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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Reichsbank und Geldumlauf

Der größeren Öffentlichkeit ist das Bestehen solcher Zweifel jüngst dadurch
wieder zum deutlichen Bewußtsein gekommen, daß die Verwaltung der Reichs¬
bank besondere Maßregeln für erforderlich gehalten hat, um der übermäßigen
Inanspruchnahme des Instituts an den Ouartalsterminen zu begegnen. Schon
Ende März, als der Status der Reichsbank in einer Woche eine Verschlechterung
um 700 Millionen Mark erfuhr, nahm der Präsident Gelegenheit, in der
Sitzung des Zentralausschusses darauf hinzuweisen, daß diese Erscheinung
unerfreulich und bedenklich sei. Sie setze die Bank der Gefahr aus, plötzlich
die Grenze der Dritteldeckung erreicht zu sehen und zwar in einer Periode
ruhiger durch keinerlei Komplikationen gestörter wirtschaftlicher Weiterentwicklung >
Es seien die Banken, welche die Schuld an dieser ganz ungewöhnlichen, und
von Quartal zu Quartal sprunghaft wachsenden Beanspruchung der Reichsbank
treffe. Der Konstatierung dieser Tatsache hat die Reichsbank dann eine Abwehr¬
maßregel auf dem Fuße folgen lassen. Sie hat die Lombardentnahmen an
den Quartalsterminen dadurch erschwert, daß sie die kurz vor oder nach dem
Monatswechsel aufgenommenen Darlehen einem Zinszuschlag von zehn Tagen
unterworfen hat, sofern das Darlehn den Betrag von 30000 Mark übersteigt.
Die Maßregel sollte also nicht den kleinen Geldleihern das Kapital verteuern,
sondern sie war im Einklang mit den obenerwähnten Äußerungen des Präsidenten
gegen die Großen gerichtet. Für diese bedeutet die Maßregel eine erhebliche
Kreditverteuerung und demzufolge auch eine Krediterschwerung. Für ein Dar¬
lehn auf die Dauer von zwei, drei Tagen hat ja der Entleiher Zinsen für
zwölf oder dreizehn Tage zu entrichten. Indem aber die Reichsbank die Be¬
dingungen für ihre normale Kreditgewährung, den Wechseldiskont, unverändert
läßt, weist sie die Befriedigung der Kreditbedürfnifse auf diesen Weg, auf dem
sie ohne Mehraufwendung erfolgen kann. Die Banken pflegten bisher bei ihren
Entnahmen am Ouartalstermin das Lombardkonto zu bevorzugen, weil diese
Geldbeschaffung sich sür sie billiger stellte als die Diskontierung länger laufender
Wechsel. Die Hergabe großer Summen als Darlehn gegen Unterpfand (Effekten
oder Wechsel) hat aber für die Reichsbank den Nachteil, daß diese Unterlagen
nicht als Deckung für die ausgegebenen Noten in Betracht kommen. Je stärker
sich also die Inanspruchnahme des Lombardkontos gestaltet, um so schlechter
muß das Deckungsverhältnis der Noten werden. Dagegen dienen die von der
Reichsbank angekauften Wechsel als Notendeckung und bei gleicher Gesamt¬
beanspruchung erweist sich daher eine Vermehrung der Wechselanlage auf Kosten
der Lombarddarlehn für die Reichsbank von unmittelbarem Vorteil.

Hieraus ergibt sich, daß die Verteuerung des Lombardkredits nicht eine
Maßregel war, die sich gegen die Beanspruchung der Neichsbank überhaupt
richtete, sondern eine solche, die eine gewisse Art derselben treffen sollte. Eine
vom Standpunkt der Bank unerwünschte und ihr nachteilige Form der Geld-
dispofition sollte dadurch beseitigt oder eingeschränkt werden. Zugleich durfte man als
erwünschte Nebenwirkung einen schnelleren Rückfluß nach dem Termin erwarten.


Reichsbank und Geldumlauf

Der größeren Öffentlichkeit ist das Bestehen solcher Zweifel jüngst dadurch
wieder zum deutlichen Bewußtsein gekommen, daß die Verwaltung der Reichs¬
bank besondere Maßregeln für erforderlich gehalten hat, um der übermäßigen
Inanspruchnahme des Instituts an den Ouartalsterminen zu begegnen. Schon
Ende März, als der Status der Reichsbank in einer Woche eine Verschlechterung
um 700 Millionen Mark erfuhr, nahm der Präsident Gelegenheit, in der
Sitzung des Zentralausschusses darauf hinzuweisen, daß diese Erscheinung
unerfreulich und bedenklich sei. Sie setze die Bank der Gefahr aus, plötzlich
die Grenze der Dritteldeckung erreicht zu sehen und zwar in einer Periode
ruhiger durch keinerlei Komplikationen gestörter wirtschaftlicher Weiterentwicklung >
Es seien die Banken, welche die Schuld an dieser ganz ungewöhnlichen, und
von Quartal zu Quartal sprunghaft wachsenden Beanspruchung der Reichsbank
treffe. Der Konstatierung dieser Tatsache hat die Reichsbank dann eine Abwehr¬
maßregel auf dem Fuße folgen lassen. Sie hat die Lombardentnahmen an
den Quartalsterminen dadurch erschwert, daß sie die kurz vor oder nach dem
Monatswechsel aufgenommenen Darlehen einem Zinszuschlag von zehn Tagen
unterworfen hat, sofern das Darlehn den Betrag von 30000 Mark übersteigt.
Die Maßregel sollte also nicht den kleinen Geldleihern das Kapital verteuern,
sondern sie war im Einklang mit den obenerwähnten Äußerungen des Präsidenten
gegen die Großen gerichtet. Für diese bedeutet die Maßregel eine erhebliche
Kreditverteuerung und demzufolge auch eine Krediterschwerung. Für ein Dar¬
lehn auf die Dauer von zwei, drei Tagen hat ja der Entleiher Zinsen für
zwölf oder dreizehn Tage zu entrichten. Indem aber die Reichsbank die Be¬
dingungen für ihre normale Kreditgewährung, den Wechseldiskont, unverändert
läßt, weist sie die Befriedigung der Kreditbedürfnifse auf diesen Weg, auf dem
sie ohne Mehraufwendung erfolgen kann. Die Banken pflegten bisher bei ihren
Entnahmen am Ouartalstermin das Lombardkonto zu bevorzugen, weil diese
Geldbeschaffung sich sür sie billiger stellte als die Diskontierung länger laufender
Wechsel. Die Hergabe großer Summen als Darlehn gegen Unterpfand (Effekten
oder Wechsel) hat aber für die Reichsbank den Nachteil, daß diese Unterlagen
nicht als Deckung für die ausgegebenen Noten in Betracht kommen. Je stärker
sich also die Inanspruchnahme des Lombardkontos gestaltet, um so schlechter
muß das Deckungsverhältnis der Noten werden. Dagegen dienen die von der
Reichsbank angekauften Wechsel als Notendeckung und bei gleicher Gesamt¬
beanspruchung erweist sich daher eine Vermehrung der Wechselanlage auf Kosten
der Lombarddarlehn für die Reichsbank von unmittelbarem Vorteil.

Hieraus ergibt sich, daß die Verteuerung des Lombardkredits nicht eine
Maßregel war, die sich gegen die Beanspruchung der Neichsbank überhaupt
richtete, sondern eine solche, die eine gewisse Art derselben treffen sollte. Eine
vom Standpunkt der Bank unerwünschte und ihr nachteilige Form der Geld-
dispofition sollte dadurch beseitigt oder eingeschränkt werden. Zugleich durfte man als
erwünschte Nebenwirkung einen schnelleren Rückfluß nach dem Termin erwarten.


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[0185] Reichsbank und Geldumlauf Der größeren Öffentlichkeit ist das Bestehen solcher Zweifel jüngst dadurch wieder zum deutlichen Bewußtsein gekommen, daß die Verwaltung der Reichs¬ bank besondere Maßregeln für erforderlich gehalten hat, um der übermäßigen Inanspruchnahme des Instituts an den Ouartalsterminen zu begegnen. Schon Ende März, als der Status der Reichsbank in einer Woche eine Verschlechterung um 700 Millionen Mark erfuhr, nahm der Präsident Gelegenheit, in der Sitzung des Zentralausschusses darauf hinzuweisen, daß diese Erscheinung unerfreulich und bedenklich sei. Sie setze die Bank der Gefahr aus, plötzlich die Grenze der Dritteldeckung erreicht zu sehen und zwar in einer Periode ruhiger durch keinerlei Komplikationen gestörter wirtschaftlicher Weiterentwicklung > Es seien die Banken, welche die Schuld an dieser ganz ungewöhnlichen, und von Quartal zu Quartal sprunghaft wachsenden Beanspruchung der Reichsbank treffe. Der Konstatierung dieser Tatsache hat die Reichsbank dann eine Abwehr¬ maßregel auf dem Fuße folgen lassen. Sie hat die Lombardentnahmen an den Quartalsterminen dadurch erschwert, daß sie die kurz vor oder nach dem Monatswechsel aufgenommenen Darlehen einem Zinszuschlag von zehn Tagen unterworfen hat, sofern das Darlehn den Betrag von 30000 Mark übersteigt. Die Maßregel sollte also nicht den kleinen Geldleihern das Kapital verteuern, sondern sie war im Einklang mit den obenerwähnten Äußerungen des Präsidenten gegen die Großen gerichtet. Für diese bedeutet die Maßregel eine erhebliche Kreditverteuerung und demzufolge auch eine Krediterschwerung. Für ein Dar¬ lehn auf die Dauer von zwei, drei Tagen hat ja der Entleiher Zinsen für zwölf oder dreizehn Tage zu entrichten. Indem aber die Reichsbank die Be¬ dingungen für ihre normale Kreditgewährung, den Wechseldiskont, unverändert läßt, weist sie die Befriedigung der Kreditbedürfnifse auf diesen Weg, auf dem sie ohne Mehraufwendung erfolgen kann. Die Banken pflegten bisher bei ihren Entnahmen am Ouartalstermin das Lombardkonto zu bevorzugen, weil diese Geldbeschaffung sich sür sie billiger stellte als die Diskontierung länger laufender Wechsel. Die Hergabe großer Summen als Darlehn gegen Unterpfand (Effekten oder Wechsel) hat aber für die Reichsbank den Nachteil, daß diese Unterlagen nicht als Deckung für die ausgegebenen Noten in Betracht kommen. Je stärker sich also die Inanspruchnahme des Lombardkontos gestaltet, um so schlechter muß das Deckungsverhältnis der Noten werden. Dagegen dienen die von der Reichsbank angekauften Wechsel als Notendeckung und bei gleicher Gesamt¬ beanspruchung erweist sich daher eine Vermehrung der Wechselanlage auf Kosten der Lombarddarlehn für die Reichsbank von unmittelbarem Vorteil. Hieraus ergibt sich, daß die Verteuerung des Lombardkredits nicht eine Maßregel war, die sich gegen die Beanspruchung der Neichsbank überhaupt richtete, sondern eine solche, die eine gewisse Art derselben treffen sollte. Eine vom Standpunkt der Bank unerwünschte und ihr nachteilige Form der Geld- dispofition sollte dadurch beseitigt oder eingeschränkt werden. Zugleich durfte man als erwünschte Nebenwirkung einen schnelleren Rückfluß nach dem Termin erwarten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/185>, abgerufen am 23.07.2024.