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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Das neue Kamerun

Strom an verläuft die Urwaldgrenze ungefähr in östlicher Richtung ins Innere
des Landes, hinüber über die Grenze der Kolonie auf den Ubangi, einen
der Hauptzuflüsse des Kongo, zu, der mit seinem Oberlauf im Kongobecken
etwa die nördliche Grenze des Waldlandes bildet. Wo sich Waldland und Steppe
begegnen, greifen beide Formen ineinander, der Urwald wird lichter und ist
immer häufiger von Savannen unterbrochen, während in der Übergangszone
die Steppe da und dort noch Urwaldkomplexe oder einzelne charakteristische
Urwaldbäume aufweist. Im allgemeinen kann man sagen, daß das Land
nördlich einer zwischen der deutschen Station Jaunde und der französischen
Station Baugi gedachten Linie der Steppenregion angehört, demnach nur etwa
die Hälfte des deutsch-französischen Kompensationsgebiets in den regenreichen
und stellenweise sumpfigen Kongo-Urwald fällt.

Das Innere von Kamerun bildet ein 600 bis 1000 Meter hohes Hoch¬
land, das 50 bis 100 Kilometer hinter der Küste in zwei, teilweise allerdings
stark zerlegten Stufen aufsteigt. Der nördliche Rand des Hochlands ist zu
wildzerklüfteten, bis zu 3000 Meter hohen Gebirgen aufgewulstet und schroff
gegen das darunter in 200 bis 300 Metern Meereshöhe liegende Flachland,
die Landschaft Adamaua, abgesetzt. Im Osten und Südosten dacht es sich fast
unmerklich in das Kongobecken ab; ein Steilabsturz ist nicht zu beobachten,
vielmehr löst sich das Hochland hier in kleinere Höhenzüge auf, in welche die
Flußläufe tief eingeschnitten sind. Südwärts setzt es sich in einer Höhe von
400 bis 700 Metern bis zum Kongo und darüber hinaus fort.

Die Entwässerung des Hochlandes von Jnnerkamerun ist durch vier Ab¬
dachungen bedingt, die westlich nach den: Atlantischen Ozean, östlich und südlich
nach dem Kongo, nordöstlich nach dem Logone, Schari und Tschadsee und nördlich
und nordwestlich nach dem Venus-Niger führen.

Das Charakteristik"":: unserer Kolonie als Wirtschaftsgebiet ist nun, daß es
zwischen zwei gewaltigen Stromsystemen liegt, die wichtige Wasserstraßen nach
der Küste bilden, ohne daß wir verstanden haben, bei der Erwerbung des Landes
uns einen Anteil an diesen Wasserstraßen zu sichern. Erst durch den jetzigen
Kongovertrag mit Frankreich ist dieses Versäumnis bis zu einem gewissen Grade
für den Süden der Kolonie nachgeholt worden. Der Benus-Niger-Wasserweg,
der uns die Nutzbarmachung Adamauas und der Tschadseeländer ungemein
erleichtert hätte, ist uns verloren. Die Folge davon ist, daß wir gezwungen
sind, mit gewaltigen Kosten eine Eisenbahn nach dem Norden zu bauen, da
sonst der Handel dauernd auf dem Venus in englisches Gebiet abfließen würde.

Betrachten wir uns zunächst einmal die Gesamtlage des vergrößerten
Kamerun zu diesen Stromsystemen, so werden wir bei einem kurzen Blick auf
die Karte erkennen, daß unsere Kolonie durch den jetzt vollzogenen Anschluß an
den Kongo erst ihre natürliche Gestalt erhält, freilich nur unvollkommen, denn
wir werden ja nicht schlechtweg Anlieger des Kongo und seines großen Neben¬
flusses, des Ubangi, sondern strecken nur gewissermaßen zwei Fühler nach


Das neue Kamerun

Strom an verläuft die Urwaldgrenze ungefähr in östlicher Richtung ins Innere
des Landes, hinüber über die Grenze der Kolonie auf den Ubangi, einen
der Hauptzuflüsse des Kongo, zu, der mit seinem Oberlauf im Kongobecken
etwa die nördliche Grenze des Waldlandes bildet. Wo sich Waldland und Steppe
begegnen, greifen beide Formen ineinander, der Urwald wird lichter und ist
immer häufiger von Savannen unterbrochen, während in der Übergangszone
die Steppe da und dort noch Urwaldkomplexe oder einzelne charakteristische
Urwaldbäume aufweist. Im allgemeinen kann man sagen, daß das Land
nördlich einer zwischen der deutschen Station Jaunde und der französischen
Station Baugi gedachten Linie der Steppenregion angehört, demnach nur etwa
die Hälfte des deutsch-französischen Kompensationsgebiets in den regenreichen
und stellenweise sumpfigen Kongo-Urwald fällt.

Das Innere von Kamerun bildet ein 600 bis 1000 Meter hohes Hoch¬
land, das 50 bis 100 Kilometer hinter der Küste in zwei, teilweise allerdings
stark zerlegten Stufen aufsteigt. Der nördliche Rand des Hochlands ist zu
wildzerklüfteten, bis zu 3000 Meter hohen Gebirgen aufgewulstet und schroff
gegen das darunter in 200 bis 300 Metern Meereshöhe liegende Flachland,
die Landschaft Adamaua, abgesetzt. Im Osten und Südosten dacht es sich fast
unmerklich in das Kongobecken ab; ein Steilabsturz ist nicht zu beobachten,
vielmehr löst sich das Hochland hier in kleinere Höhenzüge auf, in welche die
Flußläufe tief eingeschnitten sind. Südwärts setzt es sich in einer Höhe von
400 bis 700 Metern bis zum Kongo und darüber hinaus fort.

Die Entwässerung des Hochlandes von Jnnerkamerun ist durch vier Ab¬
dachungen bedingt, die westlich nach den: Atlantischen Ozean, östlich und südlich
nach dem Kongo, nordöstlich nach dem Logone, Schari und Tschadsee und nördlich
und nordwestlich nach dem Venus-Niger führen.

Das Charakteristik»»:: unserer Kolonie als Wirtschaftsgebiet ist nun, daß es
zwischen zwei gewaltigen Stromsystemen liegt, die wichtige Wasserstraßen nach
der Küste bilden, ohne daß wir verstanden haben, bei der Erwerbung des Landes
uns einen Anteil an diesen Wasserstraßen zu sichern. Erst durch den jetzigen
Kongovertrag mit Frankreich ist dieses Versäumnis bis zu einem gewissen Grade
für den Süden der Kolonie nachgeholt worden. Der Benus-Niger-Wasserweg,
der uns die Nutzbarmachung Adamauas und der Tschadseeländer ungemein
erleichtert hätte, ist uns verloren. Die Folge davon ist, daß wir gezwungen
sind, mit gewaltigen Kosten eine Eisenbahn nach dem Norden zu bauen, da
sonst der Handel dauernd auf dem Venus in englisches Gebiet abfließen würde.

Betrachten wir uns zunächst einmal die Gesamtlage des vergrößerten
Kamerun zu diesen Stromsystemen, so werden wir bei einem kurzen Blick auf
die Karte erkennen, daß unsere Kolonie durch den jetzt vollzogenen Anschluß an
den Kongo erst ihre natürliche Gestalt erhält, freilich nur unvollkommen, denn
wir werden ja nicht schlechtweg Anlieger des Kongo und seines großen Neben¬
flusses, des Ubangi, sondern strecken nur gewissermaßen zwei Fühler nach


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[0314] Das neue Kamerun Strom an verläuft die Urwaldgrenze ungefähr in östlicher Richtung ins Innere des Landes, hinüber über die Grenze der Kolonie auf den Ubangi, einen der Hauptzuflüsse des Kongo, zu, der mit seinem Oberlauf im Kongobecken etwa die nördliche Grenze des Waldlandes bildet. Wo sich Waldland und Steppe begegnen, greifen beide Formen ineinander, der Urwald wird lichter und ist immer häufiger von Savannen unterbrochen, während in der Übergangszone die Steppe da und dort noch Urwaldkomplexe oder einzelne charakteristische Urwaldbäume aufweist. Im allgemeinen kann man sagen, daß das Land nördlich einer zwischen der deutschen Station Jaunde und der französischen Station Baugi gedachten Linie der Steppenregion angehört, demnach nur etwa die Hälfte des deutsch-französischen Kompensationsgebiets in den regenreichen und stellenweise sumpfigen Kongo-Urwald fällt. Das Innere von Kamerun bildet ein 600 bis 1000 Meter hohes Hoch¬ land, das 50 bis 100 Kilometer hinter der Küste in zwei, teilweise allerdings stark zerlegten Stufen aufsteigt. Der nördliche Rand des Hochlands ist zu wildzerklüfteten, bis zu 3000 Meter hohen Gebirgen aufgewulstet und schroff gegen das darunter in 200 bis 300 Metern Meereshöhe liegende Flachland, die Landschaft Adamaua, abgesetzt. Im Osten und Südosten dacht es sich fast unmerklich in das Kongobecken ab; ein Steilabsturz ist nicht zu beobachten, vielmehr löst sich das Hochland hier in kleinere Höhenzüge auf, in welche die Flußläufe tief eingeschnitten sind. Südwärts setzt es sich in einer Höhe von 400 bis 700 Metern bis zum Kongo und darüber hinaus fort. Die Entwässerung des Hochlandes von Jnnerkamerun ist durch vier Ab¬ dachungen bedingt, die westlich nach den: Atlantischen Ozean, östlich und südlich nach dem Kongo, nordöstlich nach dem Logone, Schari und Tschadsee und nördlich und nordwestlich nach dem Venus-Niger führen. Das Charakteristik»»:: unserer Kolonie als Wirtschaftsgebiet ist nun, daß es zwischen zwei gewaltigen Stromsystemen liegt, die wichtige Wasserstraßen nach der Küste bilden, ohne daß wir verstanden haben, bei der Erwerbung des Landes uns einen Anteil an diesen Wasserstraßen zu sichern. Erst durch den jetzigen Kongovertrag mit Frankreich ist dieses Versäumnis bis zu einem gewissen Grade für den Süden der Kolonie nachgeholt worden. Der Benus-Niger-Wasserweg, der uns die Nutzbarmachung Adamauas und der Tschadseeländer ungemein erleichtert hätte, ist uns verloren. Die Folge davon ist, daß wir gezwungen sind, mit gewaltigen Kosten eine Eisenbahn nach dem Norden zu bauen, da sonst der Handel dauernd auf dem Venus in englisches Gebiet abfließen würde. Betrachten wir uns zunächst einmal die Gesamtlage des vergrößerten Kamerun zu diesen Stromsystemen, so werden wir bei einem kurzen Blick auf die Karte erkennen, daß unsere Kolonie durch den jetzt vollzogenen Anschluß an den Kongo erst ihre natürliche Gestalt erhält, freilich nur unvollkommen, denn wir werden ja nicht schlechtweg Anlieger des Kongo und seines großen Neben¬ flusses, des Ubangi, sondern strecken nur gewissermaßen zwei Fühler nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/314>, abgerufen am 03.07.2024.