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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Schutz dem deutschen Arbeiter

geführt. Zu leugnen ist es nicht, daß diese zum Teil minderwertigen fremden
Arbeitskräfte auf die Löhne der heimischen Arbeiter drücken. Es läge nahe,
diese fremden Arbeiter in großer Zahl bei umfassenden Streiks heranzuziehen,
wie Rom die Germanen für seine Kriegsdienste heranzog." (Womit Rom sich
selbst umbrachte.) "Sollten dann diese fremden Arbeiter auch unter den Schutz
eines Arbeitswilligengesetzes gestellt werden? Wir glauben das verneinen zu
müssen. In allen Lohnkämpfen, wo der Schutz der Waffen für die Arbeits¬
willigen eintreten soll, dürfen nicht ausländische Arbeiter unter diesem Schutz
herangeholt werden. Wenn ein solcher Streik deutscher Arbeiter durch galizische
oder tschechische Arbeiter auch nur einmal gebrochen würde, so wäre das Arbeits-
willigengesetz und jeder Schutz der Arbeitswilligen für alle Zeiten gerichtet.
Denn allerdings gegen die Konkurrenz dieser kulturfremden, minderwertigen
ausländischen Menschenware braucht der deutsche Arbeiter unter Umständen ein
Streikrecht, wenn anders der deutsche Arbeiter seine Kulturhöhe, die mühsame
Volksarbeit vieler Jahrhunderte, bewahren will. Wir setzen dabei voraus, daß
es deutsche Arbeiter sind, nicht nur internationalisierte, vaterlandsfreie Arbeiter-
füuste. Streikterror auf der Straße wäre schließlich gerechter als das Leiden
solcher Arbeitskonkurrenz bei inneren Lohnkämpfen. Darum kein Arbeitswilligen-
gesetz ohne einschränkende Paragraphen über die Konkurrenz der ausländischen
Arbeit. Anders wäre es vor dem deutschen Volke nicht zu verantworten." So
die sogenannten Scharfmacher.

Diese drei Stimmen sind, in Anbetracht der Lager, aus denen sie stammen,
nämlich dem der Agrarier, der industriellen Arbeiter und der industriellen
Unternehmer, und in Anbetracht des Geistes, den jede von ihnen atmet, ein
Beweis, daß es in Deutschland in allen Parteien doch noch mehr gibt als
bloße Jnteressenpoliük, daß es auch noch Gewissenspolitik gibt, und darauf bauen
wir unsere Hoffnung, daß mit Hilfe dieser Gewissenspolitik auch noch ein wahrer
Fortschritt unseres Volkes möglich ist; denn das Sittliche ist auch in der materiellen
Welt und auch in der politischen Welt doch zuletzt das Siegreiche.

Diese drei Stimmen der Agrarier, der Arbeiter und der Unternehmer
kommen mir vor wie die drei Weisen aus dein Morgenlande, die prophezeien
von einer neuen Idee als von einem Kindlein, das noch in den Windeln liegt,
aber mal ein starker Held werden kann. Wir können solch eine Idee brauchen,
die über den allgemeinen gedankenlosen Kampf aller gegen alle wie ein Schlachtruf
hinfährt, nach dem die Scharen von neuem in zwei Fronten sich ordnen zum
ehrlichen Kampf auf grünem Feld.

Unser politisches Leben gleicht einem polygonalen Duell, einer vieleckigen
Schießerei. Aber in keinem Programm der vielen Parteien und Parteichen, die sich da
im Kampf mit zwei und mehr Fronten abmühen, hat diese Idee "Schutz dem Arbeiter"
einen festen Platz, und das mit Recht; denn sie ist mehr als eine Parteiidee.

, Diese Idee hat keinen rein agrarischen Charakter. Im Gegenteil, es sieht
ja aus, als wenn sie sich gegen das Agrariertum wendet, indem sie von diesem


Schutz dem deutschen Arbeiter

geführt. Zu leugnen ist es nicht, daß diese zum Teil minderwertigen fremden
Arbeitskräfte auf die Löhne der heimischen Arbeiter drücken. Es läge nahe,
diese fremden Arbeiter in großer Zahl bei umfassenden Streiks heranzuziehen,
wie Rom die Germanen für seine Kriegsdienste heranzog." (Womit Rom sich
selbst umbrachte.) „Sollten dann diese fremden Arbeiter auch unter den Schutz
eines Arbeitswilligengesetzes gestellt werden? Wir glauben das verneinen zu
müssen. In allen Lohnkämpfen, wo der Schutz der Waffen für die Arbeits¬
willigen eintreten soll, dürfen nicht ausländische Arbeiter unter diesem Schutz
herangeholt werden. Wenn ein solcher Streik deutscher Arbeiter durch galizische
oder tschechische Arbeiter auch nur einmal gebrochen würde, so wäre das Arbeits-
willigengesetz und jeder Schutz der Arbeitswilligen für alle Zeiten gerichtet.
Denn allerdings gegen die Konkurrenz dieser kulturfremden, minderwertigen
ausländischen Menschenware braucht der deutsche Arbeiter unter Umständen ein
Streikrecht, wenn anders der deutsche Arbeiter seine Kulturhöhe, die mühsame
Volksarbeit vieler Jahrhunderte, bewahren will. Wir setzen dabei voraus, daß
es deutsche Arbeiter sind, nicht nur internationalisierte, vaterlandsfreie Arbeiter-
füuste. Streikterror auf der Straße wäre schließlich gerechter als das Leiden
solcher Arbeitskonkurrenz bei inneren Lohnkämpfen. Darum kein Arbeitswilligen-
gesetz ohne einschränkende Paragraphen über die Konkurrenz der ausländischen
Arbeit. Anders wäre es vor dem deutschen Volke nicht zu verantworten." So
die sogenannten Scharfmacher.

Diese drei Stimmen sind, in Anbetracht der Lager, aus denen sie stammen,
nämlich dem der Agrarier, der industriellen Arbeiter und der industriellen
Unternehmer, und in Anbetracht des Geistes, den jede von ihnen atmet, ein
Beweis, daß es in Deutschland in allen Parteien doch noch mehr gibt als
bloße Jnteressenpoliük, daß es auch noch Gewissenspolitik gibt, und darauf bauen
wir unsere Hoffnung, daß mit Hilfe dieser Gewissenspolitik auch noch ein wahrer
Fortschritt unseres Volkes möglich ist; denn das Sittliche ist auch in der materiellen
Welt und auch in der politischen Welt doch zuletzt das Siegreiche.

Diese drei Stimmen der Agrarier, der Arbeiter und der Unternehmer
kommen mir vor wie die drei Weisen aus dein Morgenlande, die prophezeien
von einer neuen Idee als von einem Kindlein, das noch in den Windeln liegt,
aber mal ein starker Held werden kann. Wir können solch eine Idee brauchen,
die über den allgemeinen gedankenlosen Kampf aller gegen alle wie ein Schlachtruf
hinfährt, nach dem die Scharen von neuem in zwei Fronten sich ordnen zum
ehrlichen Kampf auf grünem Feld.

Unser politisches Leben gleicht einem polygonalen Duell, einer vieleckigen
Schießerei. Aber in keinem Programm der vielen Parteien und Parteichen, die sich da
im Kampf mit zwei und mehr Fronten abmühen, hat diese Idee „Schutz dem Arbeiter"
einen festen Platz, und das mit Recht; denn sie ist mehr als eine Parteiidee.

, Diese Idee hat keinen rein agrarischen Charakter. Im Gegenteil, es sieht
ja aus, als wenn sie sich gegen das Agrariertum wendet, indem sie von diesem


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[0128] Schutz dem deutschen Arbeiter geführt. Zu leugnen ist es nicht, daß diese zum Teil minderwertigen fremden Arbeitskräfte auf die Löhne der heimischen Arbeiter drücken. Es läge nahe, diese fremden Arbeiter in großer Zahl bei umfassenden Streiks heranzuziehen, wie Rom die Germanen für seine Kriegsdienste heranzog." (Womit Rom sich selbst umbrachte.) „Sollten dann diese fremden Arbeiter auch unter den Schutz eines Arbeitswilligengesetzes gestellt werden? Wir glauben das verneinen zu müssen. In allen Lohnkämpfen, wo der Schutz der Waffen für die Arbeits¬ willigen eintreten soll, dürfen nicht ausländische Arbeiter unter diesem Schutz herangeholt werden. Wenn ein solcher Streik deutscher Arbeiter durch galizische oder tschechische Arbeiter auch nur einmal gebrochen würde, so wäre das Arbeits- willigengesetz und jeder Schutz der Arbeitswilligen für alle Zeiten gerichtet. Denn allerdings gegen die Konkurrenz dieser kulturfremden, minderwertigen ausländischen Menschenware braucht der deutsche Arbeiter unter Umständen ein Streikrecht, wenn anders der deutsche Arbeiter seine Kulturhöhe, die mühsame Volksarbeit vieler Jahrhunderte, bewahren will. Wir setzen dabei voraus, daß es deutsche Arbeiter sind, nicht nur internationalisierte, vaterlandsfreie Arbeiter- füuste. Streikterror auf der Straße wäre schließlich gerechter als das Leiden solcher Arbeitskonkurrenz bei inneren Lohnkämpfen. Darum kein Arbeitswilligen- gesetz ohne einschränkende Paragraphen über die Konkurrenz der ausländischen Arbeit. Anders wäre es vor dem deutschen Volke nicht zu verantworten." So die sogenannten Scharfmacher. Diese drei Stimmen sind, in Anbetracht der Lager, aus denen sie stammen, nämlich dem der Agrarier, der industriellen Arbeiter und der industriellen Unternehmer, und in Anbetracht des Geistes, den jede von ihnen atmet, ein Beweis, daß es in Deutschland in allen Parteien doch noch mehr gibt als bloße Jnteressenpoliük, daß es auch noch Gewissenspolitik gibt, und darauf bauen wir unsere Hoffnung, daß mit Hilfe dieser Gewissenspolitik auch noch ein wahrer Fortschritt unseres Volkes möglich ist; denn das Sittliche ist auch in der materiellen Welt und auch in der politischen Welt doch zuletzt das Siegreiche. Diese drei Stimmen der Agrarier, der Arbeiter und der Unternehmer kommen mir vor wie die drei Weisen aus dein Morgenlande, die prophezeien von einer neuen Idee als von einem Kindlein, das noch in den Windeln liegt, aber mal ein starker Held werden kann. Wir können solch eine Idee brauchen, die über den allgemeinen gedankenlosen Kampf aller gegen alle wie ein Schlachtruf hinfährt, nach dem die Scharen von neuem in zwei Fronten sich ordnen zum ehrlichen Kampf auf grünem Feld. Unser politisches Leben gleicht einem polygonalen Duell, einer vieleckigen Schießerei. Aber in keinem Programm der vielen Parteien und Parteichen, die sich da im Kampf mit zwei und mehr Fronten abmühen, hat diese Idee „Schutz dem Arbeiter" einen festen Platz, und das mit Recht; denn sie ist mehr als eine Parteiidee. , Diese Idee hat keinen rein agrarischen Charakter. Im Gegenteil, es sieht ja aus, als wenn sie sich gegen das Agrariertum wendet, indem sie von diesem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/128>, abgerufen am 23.07.2024.