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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Rcichsbcmk und Geldumlauf

ausgedehntes Filialsystem darstellt, an sich zu ziehen. Man weiß, in welchem
Maße ihnen dies gelungen ist. Sind doch im Laufe von zwanzig Jahren die
Depositen und Kreditoren der deutschen Banken um das Sechsfache gestiegen.

Die Zentralisation hat bewirkt, daß die von den Annahmestellen im Lande
herangezogenen fremden Gelder sich hauptsächlich bei den Berliner Großbanken
konzentrierter. Soweit die Gelder nicht unmittelbar im Geschäftsbetrieb Ver¬
wendung fanden, wurden sie an die Zentrale oder das befreundete Institut zur
Gutschrift und Verzinsung überwiesen, meist in laufender Rechnung, zum Teil
auch zum Zwecke der Anlage als Reportgeld, oder sonst mit längerer Kündigungs¬
frist. Im Falle eintretenden Bedarfs werden die Guthaben zurückgezogen oder
das Mutterinstitut wird im Wege des Vorschusses in Anspruch genommen. So
konzentriert sich die Gelddisposition schließlich in vorwiegenden Maße bei dem
letzteren. Die Filialen mit der Rückendeckung des Zentralinstituts disponieren
natürlich nicht unter dem Gesichtspunkt eines selbständigen Bankgeschäfts; sie
überlassen die Sorge für die Unterbringung überschüssiger Gelder und für die
Geldbeschaffung im Bedarfsfalle durchaus der Zentralstelle und beschränken sich
darauf, selbst so viel an barer Kasse, Reichsbankguthaben und Portefeuille zu
halten, wie ihr unmittelbarer Geschäftsbetrieb es erfordert. Hierdurch wird nun
eine starke Verminderung der Barreserven herbeigeführt. Denn es sinken nicht
nur die Bestände an Kasse und Reichsbankguthaben bei den Filialen weit unter
den Stand, den sie einnehmen müßten, wenn es sich um selbständige Betriebe
handelte, sondern sie werden auch bei der Zentralstelle geringer, als es dem
Gesamterfordernis entspricht. Denn die Überweisungen und Abhebungen der
Filialen machen die Gelddispositionen bei der Zentrale schwierig und unüber¬
sehbar; bald strömen die Gelder in einem Maße zusammen, daß deren Ver¬
wendung und Unterbringung schwierig wird, bald häufen sich die Ansprüche der
Filialen und affiliierten Banken derart, daß die Flüssigmachung bedeutender
Mittel erforderlich ist, um ihnen zu genügen. Solche sprunghafter und unüber¬
sehbaren Gelddispositionen lassen Zinsverluste unvermeidlich erscheinen; die
Zentralstelle muß daher im eigenen Interesse darauf sehen, möglichst große
Bestände anzulegen und keine Mittel brachliegen zu lassen. Sie wird daher ihre
bare Kasse und ihr zinsloses Reichsbankguthaben auf dem tunlichst niedrigen
Stand halten und im übrigen die ihr zufließenden Mittel verzinslich anlegen,
insbesondere ein starkes Wechselportefeuille halten, da dies die liquideste Anlage¬
form darstellt. Freilich bedeutet diese häufig ein Verlustgeschäft, da bei großer
Geldfülle der Privatdiskont meist unter den Satz sinkt, welchen die Zentralstelle
für die Guthaben zu zahlen hat. Wenn nun Ansprüche der Filialen an sie
herantreten, so ist sie darauf angewiesen, einen Teil ihrer Anlagen wieder flüssig
zu machen. In letzter Linie wird es sich dabei immer darum handeln, die
erforderlichen Mittel bei der Reichsbank durch Diskontierung von Wechseln und
Lombarddarlehen zu beschaffen. Namentlich an den großen Zahlterminen wird
dies ausschließlich der Fall sein müssen, da dann der offene Markt von Mitteln


Rcichsbcmk und Geldumlauf

ausgedehntes Filialsystem darstellt, an sich zu ziehen. Man weiß, in welchem
Maße ihnen dies gelungen ist. Sind doch im Laufe von zwanzig Jahren die
Depositen und Kreditoren der deutschen Banken um das Sechsfache gestiegen.

Die Zentralisation hat bewirkt, daß die von den Annahmestellen im Lande
herangezogenen fremden Gelder sich hauptsächlich bei den Berliner Großbanken
konzentrierter. Soweit die Gelder nicht unmittelbar im Geschäftsbetrieb Ver¬
wendung fanden, wurden sie an die Zentrale oder das befreundete Institut zur
Gutschrift und Verzinsung überwiesen, meist in laufender Rechnung, zum Teil
auch zum Zwecke der Anlage als Reportgeld, oder sonst mit längerer Kündigungs¬
frist. Im Falle eintretenden Bedarfs werden die Guthaben zurückgezogen oder
das Mutterinstitut wird im Wege des Vorschusses in Anspruch genommen. So
konzentriert sich die Gelddisposition schließlich in vorwiegenden Maße bei dem
letzteren. Die Filialen mit der Rückendeckung des Zentralinstituts disponieren
natürlich nicht unter dem Gesichtspunkt eines selbständigen Bankgeschäfts; sie
überlassen die Sorge für die Unterbringung überschüssiger Gelder und für die
Geldbeschaffung im Bedarfsfalle durchaus der Zentralstelle und beschränken sich
darauf, selbst so viel an barer Kasse, Reichsbankguthaben und Portefeuille zu
halten, wie ihr unmittelbarer Geschäftsbetrieb es erfordert. Hierdurch wird nun
eine starke Verminderung der Barreserven herbeigeführt. Denn es sinken nicht
nur die Bestände an Kasse und Reichsbankguthaben bei den Filialen weit unter
den Stand, den sie einnehmen müßten, wenn es sich um selbständige Betriebe
handelte, sondern sie werden auch bei der Zentralstelle geringer, als es dem
Gesamterfordernis entspricht. Denn die Überweisungen und Abhebungen der
Filialen machen die Gelddispositionen bei der Zentrale schwierig und unüber¬
sehbar; bald strömen die Gelder in einem Maße zusammen, daß deren Ver¬
wendung und Unterbringung schwierig wird, bald häufen sich die Ansprüche der
Filialen und affiliierten Banken derart, daß die Flüssigmachung bedeutender
Mittel erforderlich ist, um ihnen zu genügen. Solche sprunghafter und unüber¬
sehbaren Gelddispositionen lassen Zinsverluste unvermeidlich erscheinen; die
Zentralstelle muß daher im eigenen Interesse darauf sehen, möglichst große
Bestände anzulegen und keine Mittel brachliegen zu lassen. Sie wird daher ihre
bare Kasse und ihr zinsloses Reichsbankguthaben auf dem tunlichst niedrigen
Stand halten und im übrigen die ihr zufließenden Mittel verzinslich anlegen,
insbesondere ein starkes Wechselportefeuille halten, da dies die liquideste Anlage¬
form darstellt. Freilich bedeutet diese häufig ein Verlustgeschäft, da bei großer
Geldfülle der Privatdiskont meist unter den Satz sinkt, welchen die Zentralstelle
für die Guthaben zu zahlen hat. Wenn nun Ansprüche der Filialen an sie
herantreten, so ist sie darauf angewiesen, einen Teil ihrer Anlagen wieder flüssig
zu machen. In letzter Linie wird es sich dabei immer darum handeln, die
erforderlichen Mittel bei der Reichsbank durch Diskontierung von Wechseln und
Lombarddarlehen zu beschaffen. Namentlich an den großen Zahlterminen wird
dies ausschließlich der Fall sein müssen, da dann der offene Markt von Mitteln


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/262>, abgerufen am 03.07.2024.