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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das neue Kamerun

Gegenden, deren Bestände an Kautschuk liefernden Pflanzen früher gründlich
vernichtet worden sind, sich inzwischen wieder neue Bestände entwickelt haben,
und so wird es auch in andern Gegenden gehen. Übrigens wird jetzt nicht
mehr so sinnlos wie früher gewüstet; die Neger werden von den Behörden
angehalten, die Kautschukpflanzen beim Abzapfen des Saftes zu schonen, und zur
Belehrung der Eingeborenen sind sogar besondere Kauschukkommissare angestellt.
Nun !noch eins: in einem Lande, wo der Kautschuk in solchen Mengen wild
vorkommt, muß er sich auch in großem Umfang pflanzen lassen.

All' dies gilt gleichermaßen für den französischen Kongo und die Teile,
die wir davon bekommen. Es mag ja wohl sein, daß das Land an einigen
Stellen mehr ausgepauvert ist, als in manchen Gegenden Südkameruns.
Aber -- fragen wir -- werden denn unsere Kolonien lediglich zu dem Zweck
erworben, damit wir Raubbau treiben können? Wir meinen doch, das; wir
daneben mit den Kolonien auch kulturelle Zwecke verfolgen! Es wäre freilich
vom finanziellen Standpunkt viel angenehmer, wenn wir unser Stück Kongoland
in jungfräulichen Zustande bekommen hätten, aber das Entscheidende bei dem
ganzen Handel ist dies nicht. Wenn augenblicklich wenig wilder Kautschuk mehr da
sein sollte, so ist dies nur eine vorübergehende Entwertung. Übrigens ist das
nicht überall der Fall; ich weiß z. B. von einem Landeskundigen, daß es am
Kaden und Sanga, westlich von Baltia noch sehr viel Kautschuk geben soll.

Schließlich wird es doch wohl einmal im Laufe späterer Entwicklung dahin
kommen, daß der Wald und mit ihm die Kautschukbestände, der natürliche Reichtum
des Landes, in geregelter Forstwirtschaft ausgenützt, sich immer wieder erneuern
werden. Inzwischen wird man noch andere Produkte einzubürgern versuchen,
z. B. Ölfrüchte, Reis und dergleichen mehr. Man weiß ja noch gar nicht, wozu
das Land, wenn es planmäßig erschlossen ist, gut fein wird. Also das
Gebiet, das wir im Süden und Südosten bekommen haben, ist sicherlich nicht
schlechter, als unser Südkamerun, und unsere Südkameruner Handelsfirmen sind
sehr vergnügt über den Zuwachs; von einer Firma, zufällig einer englischen,
habe ich neulich einen Brief gesehen, aus dem die Freude darüber spricht, daß
das Land aus der faulen französischen Verwaltung in die solide und gerechte
deutsche übergeht.

Schade ist ja, daß ein erheblicher Teil des Gebiets in Händen französischer
Konzessionsgesellschaften sich befindet; ihre Verträge laufen von 1899 auf 30 Jahre
gegen eine Gebühr und 15 Prozent Gewinnanteil für den Fiskus. Die Gesell¬
schaften verpflichten sich, innerhalb einer bestimmten Frist das Land zu erschließen.
Um nun den letzteren Punkt kontrollieren zu können, müßte man mehr Material
haben, als uns gegenwärtig zur Verfügung steht. Aber soviel läßt sich schon
jetzt erkennen, daß es bei einiger Energie gelingen dürfte, uns einige der Gesell¬
schaften billig vom Halse zu schaffen.

Der mittlere Teil des Gebiets, das uns zufällt, ist noch ganz unerschlossen
und, soviel bis jetzt bekannt ist, ziemlich menschenarm. Da ihm vorläufig, wie


Das neue Kamerun

Gegenden, deren Bestände an Kautschuk liefernden Pflanzen früher gründlich
vernichtet worden sind, sich inzwischen wieder neue Bestände entwickelt haben,
und so wird es auch in andern Gegenden gehen. Übrigens wird jetzt nicht
mehr so sinnlos wie früher gewüstet; die Neger werden von den Behörden
angehalten, die Kautschukpflanzen beim Abzapfen des Saftes zu schonen, und zur
Belehrung der Eingeborenen sind sogar besondere Kauschukkommissare angestellt.
Nun !noch eins: in einem Lande, wo der Kautschuk in solchen Mengen wild
vorkommt, muß er sich auch in großem Umfang pflanzen lassen.

All' dies gilt gleichermaßen für den französischen Kongo und die Teile,
die wir davon bekommen. Es mag ja wohl sein, daß das Land an einigen
Stellen mehr ausgepauvert ist, als in manchen Gegenden Südkameruns.
Aber — fragen wir — werden denn unsere Kolonien lediglich zu dem Zweck
erworben, damit wir Raubbau treiben können? Wir meinen doch, das; wir
daneben mit den Kolonien auch kulturelle Zwecke verfolgen! Es wäre freilich
vom finanziellen Standpunkt viel angenehmer, wenn wir unser Stück Kongoland
in jungfräulichen Zustande bekommen hätten, aber das Entscheidende bei dem
ganzen Handel ist dies nicht. Wenn augenblicklich wenig wilder Kautschuk mehr da
sein sollte, so ist dies nur eine vorübergehende Entwertung. Übrigens ist das
nicht überall der Fall; ich weiß z. B. von einem Landeskundigen, daß es am
Kaden und Sanga, westlich von Baltia noch sehr viel Kautschuk geben soll.

Schließlich wird es doch wohl einmal im Laufe späterer Entwicklung dahin
kommen, daß der Wald und mit ihm die Kautschukbestände, der natürliche Reichtum
des Landes, in geregelter Forstwirtschaft ausgenützt, sich immer wieder erneuern
werden. Inzwischen wird man noch andere Produkte einzubürgern versuchen,
z. B. Ölfrüchte, Reis und dergleichen mehr. Man weiß ja noch gar nicht, wozu
das Land, wenn es planmäßig erschlossen ist, gut fein wird. Also das
Gebiet, das wir im Süden und Südosten bekommen haben, ist sicherlich nicht
schlechter, als unser Südkamerun, und unsere Südkameruner Handelsfirmen sind
sehr vergnügt über den Zuwachs; von einer Firma, zufällig einer englischen,
habe ich neulich einen Brief gesehen, aus dem die Freude darüber spricht, daß
das Land aus der faulen französischen Verwaltung in die solide und gerechte
deutsche übergeht.

Schade ist ja, daß ein erheblicher Teil des Gebiets in Händen französischer
Konzessionsgesellschaften sich befindet; ihre Verträge laufen von 1899 auf 30 Jahre
gegen eine Gebühr und 15 Prozent Gewinnanteil für den Fiskus. Die Gesell¬
schaften verpflichten sich, innerhalb einer bestimmten Frist das Land zu erschließen.
Um nun den letzteren Punkt kontrollieren zu können, müßte man mehr Material
haben, als uns gegenwärtig zur Verfügung steht. Aber soviel läßt sich schon
jetzt erkennen, daß es bei einiger Energie gelingen dürfte, uns einige der Gesell¬
schaften billig vom Halse zu schaffen.

Der mittlere Teil des Gebiets, das uns zufällt, ist noch ganz unerschlossen
und, soviel bis jetzt bekannt ist, ziemlich menschenarm. Da ihm vorläufig, wie


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[0317] Das neue Kamerun Gegenden, deren Bestände an Kautschuk liefernden Pflanzen früher gründlich vernichtet worden sind, sich inzwischen wieder neue Bestände entwickelt haben, und so wird es auch in andern Gegenden gehen. Übrigens wird jetzt nicht mehr so sinnlos wie früher gewüstet; die Neger werden von den Behörden angehalten, die Kautschukpflanzen beim Abzapfen des Saftes zu schonen, und zur Belehrung der Eingeborenen sind sogar besondere Kauschukkommissare angestellt. Nun !noch eins: in einem Lande, wo der Kautschuk in solchen Mengen wild vorkommt, muß er sich auch in großem Umfang pflanzen lassen. All' dies gilt gleichermaßen für den französischen Kongo und die Teile, die wir davon bekommen. Es mag ja wohl sein, daß das Land an einigen Stellen mehr ausgepauvert ist, als in manchen Gegenden Südkameruns. Aber — fragen wir — werden denn unsere Kolonien lediglich zu dem Zweck erworben, damit wir Raubbau treiben können? Wir meinen doch, das; wir daneben mit den Kolonien auch kulturelle Zwecke verfolgen! Es wäre freilich vom finanziellen Standpunkt viel angenehmer, wenn wir unser Stück Kongoland in jungfräulichen Zustande bekommen hätten, aber das Entscheidende bei dem ganzen Handel ist dies nicht. Wenn augenblicklich wenig wilder Kautschuk mehr da sein sollte, so ist dies nur eine vorübergehende Entwertung. Übrigens ist das nicht überall der Fall; ich weiß z. B. von einem Landeskundigen, daß es am Kaden und Sanga, westlich von Baltia noch sehr viel Kautschuk geben soll. Schließlich wird es doch wohl einmal im Laufe späterer Entwicklung dahin kommen, daß der Wald und mit ihm die Kautschukbestände, der natürliche Reichtum des Landes, in geregelter Forstwirtschaft ausgenützt, sich immer wieder erneuern werden. Inzwischen wird man noch andere Produkte einzubürgern versuchen, z. B. Ölfrüchte, Reis und dergleichen mehr. Man weiß ja noch gar nicht, wozu das Land, wenn es planmäßig erschlossen ist, gut fein wird. Also das Gebiet, das wir im Süden und Südosten bekommen haben, ist sicherlich nicht schlechter, als unser Südkamerun, und unsere Südkameruner Handelsfirmen sind sehr vergnügt über den Zuwachs; von einer Firma, zufällig einer englischen, habe ich neulich einen Brief gesehen, aus dem die Freude darüber spricht, daß das Land aus der faulen französischen Verwaltung in die solide und gerechte deutsche übergeht. Schade ist ja, daß ein erheblicher Teil des Gebiets in Händen französischer Konzessionsgesellschaften sich befindet; ihre Verträge laufen von 1899 auf 30 Jahre gegen eine Gebühr und 15 Prozent Gewinnanteil für den Fiskus. Die Gesell¬ schaften verpflichten sich, innerhalb einer bestimmten Frist das Land zu erschließen. Um nun den letzteren Punkt kontrollieren zu können, müßte man mehr Material haben, als uns gegenwärtig zur Verfügung steht. Aber soviel läßt sich schon jetzt erkennen, daß es bei einiger Energie gelingen dürfte, uns einige der Gesell¬ schaften billig vom Halse zu schaffen. Der mittlere Teil des Gebiets, das uns zufällt, ist noch ganz unerschlossen und, soviel bis jetzt bekannt ist, ziemlich menschenarm. Da ihm vorläufig, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/317>, abgerufen am 23.07.2024.