Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neichsbank und Geldumlauf

Wie hat sich nun die Maßregel, über deren Berechtigung und Notwendig¬
keit ein lebhafter Streit entbrannte, in der Praxis bewährt? Zunächst ist der
hauptsächlich beabsichtigte Erfolg in der Tat erreicht worden: die Inanspruch¬
nahme des Lombardkontos ist beträchtlich gesunken. Während sonst an den
Quartalsterminen der Lombardbestand um 200 Millionen anzuschwellen pflegte,
trat Ende Juni nur eine minimale Zunahme von acht Millionen, Ende September
von 29 Millionen ein. Mit den Ziffern der vorjährigen Parallelmoiiate
verglichen ist daher die Lombardanlage erheblich kleiner. Aber um so höher
ist der Wechselbestand. Die Gesamtansprüche sind also nicht zurückgegangen,
sondern sie sind nur vorwiegend im Wege der Wechseldiskontierung befriedigt
worden. Die Verschlechterung des Status war sogar in diesem Jahre noch
größer, da sie sich im Juni auf 633,6 gegen 628,7 Millionen, im September
auf 774 gegen 664 Millionen berechnet. Andererseits ist die Metalldeckung der
Noten eine etwas bessere geworden als im Vorjahr, doch ist der Prozentsatz
in der letzten Juniwoche von 83,4 auf S7, Ende September sogar auf 44,9
Prozent gesunken.

Aus alledem ergibt sich, daß den restriktiven Maßregeln der Neichsbank
nur ein bedingter Wert für den Status beizumessen ist. Sie haben sich als
wirksam erwiesen, insofern als die Geldentnahme auf den Weg der Wechsel¬
diskontierung gedrängt worden ist, sie haben dagegen versagt, insoweit eine
Erleichterung der Reichsbank im ganzen in Frage kommt. Nun ist der Vorteil,
welcher der Bank aus der rationelleren Art der Kreditgewährung durch Wechsel¬
diskontierung erwächst, gewiß nicht zu unterschätzen. Indessen wird er dadurch
erheblich beeinträchtigt, daß sich Begleiterscheinungen gezeigt haben, die als
höchst unerfreulich zu bezeichnen sind. Die Geldgeber am offenen Markt haben
sich nämlich die Situation zunutze gemacht und für Darlehn über den Monats¬
schluß gleichfalls den Zinszuschlag der Reichsbank in Anrechnung gebracht.
Hierdurch sind Zinssätze von 15 und 17 Prozent entstanden, die mit der Geld¬
marktlage in schreienden Widerspruch standen. Es ist begreiflich, daß solche
Zinssätze von den Geldnehmern als eine Ausbeutung empfunden wurden, um
so mehr als im Sommer infolge der ungewöhnlich starken ausländischen Guthaben
große Geldflüssigkeit am Markte herrschte, die sofort nach dem Quartalswechsel in
einem rapiden Rückgang des Privatdiskonts zutage trat. Diese Wirkung entsprach
sicherlich nicht den Absichten der Reichsbank. Man kann aber den Banken kaum
einen Vorwurf aus ihrem Vorgehen machen. Denn wenn die Neichsbank
den Leihpreis des Geldes in dieser Weise fixiert, muß nach den Gesetzen
des Marktes diese Preisfestsetzung sich zur allgemeinen Norm gestalten.
Das Odium trifft also die Reichsbank. Sie wird es sich daher zu überlegen
haben, ob der Vorteil, - den sie erzielt, nicht durch die außerordentliche
Beunruhigung des Geldmarktes, die Sprunghafte Bewegung der Zinssätze
und Devisenkurse und die starke Belastung der Geldnehmer nicht zu teuer
erkauft ist.


Neichsbank und Geldumlauf

Wie hat sich nun die Maßregel, über deren Berechtigung und Notwendig¬
keit ein lebhafter Streit entbrannte, in der Praxis bewährt? Zunächst ist der
hauptsächlich beabsichtigte Erfolg in der Tat erreicht worden: die Inanspruch¬
nahme des Lombardkontos ist beträchtlich gesunken. Während sonst an den
Quartalsterminen der Lombardbestand um 200 Millionen anzuschwellen pflegte,
trat Ende Juni nur eine minimale Zunahme von acht Millionen, Ende September
von 29 Millionen ein. Mit den Ziffern der vorjährigen Parallelmoiiate
verglichen ist daher die Lombardanlage erheblich kleiner. Aber um so höher
ist der Wechselbestand. Die Gesamtansprüche sind also nicht zurückgegangen,
sondern sie sind nur vorwiegend im Wege der Wechseldiskontierung befriedigt
worden. Die Verschlechterung des Status war sogar in diesem Jahre noch
größer, da sie sich im Juni auf 633,6 gegen 628,7 Millionen, im September
auf 774 gegen 664 Millionen berechnet. Andererseits ist die Metalldeckung der
Noten eine etwas bessere geworden als im Vorjahr, doch ist der Prozentsatz
in der letzten Juniwoche von 83,4 auf S7, Ende September sogar auf 44,9
Prozent gesunken.

Aus alledem ergibt sich, daß den restriktiven Maßregeln der Neichsbank
nur ein bedingter Wert für den Status beizumessen ist. Sie haben sich als
wirksam erwiesen, insofern als die Geldentnahme auf den Weg der Wechsel¬
diskontierung gedrängt worden ist, sie haben dagegen versagt, insoweit eine
Erleichterung der Reichsbank im ganzen in Frage kommt. Nun ist der Vorteil,
welcher der Bank aus der rationelleren Art der Kreditgewährung durch Wechsel¬
diskontierung erwächst, gewiß nicht zu unterschätzen. Indessen wird er dadurch
erheblich beeinträchtigt, daß sich Begleiterscheinungen gezeigt haben, die als
höchst unerfreulich zu bezeichnen sind. Die Geldgeber am offenen Markt haben
sich nämlich die Situation zunutze gemacht und für Darlehn über den Monats¬
schluß gleichfalls den Zinszuschlag der Reichsbank in Anrechnung gebracht.
Hierdurch sind Zinssätze von 15 und 17 Prozent entstanden, die mit der Geld¬
marktlage in schreienden Widerspruch standen. Es ist begreiflich, daß solche
Zinssätze von den Geldnehmern als eine Ausbeutung empfunden wurden, um
so mehr als im Sommer infolge der ungewöhnlich starken ausländischen Guthaben
große Geldflüssigkeit am Markte herrschte, die sofort nach dem Quartalswechsel in
einem rapiden Rückgang des Privatdiskonts zutage trat. Diese Wirkung entsprach
sicherlich nicht den Absichten der Reichsbank. Man kann aber den Banken kaum
einen Vorwurf aus ihrem Vorgehen machen. Denn wenn die Neichsbank
den Leihpreis des Geldes in dieser Weise fixiert, muß nach den Gesetzen
des Marktes diese Preisfestsetzung sich zur allgemeinen Norm gestalten.
Das Odium trifft also die Reichsbank. Sie wird es sich daher zu überlegen
haben, ob der Vorteil, - den sie erzielt, nicht durch die außerordentliche
Beunruhigung des Geldmarktes, die Sprunghafte Bewegung der Zinssätze
und Devisenkurse und die starke Belastung der Geldnehmer nicht zu teuer
erkauft ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319787"/>
          <fw type="header" place="top"> Neichsbank und Geldumlauf</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_732"> Wie hat sich nun die Maßregel, über deren Berechtigung und Notwendig¬<lb/>
keit ein lebhafter Streit entbrannte, in der Praxis bewährt? Zunächst ist der<lb/>
hauptsächlich beabsichtigte Erfolg in der Tat erreicht worden: die Inanspruch¬<lb/>
nahme des Lombardkontos ist beträchtlich gesunken. Während sonst an den<lb/>
Quartalsterminen der Lombardbestand um 200 Millionen anzuschwellen pflegte,<lb/>
trat Ende Juni nur eine minimale Zunahme von acht Millionen, Ende September<lb/>
von 29 Millionen ein. Mit den Ziffern der vorjährigen Parallelmoiiate<lb/>
verglichen ist daher die Lombardanlage erheblich kleiner. Aber um so höher<lb/>
ist der Wechselbestand. Die Gesamtansprüche sind also nicht zurückgegangen,<lb/>
sondern sie sind nur vorwiegend im Wege der Wechseldiskontierung befriedigt<lb/>
worden. Die Verschlechterung des Status war sogar in diesem Jahre noch<lb/>
größer, da sie sich im Juni auf 633,6 gegen 628,7 Millionen, im September<lb/>
auf 774 gegen 664 Millionen berechnet. Andererseits ist die Metalldeckung der<lb/>
Noten eine etwas bessere geworden als im Vorjahr, doch ist der Prozentsatz<lb/>
in der letzten Juniwoche von 83,4 auf S7, Ende September sogar auf 44,9<lb/>
Prozent gesunken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_733"> Aus alledem ergibt sich, daß den restriktiven Maßregeln der Neichsbank<lb/>
nur ein bedingter Wert für den Status beizumessen ist. Sie haben sich als<lb/>
wirksam erwiesen, insofern als die Geldentnahme auf den Weg der Wechsel¬<lb/>
diskontierung gedrängt worden ist, sie haben dagegen versagt, insoweit eine<lb/>
Erleichterung der Reichsbank im ganzen in Frage kommt. Nun ist der Vorteil,<lb/>
welcher der Bank aus der rationelleren Art der Kreditgewährung durch Wechsel¬<lb/>
diskontierung erwächst, gewiß nicht zu unterschätzen. Indessen wird er dadurch<lb/>
erheblich beeinträchtigt, daß sich Begleiterscheinungen gezeigt haben, die als<lb/>
höchst unerfreulich zu bezeichnen sind. Die Geldgeber am offenen Markt haben<lb/>
sich nämlich die Situation zunutze gemacht und für Darlehn über den Monats¬<lb/>
schluß gleichfalls den Zinszuschlag der Reichsbank in Anrechnung gebracht.<lb/>
Hierdurch sind Zinssätze von 15 und 17 Prozent entstanden, die mit der Geld¬<lb/>
marktlage in schreienden Widerspruch standen. Es ist begreiflich, daß solche<lb/>
Zinssätze von den Geldnehmern als eine Ausbeutung empfunden wurden, um<lb/>
so mehr als im Sommer infolge der ungewöhnlich starken ausländischen Guthaben<lb/>
große Geldflüssigkeit am Markte herrschte, die sofort nach dem Quartalswechsel in<lb/>
einem rapiden Rückgang des Privatdiskonts zutage trat. Diese Wirkung entsprach<lb/>
sicherlich nicht den Absichten der Reichsbank. Man kann aber den Banken kaum<lb/>
einen Vorwurf aus ihrem Vorgehen machen. Denn wenn die Neichsbank<lb/>
den Leihpreis des Geldes in dieser Weise fixiert, muß nach den Gesetzen<lb/>
des Marktes diese Preisfestsetzung sich zur allgemeinen Norm gestalten.<lb/>
Das Odium trifft also die Reichsbank. Sie wird es sich daher zu überlegen<lb/>
haben, ob der Vorteil, - den sie erzielt, nicht durch die außerordentliche<lb/>
Beunruhigung des Geldmarktes, die Sprunghafte Bewegung der Zinssätze<lb/>
und Devisenkurse und die starke Belastung der Geldnehmer nicht zu teuer<lb/>
erkauft ist.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0186] Neichsbank und Geldumlauf Wie hat sich nun die Maßregel, über deren Berechtigung und Notwendig¬ keit ein lebhafter Streit entbrannte, in der Praxis bewährt? Zunächst ist der hauptsächlich beabsichtigte Erfolg in der Tat erreicht worden: die Inanspruch¬ nahme des Lombardkontos ist beträchtlich gesunken. Während sonst an den Quartalsterminen der Lombardbestand um 200 Millionen anzuschwellen pflegte, trat Ende Juni nur eine minimale Zunahme von acht Millionen, Ende September von 29 Millionen ein. Mit den Ziffern der vorjährigen Parallelmoiiate verglichen ist daher die Lombardanlage erheblich kleiner. Aber um so höher ist der Wechselbestand. Die Gesamtansprüche sind also nicht zurückgegangen, sondern sie sind nur vorwiegend im Wege der Wechseldiskontierung befriedigt worden. Die Verschlechterung des Status war sogar in diesem Jahre noch größer, da sie sich im Juni auf 633,6 gegen 628,7 Millionen, im September auf 774 gegen 664 Millionen berechnet. Andererseits ist die Metalldeckung der Noten eine etwas bessere geworden als im Vorjahr, doch ist der Prozentsatz in der letzten Juniwoche von 83,4 auf S7, Ende September sogar auf 44,9 Prozent gesunken. Aus alledem ergibt sich, daß den restriktiven Maßregeln der Neichsbank nur ein bedingter Wert für den Status beizumessen ist. Sie haben sich als wirksam erwiesen, insofern als die Geldentnahme auf den Weg der Wechsel¬ diskontierung gedrängt worden ist, sie haben dagegen versagt, insoweit eine Erleichterung der Reichsbank im ganzen in Frage kommt. Nun ist der Vorteil, welcher der Bank aus der rationelleren Art der Kreditgewährung durch Wechsel¬ diskontierung erwächst, gewiß nicht zu unterschätzen. Indessen wird er dadurch erheblich beeinträchtigt, daß sich Begleiterscheinungen gezeigt haben, die als höchst unerfreulich zu bezeichnen sind. Die Geldgeber am offenen Markt haben sich nämlich die Situation zunutze gemacht und für Darlehn über den Monats¬ schluß gleichfalls den Zinszuschlag der Reichsbank in Anrechnung gebracht. Hierdurch sind Zinssätze von 15 und 17 Prozent entstanden, die mit der Geld¬ marktlage in schreienden Widerspruch standen. Es ist begreiflich, daß solche Zinssätze von den Geldnehmern als eine Ausbeutung empfunden wurden, um so mehr als im Sommer infolge der ungewöhnlich starken ausländischen Guthaben große Geldflüssigkeit am Markte herrschte, die sofort nach dem Quartalswechsel in einem rapiden Rückgang des Privatdiskonts zutage trat. Diese Wirkung entsprach sicherlich nicht den Absichten der Reichsbank. Man kann aber den Banken kaum einen Vorwurf aus ihrem Vorgehen machen. Denn wenn die Neichsbank den Leihpreis des Geldes in dieser Weise fixiert, muß nach den Gesetzen des Marktes diese Preisfestsetzung sich zur allgemeinen Norm gestalten. Das Odium trifft also die Reichsbank. Sie wird es sich daher zu überlegen haben, ob der Vorteil, - den sie erzielt, nicht durch die außerordentliche Beunruhigung des Geldmarktes, die Sprunghafte Bewegung der Zinssätze und Devisenkurse und die starke Belastung der Geldnehmer nicht zu teuer erkauft ist.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/186
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/186>, abgerufen am 23.07.2024.