätigung.

Der Norden von Kamerun, Nord-Adamaua und die Tschadseeländer, gelten
als außerordentlich zukunftsreich. Das Gebiet ist im wesentlichen ein trockenes
Steppenland, das aber strichweise fruchtbaren Alluvialboden aufweist, auf dem
schon lange von den Eingeborenen Baumwolle, Reis und Tabak gebaut wird.
Verschiedene Reisende, so z. B. der verstorbene Major Dominik, erzählen, daß
sie tagelang durch Baumwollfelder geritten seien. Außerdem wird hier eifrig
Vieh- und Pferdezucht getrieben, und die Viehbestände sollen außerordentlich
groß sein. Die Bewohner sind mohammedanische Fulla, ein hamitisches Neiter-
volk, das einst den ganzen Westsudan und Kamerun bis zum Sanaga beherrschte.
In Kamerun reichen ihre Wohnsitze von Süden her über den Berne hinüber
und um das Mandaragebirge herum. Die große Fullastadt Marua, östlich
vom Mandaragebirge ist eine der blühendsten Siedlungen in ^der Kolonie.
Dann kommt eine Region, in der mohammedanische Negerstämme wohnen, und
um den Tschadsee herum liegen die Araberstaaten von Bornu, die nur ^noch
dem Namen nach existieren, aber einst unter Rades in höchster Blüte standen
und ein echt islamitisches Kulturzentrum waren. Nachdem diese Reiche zerfallen
sind, hat auch der früher rege Handelsverkehr mit dem Sudan bis nach Tri-
politanien wesentlich nachgelassen. Eine Eisenbahn könnte ihn zu neuem Leben
erwecken und nach unserer Kuste leiten. Im Osten der Tschadseeländer, im Strom¬
gebiet des Logone, wohnen Negerstämme, die vermöge ihrer unzugänglichen Wohn¬
sitze mit Erfolg den Angriffen der sklavenjagenden Fulla zu widerstehen vermochten.
So primitiv diese Menschen, die noch ganz nackt gehen, aussehen, so haben sie doch
unter demZwang der Not ihrLand intensiv bebaut. Jeder Fußb reite Boden ist aus¬
genützt und sogar gedüngt, was in Afrika eine Seltenheit ist. Überdies verfügen
diese heidnischen Neger, die Musgum, über gewaltige Viehherden. Es ist wohl
das am dichtesten bevölkerte Gebiet in ganz Kamerun. Das Land östlich vom
Logone, der sogenannte Entenschnabel, fällt jetzt an Frankreich, dagegen bekommen
wir südwärts das ganze Land westlich vom Logone, das ebenfalls außerordentlich
reich an Vieh ist. Da die Hauptsitze der am Logone wohnenden Negerstämme,
die beiden Städte Musgum und Maia auf dem Ostufer des Logone liegen, so
wird es in nächster Zeit eine Hauptaufgabe unserer örtlichen Verwaltungsbehörden
sein, die Leute zum Übertritt auf deutsches Gebiet zu bewegen, wie wir dies
seinerzeit bei der Grenzregulierung mit Erfolg bei der benachbarten Stadt
Binder getan haben. So eine Negerstadt ist ja schnell abgebrochen und an
anderer Stelle wieder aufgestellt und die Umfassungsmauern von Lehm sind ja jetzt
unter deutscher Herrschaft nicht mehr nötig, denn die Fulla sind von uns gebändigt.

Sehr bedauerlich ist gerade jetzt, daß unsere Kameruner Nordbahn noch
nicht weiter als 160 Kilometer gediehen ist. Freilich wird gegenwärtig der


Das neue Kamerun

dem entsprechenden Teil von Kamerun, schwer beizukommen ist, so können wir
es zunächst bei der Eröterung der Eatwicklungsmöglichkeiten unserer Kolonie
füglich außer Betracht lassen. Unsere Kolonialwirtschaft hat zunächst im Süden
und Norden des Landes ein weites Feld der Betätigung.

Der Norden von Kamerun, Nord-Adamaua und die Tschadseeländer, gelten
als außerordentlich zukunftsreich. Das Gebiet ist im wesentlichen ein trockenes
Steppenland, das aber strichweise fruchtbaren Alluvialboden aufweist, auf dem
schon lange von den Eingeborenen Baumwolle, Reis und Tabak gebaut wird.
Verschiedene Reisende, so z. B. der verstorbene Major Dominik, erzählen, daß
sie tagelang durch Baumwollfelder geritten seien. Außerdem wird hier eifrig
Vieh- und Pferdezucht getrieben, und die Viehbestände sollen außerordentlich
groß sein. Die Bewohner sind mohammedanische Fulla, ein hamitisches Neiter-
volk, das einst den ganzen Westsudan und Kamerun bis zum Sanaga beherrschte.
In Kamerun reichen ihre Wohnsitze von Süden her über den Berne hinüber
und um das Mandaragebirge herum. Die große Fullastadt Marua, östlich
vom Mandaragebirge ist eine der blühendsten Siedlungen in ^der Kolonie.
Dann kommt eine Region, in der mohammedanische Negerstämme wohnen, und
um den Tschadsee herum liegen die Araberstaaten von Bornu, die nur ^noch
dem Namen nach existieren, aber einst unter Rades in höchster Blüte standen
und ein echt islamitisches Kulturzentrum waren. Nachdem diese Reiche zerfallen
sind, hat auch der früher rege Handelsverkehr mit dem Sudan bis nach Tri-
politanien wesentlich nachgelassen. Eine Eisenbahn könnte ihn zu neuem Leben
erwecken und nach unserer Kuste leiten. Im Osten der Tschadseeländer, im Strom¬
gebiet des Logone, wohnen Negerstämme, die vermöge ihrer unzugänglichen Wohn¬
sitze mit Erfolg den Angriffen der sklavenjagenden Fulla zu widerstehen vermochten.
So primitiv diese Menschen, die noch ganz nackt gehen, aussehen, so haben sie doch
unter demZwang der Not ihrLand intensiv bebaut. Jeder Fußb reite Boden ist aus¬
genützt und sogar gedüngt, was in Afrika eine Seltenheit ist. Überdies verfügen
diese heidnischen Neger, die Musgum, über gewaltige Viehherden. Es ist wohl
das am dichtesten bevölkerte Gebiet in ganz Kamerun. Das Land östlich vom
Logone, der sogenannte Entenschnabel, fällt jetzt an Frankreich, dagegen bekommen
wir südwärts das ganze Land westlich vom Logone, das ebenfalls außerordentlich
reich an Vieh ist. Da die Hauptsitze der am Logone wohnenden Negerstämme,
die beiden Städte Musgum und Maia auf dem Ostufer des Logone liegen, so
wird es in nächster Zeit eine Hauptaufgabe unserer örtlichen Verwaltungsbehörden
sein, die Leute zum Übertritt auf deutsches Gebiet zu bewegen, wie wir dies
seinerzeit bei der Grenzregulierung mit Erfolg bei der benachbarten Stadt
Binder getan haben. So eine Negerstadt ist ja schnell abgebrochen und an
anderer Stelle wieder aufgestellt und die Umfassungsmauern von Lehm sind ja jetzt
unter deutscher Herrschaft nicht mehr nötig, denn die Fulla sind von uns gebändigt.

Sehr bedauerlich ist gerade jetzt, daß unsere Kameruner Nordbahn noch
nicht weiter als 160 Kilometer gediehen ist. Freilich wird gegenwärtig der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/318>, abgerufen am 26.08.2024.