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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Noch unfreundlicher gestaltet sich das Bild am Mittelländischen Meer. Je
länger der Krieg zwischen Italien und der Türkei währt, um so größer
ist die Gefahr seines Übergreifens auf europäisches Gebiet. Italien beginnt die
Fehlerhaftigkeit seiner Voraussetzungen, in Tripolis leichtes Spiel zu haben, zu
erkennen. Durch die Lokalisierung des Kriegsschauplatzes auf die Sorte ist es
recht eingeschränkt und kann seine militärische Bereitschaft nicht voll zur Ent¬
faltung bringen. Unterdessen sind die Türken befähigt, die Küste des Adriatischen
Meeres in verteidigungsfähigen Zustand zu setzen und Italien erfolgreich Wider¬
stand zu leisten, falls dieses ungeachtet der Warnungen seiner Freunde einen
Landungsversuch in Albanien machen sollte. Doch soweit brauchen wir heute
kaum schon zu denken, wenn auch die italienische Presse einen starken Druck auf
die Regierung ausübt. Deutschlands Haltung im Falle einer Landung Italiens
in Albanien wäre abhängig von dem Verhalten Österreich-Ungarns und Ru߬
lands. Jedenfalls dürfte es kaum in die Lage kommen, zugunsten eines der
kriegführenden Teile das Schwert zu ziehen.

Das gleiche darf auch hinsichtlich Koweits angenommen werden, das schon
seit den achtzehnhundertachtziger Jahren das Ziel englischer Begehrlichkeit ist.
Wenn die Türkei sich dieses Gebiets entäußert, so steht es keiner dritten Macht
an, sie daran hindern zu wollen, es sei denn, sie böte bessere Bedingungen.
Daß aber Deutschland in Vorderasien Kolonien erwerben wolle, geht aus seinem
bisherigen Vorgehen in keiner Weise hervor.

Die Friedens aussichten sind während der abgelaufenen Woche nicht besser
geworden. In Konstantinopel ist man kriegerischer denn je, und was von Nach¬
richten über angestrebte und angebotene Friedensvermittlung verbreitet wird,
bericht zumeist wohl auf Kombinationen derer, die ein Interesse an baldigem
Friedensschluß haben. Besonders scheint die Deutschland zugeschriebene Rolle
nicht ganz mit den Tatsachen übereinzustimmen. Die deutsche Diplomatie hat
keine Veranlassung, eine Initiative in irgend einer Richtung zu entwickeln; sie
sammelt Nachrichten, beobachtet die Stimmung, wahrt im übrigen die Interessen
des Reichs und wartet, ob Türken oder Italiener ihrer Mitwirkung zum Friedens¬
<S- Li. schluß bedürfen.




Verantwortliche Schrittleiter: für den politischen Teil der Herausgeber George Eleinow-Schöneberg, für den
litorarischen Teil und die Redaktion Heinz Amelung-Friedenau, -- Manuskriptsendungen und Briefe werden
ausschlieszlich an die Adresse der Schriftleitung Berlin SV, II, Bernburger Strasze Wa/23, erbeten, -- Sprechstunden
der Schriftlcitung: Montags 10--12 Uhr, Donnerstags 11--1 Uhr,
Verlag: Verlag der Grenzboten G,in,b,H, in Berlin SV, 11,
Druck- "Der Reichsbote" G, in, b. H, in Berlin SW, 11. Dessauer Strasze 37,
China hat ihm völlig recht gegeben. -- Zu unserer Freude können wir unseren Lesern schon
heute mitteilen, daß wir dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen der Witwe des Gelehrten,
Frau Prof. Lilly Grube, in der Lage sind, eine größere Zahl von Briefen Grubes in den
nächsten Heften zu veröffentlichen.
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Noch unfreundlicher gestaltet sich das Bild am Mittelländischen Meer. Je
länger der Krieg zwischen Italien und der Türkei währt, um so größer
ist die Gefahr seines Übergreifens auf europäisches Gebiet. Italien beginnt die
Fehlerhaftigkeit seiner Voraussetzungen, in Tripolis leichtes Spiel zu haben, zu
erkennen. Durch die Lokalisierung des Kriegsschauplatzes auf die Sorte ist es
recht eingeschränkt und kann seine militärische Bereitschaft nicht voll zur Ent¬
faltung bringen. Unterdessen sind die Türken befähigt, die Küste des Adriatischen
Meeres in verteidigungsfähigen Zustand zu setzen und Italien erfolgreich Wider¬
stand zu leisten, falls dieses ungeachtet der Warnungen seiner Freunde einen
Landungsversuch in Albanien machen sollte. Doch soweit brauchen wir heute
kaum schon zu denken, wenn auch die italienische Presse einen starken Druck auf
die Regierung ausübt. Deutschlands Haltung im Falle einer Landung Italiens
in Albanien wäre abhängig von dem Verhalten Österreich-Ungarns und Ru߬
lands. Jedenfalls dürfte es kaum in die Lage kommen, zugunsten eines der
kriegführenden Teile das Schwert zu ziehen.

Das gleiche darf auch hinsichtlich Koweits angenommen werden, das schon
seit den achtzehnhundertachtziger Jahren das Ziel englischer Begehrlichkeit ist.
Wenn die Türkei sich dieses Gebiets entäußert, so steht es keiner dritten Macht
an, sie daran hindern zu wollen, es sei denn, sie böte bessere Bedingungen.
Daß aber Deutschland in Vorderasien Kolonien erwerben wolle, geht aus seinem
bisherigen Vorgehen in keiner Weise hervor.

Die Friedens aussichten sind während der abgelaufenen Woche nicht besser
geworden. In Konstantinopel ist man kriegerischer denn je, und was von Nach¬
richten über angestrebte und angebotene Friedensvermittlung verbreitet wird,
bericht zumeist wohl auf Kombinationen derer, die ein Interesse an baldigem
Friedensschluß haben. Besonders scheint die Deutschland zugeschriebene Rolle
nicht ganz mit den Tatsachen übereinzustimmen. Die deutsche Diplomatie hat
keine Veranlassung, eine Initiative in irgend einer Richtung zu entwickeln; sie
sammelt Nachrichten, beobachtet die Stimmung, wahrt im übrigen die Interessen
des Reichs und wartet, ob Türken oder Italiener ihrer Mitwirkung zum Friedens¬
<S- Li. schluß bedürfen.




Verantwortliche Schrittleiter: für den politischen Teil der Herausgeber George Eleinow-Schöneberg, für den
litorarischen Teil und die Redaktion Heinz Amelung-Friedenau, — Manuskriptsendungen und Briefe werden
ausschlieszlich an die Adresse der Schriftleitung Berlin SV, II, Bernburger Strasze Wa/23, erbeten, — Sprechstunden
der Schriftlcitung: Montags 10—12 Uhr, Donnerstags 11—1 Uhr,
Verlag: Verlag der Grenzboten G,in,b,H, in Berlin SV, 11,
Druck- „Der Reichsbote" G, in, b. H, in Berlin SW, 11. Dessauer Strasze 37,
China hat ihm völlig recht gegeben. — Zu unserer Freude können wir unseren Lesern schon
heute mitteilen, daß wir dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen der Witwe des Gelehrten,
Frau Prof. Lilly Grube, in der Lage sind, eine größere Zahl von Briefen Grubes in den
nächsten Heften zu veröffentlichen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/212>, abgerufen am 23.07.2024.