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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

so daß der Spötter es für seine Pflicht hielt,
gegen den Unfug aufzutreten. Nicht besser stand
es seit alters in Mittelitalien, wo die etrus-
kische Kunst beinahe den Eindruck erweckt, als
habe sie ihr' Sach ans Graus gestellt. Unsere
deutschen Märchen und Sagen lassen sich, wie
bekannt, diesen Effekt gleichfalls nicht entgehen,
und man hat bereits die Überzeugung ge¬
wonnen, daß die früheren Fassungen darin
noch weit mehr leisteten. Wichtig hierfür ist
immer der um 1220, lange vor der letzten
Umgestaltung des deutschen Märchenschatzes,
niedergeschriebene Oialogus ^Vursculorum des
Zisterziensermönchs Caesarius b, Heisterbach
gewesen. Der fromme Mann besaß sowohl
ein hübsches Plaudertalent wie den starken
Glauben, der alles Wundervare beherzt mit¬
nahm, und seine Oberen ermutigten die Schrift-
stellerei des Ordensbruders um so mehr, als
allerlei Politisch nützliche Geschichtchen in den?
Buche unterliefen, das sich ausdrücklich an die
heilige Einfalt wendet. Mit Einfalt trägt Cae¬
sarius selber vor, was er erlauscht hat; und
wird ein Märchenstoff einmal bedrohlich heid¬
nisch, dann muß eben die Gottesmutter ein¬
greifen, -- auf die Gefahr hin, sich dabei gegen
alle christliche!: Voraussetzungen zu betätigen.
Gleichsam zur Entschuldigung muß dienen, daß
der Teufel noch apokalyptische Macht und Herr¬
lichkeit besitzt, daß die Welt der Dämonen noch
recht unabhängig in den Alltag hineinragt.
Will die Kirche den düsteren Fratzen aus dem
Schwefelpfuhl, die bei Bedarf nahezu jedes
Glaubenswunder nachahmen, streitbar begeg¬
nen, dann heißt es manchmal die Gnaden¬
mittel in einer Weise anwenden, als seien sie
dicke Keulen, Aus dieser Charakteristik läßt
sich aber schon schließen, daß der vergleichenden
Mythologie hier ungemein reiche Ausbeute
erwächst, und deshalb hat Dr. Ernst Müller-
Holm eine verdienstliche Arbeit mit seiner Ver¬
deutschung des größeren und bedeutsameren
Teils der Wundergeschichten geliefert (Berlin;
Karl Schnabel Verlag; Preis M, 7.--).
In gutem Stil und mit Liebe zum Gegen¬a
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usgestattete Erneuerung des Quellenwerkes
L. P, uf Interesse rechnen, Unterhaltung mit Eiszeitmenschc". Prof.
Dr, Carl Franke schreibt hundertzwölf Seiten
rößeren Oktavs voll über "Die mutmaßliche
Sprache der Eiszeitmenschen" (Verlag Hera.
Locke, Leipzig und Zürich, 1911). Er bezeichnet
as Werk als die Durchführung einer Hypo¬
hese, aber einer, die sich auf positive Tatsachen
tütze. Leider muß der Verfasser einräumen,
aß die Reihe seiner Positiven Tatsachen "ge¬
waltige Lücken" aufweise, doch er besiegt dieses
Hindernis durch Aufzählung der Titel eigener
prachwissenschaftlicher Arbeiten -- sie haben
mit denen des Herkules gemein, daß eS gerade
hrer zwölf sind. Im übrigen baut sich die
Darlegung an Beobachtungen über die Laut-
bildungSfolge bei modernen Kindern und über
deren Sprechenlernen auf. Denn die kümmer¬
ichen Schädelfunde vom Neandertal u. tgi.
haben vorläufig nur Wert als Aufputz, und
die sog. "Tiersprachen", nämlich die Verstän-
digungsmittel niederer Geschöpfe, erlauben
nicht den gesuchten Anschluß. Es wird bald
lar, wo der Fehler steckt. Nicht beim Nach¬
wuchs alter Kulturen, sondern bei Kindern
der Tschuktschen, Eskimos oder Feuerländer
ieß es nach Analogien forschen, und dann recht
vorsichtig sein. Daran, daß man dies tuu
önnte, hat Prof. Franke, soviel zu sehen, über¬
haupt nicht gedacht. Er benutzt vielmehr Sta¬
istiker oder Einzelbeispiele aus bequemem Um¬
reise und überträgt mit "daher" auf die Eis¬
eitmenschen, was ihm irgend recht und billig
däucht. Merkwürdigerweise wagte er nicht, die
Eiszeitsprachen zu rekonstruieren, so daß seine
Schrift im Titel irreführt; sie behandelt nur
das etwaige Sprachvermögen der Eiszeitler.
Vielleicht aber ist ein guter Rat befolgt wor¬
den, die schon fertigen Proben der Glazial¬
prache lieber zu unterdrücken. Wir haben
eine schöne wissenschaftliche Normalarüeit ge¬
nossen, die "methodisch", d. h. bei Ausschluß
der unphilologischen Realkritik, alles Lob ernten
ann. Nur die Kurage wird übertrieben. [Ende Spaltensatz]
stand wiedererzählt, kann die ansprechend
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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so daß der Spötter es für seine Pflicht hielt,
gegen den Unfug aufzutreten. Nicht besser stand
es seit alters in Mittelitalien, wo die etrus-
kische Kunst beinahe den Eindruck erweckt, als
habe sie ihr' Sach ans Graus gestellt. Unsere
deutschen Märchen und Sagen lassen sich, wie
bekannt, diesen Effekt gleichfalls nicht entgehen,
und man hat bereits die Überzeugung ge¬
wonnen, daß die früheren Fassungen darin
noch weit mehr leisteten. Wichtig hierfür ist
immer der um 1220, lange vor der letzten
Umgestaltung des deutschen Märchenschatzes,
niedergeschriebene Oialogus ^Vursculorum des
Zisterziensermönchs Caesarius b, Heisterbach
gewesen. Der fromme Mann besaß sowohl
ein hübsches Plaudertalent wie den starken
Glauben, der alles Wundervare beherzt mit¬
nahm, und seine Oberen ermutigten die Schrift-
stellerei des Ordensbruders um so mehr, als
allerlei Politisch nützliche Geschichtchen in den?
Buche unterliefen, das sich ausdrücklich an die
heilige Einfalt wendet. Mit Einfalt trägt Cae¬
sarius selber vor, was er erlauscht hat; und
wird ein Märchenstoff einmal bedrohlich heid¬
nisch, dann muß eben die Gottesmutter ein¬
greifen, — auf die Gefahr hin, sich dabei gegen
alle christliche!: Voraussetzungen zu betätigen.
Gleichsam zur Entschuldigung muß dienen, daß
der Teufel noch apokalyptische Macht und Herr¬
lichkeit besitzt, daß die Welt der Dämonen noch
recht unabhängig in den Alltag hineinragt.
Will die Kirche den düsteren Fratzen aus dem
Schwefelpfuhl, die bei Bedarf nahezu jedes
Glaubenswunder nachahmen, streitbar begeg¬
nen, dann heißt es manchmal die Gnaden¬
mittel in einer Weise anwenden, als seien sie
dicke Keulen, Aus dieser Charakteristik läßt
sich aber schon schließen, daß der vergleichenden
Mythologie hier ungemein reiche Ausbeute
erwächst, und deshalb hat Dr. Ernst Müller-
Holm eine verdienstliche Arbeit mit seiner Ver¬
deutschung des größeren und bedeutsameren
Teils der Wundergeschichten geliefert (Berlin;
Karl Schnabel Verlag; Preis M, 7.—).
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L. P, uf Interesse rechnen, Unterhaltung mit Eiszeitmenschc». Prof.
Dr, Carl Franke schreibt hundertzwölf Seiten
rößeren Oktavs voll über „Die mutmaßliche
Sprache der Eiszeitmenschen" (Verlag Hera.
Locke, Leipzig und Zürich, 1911). Er bezeichnet
as Werk als die Durchführung einer Hypo¬
hese, aber einer, die sich auf positive Tatsachen
tütze. Leider muß der Verfasser einräumen,
aß die Reihe seiner Positiven Tatsachen „ge¬
waltige Lücken" aufweise, doch er besiegt dieses
Hindernis durch Aufzählung der Titel eigener
prachwissenschaftlicher Arbeiten — sie haben
mit denen des Herkules gemein, daß eS gerade
hrer zwölf sind. Im übrigen baut sich die
Darlegung an Beobachtungen über die Laut-
bildungSfolge bei modernen Kindern und über
deren Sprechenlernen auf. Denn die kümmer¬
ichen Schädelfunde vom Neandertal u. tgi.
haben vorläufig nur Wert als Aufputz, und
die sog. „Tiersprachen", nämlich die Verstän-
digungsmittel niederer Geschöpfe, erlauben
nicht den gesuchten Anschluß. Es wird bald
lar, wo der Fehler steckt. Nicht beim Nach¬
wuchs alter Kulturen, sondern bei Kindern
der Tschuktschen, Eskimos oder Feuerländer
ieß es nach Analogien forschen, und dann recht
vorsichtig sein. Daran, daß man dies tuu
önnte, hat Prof. Franke, soviel zu sehen, über¬
haupt nicht gedacht. Er benutzt vielmehr Sta¬
istiker oder Einzelbeispiele aus bequemem Um¬
reise und überträgt mit „daher" auf die Eis¬
eitmenschen, was ihm irgend recht und billig
däucht. Merkwürdigerweise wagte er nicht, die
Eiszeitsprachen zu rekonstruieren, so daß seine
Schrift im Titel irreführt; sie behandelt nur
das etwaige Sprachvermögen der Eiszeitler.
Vielleicht aber ist ein guter Rat befolgt wor¬
den, die schon fertigen Proben der Glazial¬
prache lieber zu unterdrücken. Wir haben
eine schöne wissenschaftliche Normalarüeit ge¬
nossen, die „methodisch", d. h. bei Ausschluß
der unphilologischen Realkritik, alles Lob ernten
ann. Nur die Kurage wird übertrieben. [Ende Spaltensatz]
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[0300] Maßgebliches und Unmaßgebliches so daß der Spötter es für seine Pflicht hielt, gegen den Unfug aufzutreten. Nicht besser stand es seit alters in Mittelitalien, wo die etrus- kische Kunst beinahe den Eindruck erweckt, als habe sie ihr' Sach ans Graus gestellt. Unsere deutschen Märchen und Sagen lassen sich, wie bekannt, diesen Effekt gleichfalls nicht entgehen, und man hat bereits die Überzeugung ge¬ wonnen, daß die früheren Fassungen darin noch weit mehr leisteten. Wichtig hierfür ist immer der um 1220, lange vor der letzten Umgestaltung des deutschen Märchenschatzes, niedergeschriebene Oialogus ^Vursculorum des Zisterziensermönchs Caesarius b, Heisterbach gewesen. Der fromme Mann besaß sowohl ein hübsches Plaudertalent wie den starken Glauben, der alles Wundervare beherzt mit¬ nahm, und seine Oberen ermutigten die Schrift- stellerei des Ordensbruders um so mehr, als allerlei Politisch nützliche Geschichtchen in den? Buche unterliefen, das sich ausdrücklich an die heilige Einfalt wendet. Mit Einfalt trägt Cae¬ sarius selber vor, was er erlauscht hat; und wird ein Märchenstoff einmal bedrohlich heid¬ nisch, dann muß eben die Gottesmutter ein¬ greifen, — auf die Gefahr hin, sich dabei gegen alle christliche!: Voraussetzungen zu betätigen. Gleichsam zur Entschuldigung muß dienen, daß der Teufel noch apokalyptische Macht und Herr¬ lichkeit besitzt, daß die Welt der Dämonen noch recht unabhängig in den Alltag hineinragt. Will die Kirche den düsteren Fratzen aus dem Schwefelpfuhl, die bei Bedarf nahezu jedes Glaubenswunder nachahmen, streitbar begeg¬ nen, dann heißt es manchmal die Gnaden¬ mittel in einer Weise anwenden, als seien sie dicke Keulen, Aus dieser Charakteristik läßt sich aber schon schließen, daß der vergleichenden Mythologie hier ungemein reiche Ausbeute erwächst, und deshalb hat Dr. Ernst Müller- Holm eine verdienstliche Arbeit mit seiner Ver¬ deutschung des größeren und bedeutsameren Teils der Wundergeschichten geliefert (Berlin; Karl Schnabel Verlag; Preis M, 7.—). In gutem Stil und mit Liebe zum Gegen¬a a gd t sds i lk hkt kz sk usgestattete Erneuerung des Quellenwerkes L. P, uf Interesse rechnen, Unterhaltung mit Eiszeitmenschc». Prof. Dr, Carl Franke schreibt hundertzwölf Seiten rößeren Oktavs voll über „Die mutmaßliche Sprache der Eiszeitmenschen" (Verlag Hera. Locke, Leipzig und Zürich, 1911). Er bezeichnet as Werk als die Durchführung einer Hypo¬ hese, aber einer, die sich auf positive Tatsachen tütze. Leider muß der Verfasser einräumen, aß die Reihe seiner Positiven Tatsachen „ge¬ waltige Lücken" aufweise, doch er besiegt dieses Hindernis durch Aufzählung der Titel eigener prachwissenschaftlicher Arbeiten — sie haben mit denen des Herkules gemein, daß eS gerade hrer zwölf sind. Im übrigen baut sich die Darlegung an Beobachtungen über die Laut- bildungSfolge bei modernen Kindern und über deren Sprechenlernen auf. Denn die kümmer¬ ichen Schädelfunde vom Neandertal u. tgi. haben vorläufig nur Wert als Aufputz, und die sog. „Tiersprachen", nämlich die Verstän- digungsmittel niederer Geschöpfe, erlauben nicht den gesuchten Anschluß. Es wird bald lar, wo der Fehler steckt. Nicht beim Nach¬ wuchs alter Kulturen, sondern bei Kindern der Tschuktschen, Eskimos oder Feuerländer ieß es nach Analogien forschen, und dann recht vorsichtig sein. Daran, daß man dies tuu önnte, hat Prof. Franke, soviel zu sehen, über¬ haupt nicht gedacht. Er benutzt vielmehr Sta¬ istiker oder Einzelbeispiele aus bequemem Um¬ reise und überträgt mit „daher" auf die Eis¬ eitmenschen, was ihm irgend recht und billig däucht. Merkwürdigerweise wagte er nicht, die Eiszeitsprachen zu rekonstruieren, so daß seine Schrift im Titel irreführt; sie behandelt nur das etwaige Sprachvermögen der Eiszeitler. Vielleicht aber ist ein guter Rat befolgt wor¬ den, die schon fertigen Proben der Glazial¬ prache lieber zu unterdrücken. Wir haben eine schöne wissenschaftliche Normalarüeit ge¬ nossen, die „methodisch", d. h. bei Ausschluß der unphilologischen Realkritik, alles Lob ernten ann. Nur die Kurage wird übertrieben. stand wiedererzählt, kann die ansprechend L, U.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/300>, abgerufen am 23.07.2024.