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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Staatsangehörigkeit

eingeschränkt würde, da jeder so lange Deutscher bleibt, als er nicht durch eigenes
Zutun eine fremde Zugehörigkeit erworben hat; 3. daß die Zahl der sujet8
mixte8 eingeschränkt wird, da mit dem auf beantragter Naturalisation im
fremden Staat verbundenen Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit das
deutsche Bürgerrecht verloren geht; und 4. daß eine zwangsweise Beibehaltung
der deutschen Staatsangehörigkeit vermieden wird. -- Dagegen, daß derjenige,
der auf eigenes Betreiben in einen fremden Staatsverband aufgenommen wird,
seine deutsche Zugehörigkeit verliert, wird im allgemeinen nichts einzuwenden
sein. Stärker läßt sich die Absicht, die deutsche Zugehörigkeit aufgeben zu
wollen, kaum dartun als durch die beantragte und erfolgte Aufnahme in einen
fremden Staat.

Dabei ist allerdings in Rücksicht zu ziehen, daß nicht alle Personen, die
durch eigenes Zutun eine fremde Staatsangehörigkeit erwerben, damit auch die
Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche verlieren wollen oder auch nur verlieren
möchten. Die Ursache der beantragten Naturalisation kann unter Umständen
auf rein wirtschaftlichen Gründen, z. B. auf der Notwendigkeit, in einem fremden
Staat Grundbesitz erwerben zu müssen, beruhen. Die starre Befolgung des
obigen Satzes würde aber notwendig Deutsche, die sich ans einem derartigen
Grunde im Ausland naturalisieren lassen, aus dem Kreise der deutschen Staats¬
angehörigen ausschließen. Diese Härte gilt es dadurch zu vermeiden, daß die
Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit durch mündliche oder schriftliche
Erklärung ermöglicht wird. Um die Nachteile der bestehenden Matrikel zu um¬
gehen, wären die Formalien dieser Erklärungen auf das geringste Maß zu
beschränken. Keineswegs dürften nur die Konsuln zuständig sein, sie entgegen¬
zunehmen. Vielmehr müßte dazu jede deutsche Reichsbehörde im In- und
Auslande, aber auch jede Staats- und Kommunalbehörde berechtigt und ver¬
pflichtet sein. Am Auswärtigen Amt wäre im Zusammenhang damit eine
Zentralstelle zu bilden, der sämtliche Staatsangehörigkeitserklärungen zu über¬
mitteln sein würden. -- Diese Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit trotz
der Naturalisation im fremden Staate beizubehalten, würde allerdings eine
Vermehrung der 8ujets mixte8 zur Folge haben. Ich glaube aber in diesem
Falle keine allzugroße Bedeutung darauf legen zu sollen. Mir scheint der
nationale Gesichtspunkt gegenüber dem internationalen der wichtigere zu sein.
Im übrigen versteht es sich von selbst, daß diejenigen Reichsangehörigen, die
ausdrücklich erklären, Deutsche sein zu wollen, vom Standpunkt unserer Negierung
aus, in erster Linie als Deutsche anzusehen sind. Und es ist ferner selbstver¬
ständlich, daß die Folge der abgegebenen Erklärung sein muß, daß der Erklärende
ebenso wie er die Rechte eines Deutschen erwirbt, auch die Pflichten eines
Deutschen in vollem Maße auf sich zu nehmen hat. Er würde demgemäß seinen
militärischen Pflichten nachzukommen haben, er würde gegebenenfalls einem
Rückberufungsbefehl des Kaisers in Zeiten von Krieg oder Kriegsgefahr zu ent¬
sprechen haben u. tgi. in. Eine gröbliche Verletzung dieser und anderer Pflichten


Staatsangehörigkeit

eingeschränkt würde, da jeder so lange Deutscher bleibt, als er nicht durch eigenes
Zutun eine fremde Zugehörigkeit erworben hat; 3. daß die Zahl der sujet8
mixte8 eingeschränkt wird, da mit dem auf beantragter Naturalisation im
fremden Staat verbundenen Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit das
deutsche Bürgerrecht verloren geht; und 4. daß eine zwangsweise Beibehaltung
der deutschen Staatsangehörigkeit vermieden wird. — Dagegen, daß derjenige,
der auf eigenes Betreiben in einen fremden Staatsverband aufgenommen wird,
seine deutsche Zugehörigkeit verliert, wird im allgemeinen nichts einzuwenden
sein. Stärker läßt sich die Absicht, die deutsche Zugehörigkeit aufgeben zu
wollen, kaum dartun als durch die beantragte und erfolgte Aufnahme in einen
fremden Staat.

Dabei ist allerdings in Rücksicht zu ziehen, daß nicht alle Personen, die
durch eigenes Zutun eine fremde Staatsangehörigkeit erwerben, damit auch die
Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche verlieren wollen oder auch nur verlieren
möchten. Die Ursache der beantragten Naturalisation kann unter Umständen
auf rein wirtschaftlichen Gründen, z. B. auf der Notwendigkeit, in einem fremden
Staat Grundbesitz erwerben zu müssen, beruhen. Die starre Befolgung des
obigen Satzes würde aber notwendig Deutsche, die sich ans einem derartigen
Grunde im Ausland naturalisieren lassen, aus dem Kreise der deutschen Staats¬
angehörigen ausschließen. Diese Härte gilt es dadurch zu vermeiden, daß die
Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit durch mündliche oder schriftliche
Erklärung ermöglicht wird. Um die Nachteile der bestehenden Matrikel zu um¬
gehen, wären die Formalien dieser Erklärungen auf das geringste Maß zu
beschränken. Keineswegs dürften nur die Konsuln zuständig sein, sie entgegen¬
zunehmen. Vielmehr müßte dazu jede deutsche Reichsbehörde im In- und
Auslande, aber auch jede Staats- und Kommunalbehörde berechtigt und ver¬
pflichtet sein. Am Auswärtigen Amt wäre im Zusammenhang damit eine
Zentralstelle zu bilden, der sämtliche Staatsangehörigkeitserklärungen zu über¬
mitteln sein würden. — Diese Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit trotz
der Naturalisation im fremden Staate beizubehalten, würde allerdings eine
Vermehrung der 8ujets mixte8 zur Folge haben. Ich glaube aber in diesem
Falle keine allzugroße Bedeutung darauf legen zu sollen. Mir scheint der
nationale Gesichtspunkt gegenüber dem internationalen der wichtigere zu sein.
Im übrigen versteht es sich von selbst, daß diejenigen Reichsangehörigen, die
ausdrücklich erklären, Deutsche sein zu wollen, vom Standpunkt unserer Negierung
aus, in erster Linie als Deutsche anzusehen sind. Und es ist ferner selbstver¬
ständlich, daß die Folge der abgegebenen Erklärung sein muß, daß der Erklärende
ebenso wie er die Rechte eines Deutschen erwirbt, auch die Pflichten eines
Deutschen in vollem Maße auf sich zu nehmen hat. Er würde demgemäß seinen
militärischen Pflichten nachzukommen haben, er würde gegebenenfalls einem
Rückberufungsbefehl des Kaisers in Zeiten von Krieg oder Kriegsgefahr zu ent¬
sprechen haben u. tgi. in. Eine gröbliche Verletzung dieser und anderer Pflichten


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[0232] Staatsangehörigkeit eingeschränkt würde, da jeder so lange Deutscher bleibt, als er nicht durch eigenes Zutun eine fremde Zugehörigkeit erworben hat; 3. daß die Zahl der sujet8 mixte8 eingeschränkt wird, da mit dem auf beantragter Naturalisation im fremden Staat verbundenen Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit das deutsche Bürgerrecht verloren geht; und 4. daß eine zwangsweise Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit vermieden wird. — Dagegen, daß derjenige, der auf eigenes Betreiben in einen fremden Staatsverband aufgenommen wird, seine deutsche Zugehörigkeit verliert, wird im allgemeinen nichts einzuwenden sein. Stärker läßt sich die Absicht, die deutsche Zugehörigkeit aufgeben zu wollen, kaum dartun als durch die beantragte und erfolgte Aufnahme in einen fremden Staat. Dabei ist allerdings in Rücksicht zu ziehen, daß nicht alle Personen, die durch eigenes Zutun eine fremde Staatsangehörigkeit erwerben, damit auch die Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche verlieren wollen oder auch nur verlieren möchten. Die Ursache der beantragten Naturalisation kann unter Umständen auf rein wirtschaftlichen Gründen, z. B. auf der Notwendigkeit, in einem fremden Staat Grundbesitz erwerben zu müssen, beruhen. Die starre Befolgung des obigen Satzes würde aber notwendig Deutsche, die sich ans einem derartigen Grunde im Ausland naturalisieren lassen, aus dem Kreise der deutschen Staats¬ angehörigen ausschließen. Diese Härte gilt es dadurch zu vermeiden, daß die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit durch mündliche oder schriftliche Erklärung ermöglicht wird. Um die Nachteile der bestehenden Matrikel zu um¬ gehen, wären die Formalien dieser Erklärungen auf das geringste Maß zu beschränken. Keineswegs dürften nur die Konsuln zuständig sein, sie entgegen¬ zunehmen. Vielmehr müßte dazu jede deutsche Reichsbehörde im In- und Auslande, aber auch jede Staats- und Kommunalbehörde berechtigt und ver¬ pflichtet sein. Am Auswärtigen Amt wäre im Zusammenhang damit eine Zentralstelle zu bilden, der sämtliche Staatsangehörigkeitserklärungen zu über¬ mitteln sein würden. — Diese Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit trotz der Naturalisation im fremden Staate beizubehalten, würde allerdings eine Vermehrung der 8ujets mixte8 zur Folge haben. Ich glaube aber in diesem Falle keine allzugroße Bedeutung darauf legen zu sollen. Mir scheint der nationale Gesichtspunkt gegenüber dem internationalen der wichtigere zu sein. Im übrigen versteht es sich von selbst, daß diejenigen Reichsangehörigen, die ausdrücklich erklären, Deutsche sein zu wollen, vom Standpunkt unserer Negierung aus, in erster Linie als Deutsche anzusehen sind. Und es ist ferner selbstver¬ ständlich, daß die Folge der abgegebenen Erklärung sein muß, daß der Erklärende ebenso wie er die Rechte eines Deutschen erwirbt, auch die Pflichten eines Deutschen in vollem Maße auf sich zu nehmen hat. Er würde demgemäß seinen militärischen Pflichten nachzukommen haben, er würde gegebenenfalls einem Rückberufungsbefehl des Kaisers in Zeiten von Krieg oder Kriegsgefahr zu ent¬ sprechen haben u. tgi. in. Eine gröbliche Verletzung dieser und anderer Pflichten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/232>, abgerufen am 23.07.2024.