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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Reichsbank und Geldumlauf

doch schwere Bedenken haben müssen, an dieser Deckungsvorschrift etwas zu
ändern. Eine Bardeckung in irgendwelchem Verhältnis gesetzlich vorzuschreiben
ist durchaus nützlich und ratsam. Die gesetzliche Vorschrift gibt der Bank¬
verwaltung eine sichere Grundlage und beseitigt die Gefahr, daß sie entweder
zu leichtsinnig oder übermäßig vorsichtig verfährt. Eine Kollision mit der
Drittelgrenze hat bisher noch niemals stattgefunden; wollte man letztere daher
jetzt beseitigen oder beschränken, wo die steigende Inanspruchnahme der
Reichsbank einen solchen Fall für die Zukunft eher denkbar erscheinen läßt,
so wäre ein solcher Schritt den größten Mißdeutungen namentlich im
Ausland ausgesetzt und könnte die übelsten wirtschaftlichen Folgen haben.
Wir haben ja erst jüngst erfahren, welcher absprechender und übelwollenden
Kritik die Geld- und Kreditverhältnisse Deutschlands von ausländischer Seite
unterzogen worden sind. Allerdings können wir unser Geldwesen nach unserem Er¬
messen und nach unserem Gutdünken regeln, ohne nach der Meinung des Auslands
zu fragen. Auf der anderen Seite aber sind unsere Interessen so eng mit
denen des letzteren verknüpft, daß wir alles vermeiden müssen, was den
Glauben an die Vollwertigkeit unserer Noten und die Stabilität unserer
Währung erschüttern könnte. Es würde aber mit Recht das größte Aufsehen
erregen müssen, wenn Deutschland jetzt, im Jahr der Erneuerung des Bank¬
privilegs, zu einer so einschneidenden Änderung der Grundlagen der Noten¬
ausgabe schritte.

Von einer dauernden Beseitigung oder Beschränkung der Dritteldeckung
kann also nicht die Rede sein. Ebensowenig aber kann einer Aufhebung der
Decknngsvorschrift für die Quartalstermine das Wort geredet werden. Praktisch
würde dies auf eine gänzliche Aufhebung hinauslaufen. Denn wenn die
Vorschrift gerade dann außer Funktion gesetzt werden soll, wenn die Möglichkeit
einer Kollision droht, während sie nur dann in Kraft ist, wenn eine solche
nicht besteht, so entbehrt eine solche Regelung jeder vernünftigen Grundlage.
Die Bremswirkung, welche der Zwang zur Dritteldecknng ausüben soll, wird
gerade im kritischen Moment ausgeschaltet. Man darf sich zur Unterstützung
dieses Vorschlages auch uicht darauf berufen, daß die Millionen, welche an den
Qnartalsterminen in Form von Noten in den Verkehr strömen, keine Kapitalien
seien, die in der Volkswirtschaft arbeiten, sondern "Wertzeichen, die dazu dienen,
Geschäfte abzuwickeln')". Das ist irrtümlich. Die Noten, welche von der
Rcichsbank gefordert werden, sind selbstverständlich Kapital und keine "Rechen¬
pfennige". Nur sind sie umlaufendes Kapital, solches, das'Inest dauernd
investiert wird, und sie sind kein Leihkapital, dessen die Volkswirtschaft bedarf,
um im Wege des Kredits ein Minus an Betriebskapital zu decken. Für die
Neichsbank besteht aber zunächst kein Unterschied darin, ob die Note" ihr
dauernd oder vorübergehend entzogen werden; sie kann den baldigen Rückfluß



") BmduM n, n, O, S, 27".
Reichsbank und Geldumlauf

doch schwere Bedenken haben müssen, an dieser Deckungsvorschrift etwas zu
ändern. Eine Bardeckung in irgendwelchem Verhältnis gesetzlich vorzuschreiben
ist durchaus nützlich und ratsam. Die gesetzliche Vorschrift gibt der Bank¬
verwaltung eine sichere Grundlage und beseitigt die Gefahr, daß sie entweder
zu leichtsinnig oder übermäßig vorsichtig verfährt. Eine Kollision mit der
Drittelgrenze hat bisher noch niemals stattgefunden; wollte man letztere daher
jetzt beseitigen oder beschränken, wo die steigende Inanspruchnahme der
Reichsbank einen solchen Fall für die Zukunft eher denkbar erscheinen läßt,
so wäre ein solcher Schritt den größten Mißdeutungen namentlich im
Ausland ausgesetzt und könnte die übelsten wirtschaftlichen Folgen haben.
Wir haben ja erst jüngst erfahren, welcher absprechender und übelwollenden
Kritik die Geld- und Kreditverhältnisse Deutschlands von ausländischer Seite
unterzogen worden sind. Allerdings können wir unser Geldwesen nach unserem Er¬
messen und nach unserem Gutdünken regeln, ohne nach der Meinung des Auslands
zu fragen. Auf der anderen Seite aber sind unsere Interessen so eng mit
denen des letzteren verknüpft, daß wir alles vermeiden müssen, was den
Glauben an die Vollwertigkeit unserer Noten und die Stabilität unserer
Währung erschüttern könnte. Es würde aber mit Recht das größte Aufsehen
erregen müssen, wenn Deutschland jetzt, im Jahr der Erneuerung des Bank¬
privilegs, zu einer so einschneidenden Änderung der Grundlagen der Noten¬
ausgabe schritte.

Von einer dauernden Beseitigung oder Beschränkung der Dritteldeckung
kann also nicht die Rede sein. Ebensowenig aber kann einer Aufhebung der
Decknngsvorschrift für die Quartalstermine das Wort geredet werden. Praktisch
würde dies auf eine gänzliche Aufhebung hinauslaufen. Denn wenn die
Vorschrift gerade dann außer Funktion gesetzt werden soll, wenn die Möglichkeit
einer Kollision droht, während sie nur dann in Kraft ist, wenn eine solche
nicht besteht, so entbehrt eine solche Regelung jeder vernünftigen Grundlage.
Die Bremswirkung, welche der Zwang zur Dritteldecknng ausüben soll, wird
gerade im kritischen Moment ausgeschaltet. Man darf sich zur Unterstützung
dieses Vorschlages auch uicht darauf berufen, daß die Millionen, welche an den
Qnartalsterminen in Form von Noten in den Verkehr strömen, keine Kapitalien
seien, die in der Volkswirtschaft arbeiten, sondern „Wertzeichen, die dazu dienen,
Geschäfte abzuwickeln')". Das ist irrtümlich. Die Noten, welche von der
Rcichsbank gefordert werden, sind selbstverständlich Kapital und keine „Rechen¬
pfennige". Nur sind sie umlaufendes Kapital, solches, das'Inest dauernd
investiert wird, und sie sind kein Leihkapital, dessen die Volkswirtschaft bedarf,
um im Wege des Kredits ein Minus an Betriebskapital zu decken. Für die
Neichsbank besteht aber zunächst kein Unterschied darin, ob die Note» ihr
dauernd oder vorübergehend entzogen werden; sie kann den baldigen Rückfluß



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[0268] Reichsbank und Geldumlauf doch schwere Bedenken haben müssen, an dieser Deckungsvorschrift etwas zu ändern. Eine Bardeckung in irgendwelchem Verhältnis gesetzlich vorzuschreiben ist durchaus nützlich und ratsam. Die gesetzliche Vorschrift gibt der Bank¬ verwaltung eine sichere Grundlage und beseitigt die Gefahr, daß sie entweder zu leichtsinnig oder übermäßig vorsichtig verfährt. Eine Kollision mit der Drittelgrenze hat bisher noch niemals stattgefunden; wollte man letztere daher jetzt beseitigen oder beschränken, wo die steigende Inanspruchnahme der Reichsbank einen solchen Fall für die Zukunft eher denkbar erscheinen läßt, so wäre ein solcher Schritt den größten Mißdeutungen namentlich im Ausland ausgesetzt und könnte die übelsten wirtschaftlichen Folgen haben. Wir haben ja erst jüngst erfahren, welcher absprechender und übelwollenden Kritik die Geld- und Kreditverhältnisse Deutschlands von ausländischer Seite unterzogen worden sind. Allerdings können wir unser Geldwesen nach unserem Er¬ messen und nach unserem Gutdünken regeln, ohne nach der Meinung des Auslands zu fragen. Auf der anderen Seite aber sind unsere Interessen so eng mit denen des letzteren verknüpft, daß wir alles vermeiden müssen, was den Glauben an die Vollwertigkeit unserer Noten und die Stabilität unserer Währung erschüttern könnte. Es würde aber mit Recht das größte Aufsehen erregen müssen, wenn Deutschland jetzt, im Jahr der Erneuerung des Bank¬ privilegs, zu einer so einschneidenden Änderung der Grundlagen der Noten¬ ausgabe schritte. Von einer dauernden Beseitigung oder Beschränkung der Dritteldeckung kann also nicht die Rede sein. Ebensowenig aber kann einer Aufhebung der Decknngsvorschrift für die Quartalstermine das Wort geredet werden. Praktisch würde dies auf eine gänzliche Aufhebung hinauslaufen. Denn wenn die Vorschrift gerade dann außer Funktion gesetzt werden soll, wenn die Möglichkeit einer Kollision droht, während sie nur dann in Kraft ist, wenn eine solche nicht besteht, so entbehrt eine solche Regelung jeder vernünftigen Grundlage. Die Bremswirkung, welche der Zwang zur Dritteldecknng ausüben soll, wird gerade im kritischen Moment ausgeschaltet. Man darf sich zur Unterstützung dieses Vorschlages auch uicht darauf berufen, daß die Millionen, welche an den Qnartalsterminen in Form von Noten in den Verkehr strömen, keine Kapitalien seien, die in der Volkswirtschaft arbeiten, sondern „Wertzeichen, die dazu dienen, Geschäfte abzuwickeln')". Das ist irrtümlich. Die Noten, welche von der Rcichsbank gefordert werden, sind selbstverständlich Kapital und keine „Rechen¬ pfennige". Nur sind sie umlaufendes Kapital, solches, das'Inest dauernd investiert wird, und sie sind kein Leihkapital, dessen die Volkswirtschaft bedarf, um im Wege des Kredits ein Minus an Betriebskapital zu decken. Für die Neichsbank besteht aber zunächst kein Unterschied darin, ob die Note» ihr dauernd oder vorübergehend entzogen werden; sie kann den baldigen Rückfluß ") BmduM n, n, O, S, 27».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/268>, abgerufen am 03.07.2024.