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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Reichsbank und Geldumlauf

Abrechnungs-, Reichsbankgiroverkehr, dienen ebenso wie die Ausgabe kleiner
Banknoten diesem Zwecke, und mit vollem Recht geht das Bestreben
der Bankwelt dahin, sich dieser Mittel in erster Linie zu bedienen,
ihre Anwendung immer mehr zu verallgemeinern. Es liegt indessen in der
Natur der Sache, daß Fortschritte in dieser Richtung bei einen: an Hartgeld
gewöhnten Verkehr nur langsam zu erreichen sind. Die Einbürgerung der
kleinen Banknoten ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Versuche,
die man mit der Einführung eines Hypotheken-Abrechnungsverkehrs gemacht
hat, sind gleichfalls gescheitert. Die im besten Zuge befindliche Ausbreitung des
Scheckverkehrs ist durch die Einführung des Scheckstempels gehemmt worden.
Es geht also auf diesem Wege nur langsam vorwärts. Es fragt sich, ob nicht
andere Mittel gefunden werden können, die eine raschere Zuführung von Gold
aus dem inneren Verkehr in den Gewahrsam der Reichsbank gewährleisten.
Nur um eine Ausbeutung dieser "inneren Goldminen", wie sie servil in den
Verhandlungen der Enquete-Kommission treffend bezeichnet hat, kann es sich
handeln, da einer verstärken Heranziehung von Gold aus dem Ausland in der
Regel die ungünstige Zahlungsbilanz Deutschlands entgegensteht. Die Frage ist
üm so dringender, als in den letzten Jahren, während der Metallbestand der
Reichsbank im wesentlichen stabil geblieben ist, die Summe der von den Banken
verwalteten fremden Gelder ein außerordentliches Wachstum erfahren hat. Es
haben nämlich allein bei den Berliner Banken die fremden Gelder einschließlich

der Akzepte zugenommen:

1908 um 94,1 Millionen Mark
1909 " 499,7 " "
1910 " 832.4

Dies ist ein ganz außerordentlich rasches Tempo. Dagegen ist nicht nur der
Goldvorrat der Neichsbank stabil geblieben, sondern es haben sich sogar auch
die liquiden Mittel der Banken an Kasse, Bankguthaben und Wechseln von
41,96 Prozent am 31. Dezember 1908 auf 37,7 Prozent im Durchschnitt 1910
vermindert; das Deckungsverhältnis hat sich also nicht unwesentlich verschlechtert.
Die Inanspruchnahme der Reserve der Reichsbank mußte daher konform der
wachsenden Anhäufung dieser fremden Gelder ständig wachsen und wird anscheinend
auch in Zukunft immer weiter steigen.

Das Bankgesetz schreibt bekanntlich der Neichsbank die sogenannte Drittel¬
deckung vor, d. h. die ausgegebenen Noten müssen mindestens zu einem Drittel
in bar gedeckt sein, wobei Reichssilbermünzen, Reichskassenscheine und die Noten
der Privatnotenbanken zur Bardeckung gerechnet werden. Diese letztere Ver¬
günstigung ist genau genommen schon eine Modifikation des Prinzips der Drittel¬
deckung. Denn wenn eine Bardeckung in irgendwelcher Höhe vorgeschrieben
wird, um die Vollwertigkeit der Noten zu verbürgen, so muß diese Deckung
konsequenterweise in Währungsgeld, also in Gold bestehen, da die Reichsbank
ihre Noten in Gold einzulösen hat. Nun sind in letzter Zeit die Bestände der
Reichsbank an Silber und Reichskassenscheinen usw. nicht unerheblich gewachsen;


Reichsbank und Geldumlauf

Abrechnungs-, Reichsbankgiroverkehr, dienen ebenso wie die Ausgabe kleiner
Banknoten diesem Zwecke, und mit vollem Recht geht das Bestreben
der Bankwelt dahin, sich dieser Mittel in erster Linie zu bedienen,
ihre Anwendung immer mehr zu verallgemeinern. Es liegt indessen in der
Natur der Sache, daß Fortschritte in dieser Richtung bei einen: an Hartgeld
gewöhnten Verkehr nur langsam zu erreichen sind. Die Einbürgerung der
kleinen Banknoten ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Versuche,
die man mit der Einführung eines Hypotheken-Abrechnungsverkehrs gemacht
hat, sind gleichfalls gescheitert. Die im besten Zuge befindliche Ausbreitung des
Scheckverkehrs ist durch die Einführung des Scheckstempels gehemmt worden.
Es geht also auf diesem Wege nur langsam vorwärts. Es fragt sich, ob nicht
andere Mittel gefunden werden können, die eine raschere Zuführung von Gold
aus dem inneren Verkehr in den Gewahrsam der Reichsbank gewährleisten.
Nur um eine Ausbeutung dieser „inneren Goldminen", wie sie servil in den
Verhandlungen der Enquete-Kommission treffend bezeichnet hat, kann es sich
handeln, da einer verstärken Heranziehung von Gold aus dem Ausland in der
Regel die ungünstige Zahlungsbilanz Deutschlands entgegensteht. Die Frage ist
üm so dringender, als in den letzten Jahren, während der Metallbestand der
Reichsbank im wesentlichen stabil geblieben ist, die Summe der von den Banken
verwalteten fremden Gelder ein außerordentliches Wachstum erfahren hat. Es
haben nämlich allein bei den Berliner Banken die fremden Gelder einschließlich

der Akzepte zugenommen:

1908 um 94,1 Millionen Mark
1909 „ 499,7 „ „
1910 „ 832.4

Dies ist ein ganz außerordentlich rasches Tempo. Dagegen ist nicht nur der
Goldvorrat der Neichsbank stabil geblieben, sondern es haben sich sogar auch
die liquiden Mittel der Banken an Kasse, Bankguthaben und Wechseln von
41,96 Prozent am 31. Dezember 1908 auf 37,7 Prozent im Durchschnitt 1910
vermindert; das Deckungsverhältnis hat sich also nicht unwesentlich verschlechtert.
Die Inanspruchnahme der Reserve der Reichsbank mußte daher konform der
wachsenden Anhäufung dieser fremden Gelder ständig wachsen und wird anscheinend
auch in Zukunft immer weiter steigen.

Das Bankgesetz schreibt bekanntlich der Neichsbank die sogenannte Drittel¬
deckung vor, d. h. die ausgegebenen Noten müssen mindestens zu einem Drittel
in bar gedeckt sein, wobei Reichssilbermünzen, Reichskassenscheine und die Noten
der Privatnotenbanken zur Bardeckung gerechnet werden. Diese letztere Ver¬
günstigung ist genau genommen schon eine Modifikation des Prinzips der Drittel¬
deckung. Denn wenn eine Bardeckung in irgendwelcher Höhe vorgeschrieben
wird, um die Vollwertigkeit der Noten zu verbürgen, so muß diese Deckung
konsequenterweise in Währungsgeld, also in Gold bestehen, da die Reichsbank
ihre Noten in Gold einzulösen hat. Nun sind in letzter Zeit die Bestände der
Reichsbank an Silber und Reichskassenscheinen usw. nicht unerheblich gewachsen;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/266>, abgerufen am 03.07.2024.