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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das neue Kamerun

diesen Strömen aus. Immerhin können wir an diese Wasserstraßen heran
und erhalten außerdem die Ufer des aus unserer Kolonie kommenden Sanga-
Snstems fast ganz.

Nun darf man allerdings die Vorteile des Anschlusses an den Kongoweg
nicht überschätzen, und ich kann jedenfalls dem im Reichsspiegel des vorletzten
Hefts Gesagten nicht in vollem Umfange beistimmen, namentlich nicht den Aus¬
blicken des Herrn Emil Zimmermann. Das Stromsystem des Kongo ist gewiß
ein Wirtschaftsgebiet mit gewaltiger Bedeutung für die Menschheit -- ob aber
gerade für uns Deutsche, ist wieder eine andere Frage. Ich habe schon im
letzten Jahrgang bei Erörterung der damals aktuellen Revision der Kongoakte
darauf hingewiesen, daß nur derjenige das Wirtschaftsleben nachhaltig beein¬
flussen kann, der im Lande die politische Macht in Händen hat. Und ich habe
damals auch authentisches amtliches Material belgischer Herkunft dafür bei¬
gebracht, daß die Belgier gar nicht daran denken, die Handelsfreiheit am Kongo
in vollem Umfange praktisch werden zu lassen, sondern daß sie nur gezwungener¬
maßen papierene "Garantien" gegeben haben. Hervorragende Belgier in ma߬
gebenden Stellungen haben dieser Anschauung deutschen Unternehmern gegenüber
sogar unverblümt Ausdruck gegeben. Die paar "Konzessionsschulzen", die
natürlich auch nicht fehlen und da und dort ins Feld geführt werden, besagen
gegenüber der Macht der Tatsachen, wie sie das Gesamtwirtschaftsleben des
Kongobeckens bietet, herzlich wenig. Natürlich wünschen wir, daß der moralische
Einfluß des Anschlusses des deutschen Gebiets an den Kongo dem deutschen
Unternehmungsgeist mit der Zeit einen recht regen Anteil an der Aufschließung
der reichen Gebiete des Kongobeckens bescheren möge, aber das ist und bleibt
eine Sache für sich; der Kongohandel wird in der Hauptsache den Kongo hinabgehen,
und es ist kaum anzunehmen, daß ein wesentlicher Teil davon jemals auf spätere
deutsche Verkehrswege übergehen wird. Großafrikanische Verkehrsideen sind über¬
haupt noch Zukunftsmusik; vorläufig haben die Kolonialvölker auf lange hinaus
mit der Erschließung des eigenen Landes zu tun, wobei sie natürlich suchen
müssen, sich die Sache dadurch zu erleichtern, daß sie sich einen Anteil an den
großen natürlichen Wasserstraßen sichern.

Für uns ist also der Sinn des Kongoweges zunächst der, daß er uns
ermöglicht, an die südöstlichen Teile unserer Kolonie, zu denen wir direkte Ver¬
kehrswege noch nicht haben, heranzukommen und sie in weiterem Umfange zu
bearbeiten. Bisher schon ging der Verkehr mit der Südostecke Kameruns,
namentlich der Postverkehr, über den Kongo in den Sanga und seine Neben¬
flüsse. Nun ist dieser Weg, wenigstens insoweit, als der Durchzug durch fran¬
zösisches Gebiet in Wegfall kommt, in unseren Händen. Trotzdem kann es sich
im wesentlichen doch nur um ein Provisorium handeln, weil keine Möglichkeit
vorhanden ist, auf deutschen Verkehrswegen den Ozean zu gewinnen. Da der
Unterlauf des Kongo nicht schiffbar ist, so muß unser Handel wieder fremdes
Gebiet betreten und auf fremden Eisenbahnen, von einem fremden Hafen aus


Das neue Kamerun

diesen Strömen aus. Immerhin können wir an diese Wasserstraßen heran
und erhalten außerdem die Ufer des aus unserer Kolonie kommenden Sanga-
Snstems fast ganz.

Nun darf man allerdings die Vorteile des Anschlusses an den Kongoweg
nicht überschätzen, und ich kann jedenfalls dem im Reichsspiegel des vorletzten
Hefts Gesagten nicht in vollem Umfange beistimmen, namentlich nicht den Aus¬
blicken des Herrn Emil Zimmermann. Das Stromsystem des Kongo ist gewiß
ein Wirtschaftsgebiet mit gewaltiger Bedeutung für die Menschheit — ob aber
gerade für uns Deutsche, ist wieder eine andere Frage. Ich habe schon im
letzten Jahrgang bei Erörterung der damals aktuellen Revision der Kongoakte
darauf hingewiesen, daß nur derjenige das Wirtschaftsleben nachhaltig beein¬
flussen kann, der im Lande die politische Macht in Händen hat. Und ich habe
damals auch authentisches amtliches Material belgischer Herkunft dafür bei¬
gebracht, daß die Belgier gar nicht daran denken, die Handelsfreiheit am Kongo
in vollem Umfange praktisch werden zu lassen, sondern daß sie nur gezwungener¬
maßen papierene „Garantien" gegeben haben. Hervorragende Belgier in ma߬
gebenden Stellungen haben dieser Anschauung deutschen Unternehmern gegenüber
sogar unverblümt Ausdruck gegeben. Die paar „Konzessionsschulzen", die
natürlich auch nicht fehlen und da und dort ins Feld geführt werden, besagen
gegenüber der Macht der Tatsachen, wie sie das Gesamtwirtschaftsleben des
Kongobeckens bietet, herzlich wenig. Natürlich wünschen wir, daß der moralische
Einfluß des Anschlusses des deutschen Gebiets an den Kongo dem deutschen
Unternehmungsgeist mit der Zeit einen recht regen Anteil an der Aufschließung
der reichen Gebiete des Kongobeckens bescheren möge, aber das ist und bleibt
eine Sache für sich; der Kongohandel wird in der Hauptsache den Kongo hinabgehen,
und es ist kaum anzunehmen, daß ein wesentlicher Teil davon jemals auf spätere
deutsche Verkehrswege übergehen wird. Großafrikanische Verkehrsideen sind über¬
haupt noch Zukunftsmusik; vorläufig haben die Kolonialvölker auf lange hinaus
mit der Erschließung des eigenen Landes zu tun, wobei sie natürlich suchen
müssen, sich die Sache dadurch zu erleichtern, daß sie sich einen Anteil an den
großen natürlichen Wasserstraßen sichern.

Für uns ist also der Sinn des Kongoweges zunächst der, daß er uns
ermöglicht, an die südöstlichen Teile unserer Kolonie, zu denen wir direkte Ver¬
kehrswege noch nicht haben, heranzukommen und sie in weiterem Umfange zu
bearbeiten. Bisher schon ging der Verkehr mit der Südostecke Kameruns,
namentlich der Postverkehr, über den Kongo in den Sanga und seine Neben¬
flüsse. Nun ist dieser Weg, wenigstens insoweit, als der Durchzug durch fran¬
zösisches Gebiet in Wegfall kommt, in unseren Händen. Trotzdem kann es sich
im wesentlichen doch nur um ein Provisorium handeln, weil keine Möglichkeit
vorhanden ist, auf deutschen Verkehrswegen den Ozean zu gewinnen. Da der
Unterlauf des Kongo nicht schiffbar ist, so muß unser Handel wieder fremdes
Gebiet betreten und auf fremden Eisenbahnen, von einem fremden Hafen aus


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[0315] Das neue Kamerun diesen Strömen aus. Immerhin können wir an diese Wasserstraßen heran und erhalten außerdem die Ufer des aus unserer Kolonie kommenden Sanga- Snstems fast ganz. Nun darf man allerdings die Vorteile des Anschlusses an den Kongoweg nicht überschätzen, und ich kann jedenfalls dem im Reichsspiegel des vorletzten Hefts Gesagten nicht in vollem Umfange beistimmen, namentlich nicht den Aus¬ blicken des Herrn Emil Zimmermann. Das Stromsystem des Kongo ist gewiß ein Wirtschaftsgebiet mit gewaltiger Bedeutung für die Menschheit — ob aber gerade für uns Deutsche, ist wieder eine andere Frage. Ich habe schon im letzten Jahrgang bei Erörterung der damals aktuellen Revision der Kongoakte darauf hingewiesen, daß nur derjenige das Wirtschaftsleben nachhaltig beein¬ flussen kann, der im Lande die politische Macht in Händen hat. Und ich habe damals auch authentisches amtliches Material belgischer Herkunft dafür bei¬ gebracht, daß die Belgier gar nicht daran denken, die Handelsfreiheit am Kongo in vollem Umfange praktisch werden zu lassen, sondern daß sie nur gezwungener¬ maßen papierene „Garantien" gegeben haben. Hervorragende Belgier in ma߬ gebenden Stellungen haben dieser Anschauung deutschen Unternehmern gegenüber sogar unverblümt Ausdruck gegeben. Die paar „Konzessionsschulzen", die natürlich auch nicht fehlen und da und dort ins Feld geführt werden, besagen gegenüber der Macht der Tatsachen, wie sie das Gesamtwirtschaftsleben des Kongobeckens bietet, herzlich wenig. Natürlich wünschen wir, daß der moralische Einfluß des Anschlusses des deutschen Gebiets an den Kongo dem deutschen Unternehmungsgeist mit der Zeit einen recht regen Anteil an der Aufschließung der reichen Gebiete des Kongobeckens bescheren möge, aber das ist und bleibt eine Sache für sich; der Kongohandel wird in der Hauptsache den Kongo hinabgehen, und es ist kaum anzunehmen, daß ein wesentlicher Teil davon jemals auf spätere deutsche Verkehrswege übergehen wird. Großafrikanische Verkehrsideen sind über¬ haupt noch Zukunftsmusik; vorläufig haben die Kolonialvölker auf lange hinaus mit der Erschließung des eigenen Landes zu tun, wobei sie natürlich suchen müssen, sich die Sache dadurch zu erleichtern, daß sie sich einen Anteil an den großen natürlichen Wasserstraßen sichern. Für uns ist also der Sinn des Kongoweges zunächst der, daß er uns ermöglicht, an die südöstlichen Teile unserer Kolonie, zu denen wir direkte Ver¬ kehrswege noch nicht haben, heranzukommen und sie in weiterem Umfange zu bearbeiten. Bisher schon ging der Verkehr mit der Südostecke Kameruns, namentlich der Postverkehr, über den Kongo in den Sanga und seine Neben¬ flüsse. Nun ist dieser Weg, wenigstens insoweit, als der Durchzug durch fran¬ zösisches Gebiet in Wegfall kommt, in unseren Händen. Trotzdem kann es sich im wesentlichen doch nur um ein Provisorium handeln, weil keine Möglichkeit vorhanden ist, auf deutschen Verkehrswegen den Ozean zu gewinnen. Da der Unterlauf des Kongo nicht schiffbar ist, so muß unser Handel wieder fremdes Gebiet betreten und auf fremden Eisenbahnen, von einem fremden Hafen aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/315>, abgerufen am 23.07.2024.