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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Die Universität Frankfurt a, M.

Setzung der Professoren wegen ihres religiösen Bekenntnisses charakterisiert sind,
von der Frankfurter Universität fern gehalten werden.

Man muß nun zugeben, daß der Frankfurter Magistrat und die Stadt¬
verordnetenversammlung bemüht sind, hier das Möglichste zu erreichen. Ob dies
genügt, und ob es gelingt, die Forderungen an den preußischen Staat auch
durchzusetzen, ist eine andere Frage. Die Denkschrift hebt zunächst hervor, daß
die durch Artikel 20 der Preußischen Verfassung gewährleistete Grundlage vor¬
aussetzungsloser freier Forschung und Lehre, unabhängig von konfessionellen
und politischen Richtungen vor allem festzulegen sei. Die Berufung der Pro¬
fessoren sollte wie bei den anderen preußischen Universitäten erfolgen. Hier ist
jedoch die Stadtverordnetenversammlung einen erheblichen Schritt weiter gegangen.
Sie verlangt, daß im Vertrage wie bei den Verhandlungen mit dem Staate
gefordert wird, daß das Vorschlagsrecht bei Ernennung ordentlicher und außer¬
ordentlicher Professoren in der Form, wie es bei der Akademie für Sozial- und
Handelswissenschaftcn gegeben ist, beibehalten werde, und daß die Ausübung
des Vorschlagsrechtes lediglich nach wissenschaftlichen Grundsätzen erfolge. Hier
wird nämlich nur ein einzelner Name für die zu besetzende Stelle präsentiert, und
die Ernennung erfolgt durch den Münster. Soll der zu Berufende zugleich Direktor
oder Dozent eines von den Stiftern für Universitätszwecke zur Verfügung
gestellten Instituts oder Krankenhauses werden, so erfolgt die Präsentation ^auf
Grund vorherige" Einverständnisses zwischen der Fakultät und der Verwaltung
des Instituts oder Krankenhauses. Unbeschadet der Selbstverwaltung der
Universität durch Senat, Rektor, Fakultäten und Dekane soll die Verwaltung
der Universität dnrch einen großen Rat und einen Verwaltungsausschuß wie
bei der Akademie erfolgen. In diesem Ausschusse sollen die Stifter, in erster
Linie natürlich der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung, angemessen
vertreten sein.

Da das Bernfungsverfahren bei der Akademie bisher durchaus zur Zu¬
friedenheit fungiert hat, so dürften in der Tat, wenn es auch für die Universität
gewährt wird, die wichtigsten organisatorischen Schwierigkeiten behoben sein.
Ob allerdings der preußische Staat, was er einer Akademie ohne Berechtigungen
gewährt, einer Volluniversität zuzugestehen geneigt sein wird, das läßt sich
mit einiger Sicherheit nicht voraussagen.

Die härteste Nuß bei dem ganzen Hochschulprojekt ist aber die Finanz¬
frage. In weiten Kreisen der Bürgerschaft traut man den Versprechungen nicht,
daß esbeider geringen vorgesehenenBclastung für die Stadt bleiben wird, und glaubt,
daß vielmehr das Lieblingskind des Herrn Adickes die Stadt noch schwere Opfer
kosten wird. Man fürchtet, daß trotz aller feierlichen Beschlüsse der Stadt¬
verordnetenversammlung, daß für Universitätszwecke auch in der Zukunft keine
weiteren städtischen Mittel in Anspruch genommen werden dürfen als die bereits
in Aussicht genommenen, diese formelle Festlegung gegenüber dem Zwange der Ent¬
wicklung nicht verfangen würde, wenn erst einmal die Universität wachse und weitere


Die Universität Frankfurt a, M.

Setzung der Professoren wegen ihres religiösen Bekenntnisses charakterisiert sind,
von der Frankfurter Universität fern gehalten werden.

Man muß nun zugeben, daß der Frankfurter Magistrat und die Stadt¬
verordnetenversammlung bemüht sind, hier das Möglichste zu erreichen. Ob dies
genügt, und ob es gelingt, die Forderungen an den preußischen Staat auch
durchzusetzen, ist eine andere Frage. Die Denkschrift hebt zunächst hervor, daß
die durch Artikel 20 der Preußischen Verfassung gewährleistete Grundlage vor¬
aussetzungsloser freier Forschung und Lehre, unabhängig von konfessionellen
und politischen Richtungen vor allem festzulegen sei. Die Berufung der Pro¬
fessoren sollte wie bei den anderen preußischen Universitäten erfolgen. Hier ist
jedoch die Stadtverordnetenversammlung einen erheblichen Schritt weiter gegangen.
Sie verlangt, daß im Vertrage wie bei den Verhandlungen mit dem Staate
gefordert wird, daß das Vorschlagsrecht bei Ernennung ordentlicher und außer¬
ordentlicher Professoren in der Form, wie es bei der Akademie für Sozial- und
Handelswissenschaftcn gegeben ist, beibehalten werde, und daß die Ausübung
des Vorschlagsrechtes lediglich nach wissenschaftlichen Grundsätzen erfolge. Hier
wird nämlich nur ein einzelner Name für die zu besetzende Stelle präsentiert, und
die Ernennung erfolgt durch den Münster. Soll der zu Berufende zugleich Direktor
oder Dozent eines von den Stiftern für Universitätszwecke zur Verfügung
gestellten Instituts oder Krankenhauses werden, so erfolgt die Präsentation ^auf
Grund vorherige» Einverständnisses zwischen der Fakultät und der Verwaltung
des Instituts oder Krankenhauses. Unbeschadet der Selbstverwaltung der
Universität durch Senat, Rektor, Fakultäten und Dekane soll die Verwaltung
der Universität dnrch einen großen Rat und einen Verwaltungsausschuß wie
bei der Akademie erfolgen. In diesem Ausschusse sollen die Stifter, in erster
Linie natürlich der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung, angemessen
vertreten sein.

Da das Bernfungsverfahren bei der Akademie bisher durchaus zur Zu¬
friedenheit fungiert hat, so dürften in der Tat, wenn es auch für die Universität
gewährt wird, die wichtigsten organisatorischen Schwierigkeiten behoben sein.
Ob allerdings der preußische Staat, was er einer Akademie ohne Berechtigungen
gewährt, einer Volluniversität zuzugestehen geneigt sein wird, das läßt sich
mit einiger Sicherheit nicht voraussagen.

Die härteste Nuß bei dem ganzen Hochschulprojekt ist aber die Finanz¬
frage. In weiten Kreisen der Bürgerschaft traut man den Versprechungen nicht,
daß esbeider geringen vorgesehenenBclastung für die Stadt bleiben wird, und glaubt,
daß vielmehr das Lieblingskind des Herrn Adickes die Stadt noch schwere Opfer
kosten wird. Man fürchtet, daß trotz aller feierlichen Beschlüsse der Stadt¬
verordnetenversammlung, daß für Universitätszwecke auch in der Zukunft keine
weiteren städtischen Mittel in Anspruch genommen werden dürfen als die bereits
in Aussicht genommenen, diese formelle Festlegung gegenüber dem Zwange der Ent¬
wicklung nicht verfangen würde, wenn erst einmal die Universität wachse und weitere


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[0114] Die Universität Frankfurt a, M. Setzung der Professoren wegen ihres religiösen Bekenntnisses charakterisiert sind, von der Frankfurter Universität fern gehalten werden. Man muß nun zugeben, daß der Frankfurter Magistrat und die Stadt¬ verordnetenversammlung bemüht sind, hier das Möglichste zu erreichen. Ob dies genügt, und ob es gelingt, die Forderungen an den preußischen Staat auch durchzusetzen, ist eine andere Frage. Die Denkschrift hebt zunächst hervor, daß die durch Artikel 20 der Preußischen Verfassung gewährleistete Grundlage vor¬ aussetzungsloser freier Forschung und Lehre, unabhängig von konfessionellen und politischen Richtungen vor allem festzulegen sei. Die Berufung der Pro¬ fessoren sollte wie bei den anderen preußischen Universitäten erfolgen. Hier ist jedoch die Stadtverordnetenversammlung einen erheblichen Schritt weiter gegangen. Sie verlangt, daß im Vertrage wie bei den Verhandlungen mit dem Staate gefordert wird, daß das Vorschlagsrecht bei Ernennung ordentlicher und außer¬ ordentlicher Professoren in der Form, wie es bei der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaftcn gegeben ist, beibehalten werde, und daß die Ausübung des Vorschlagsrechtes lediglich nach wissenschaftlichen Grundsätzen erfolge. Hier wird nämlich nur ein einzelner Name für die zu besetzende Stelle präsentiert, und die Ernennung erfolgt durch den Münster. Soll der zu Berufende zugleich Direktor oder Dozent eines von den Stiftern für Universitätszwecke zur Verfügung gestellten Instituts oder Krankenhauses werden, so erfolgt die Präsentation ^auf Grund vorherige» Einverständnisses zwischen der Fakultät und der Verwaltung des Instituts oder Krankenhauses. Unbeschadet der Selbstverwaltung der Universität durch Senat, Rektor, Fakultäten und Dekane soll die Verwaltung der Universität dnrch einen großen Rat und einen Verwaltungsausschuß wie bei der Akademie erfolgen. In diesem Ausschusse sollen die Stifter, in erster Linie natürlich der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung, angemessen vertreten sein. Da das Bernfungsverfahren bei der Akademie bisher durchaus zur Zu¬ friedenheit fungiert hat, so dürften in der Tat, wenn es auch für die Universität gewährt wird, die wichtigsten organisatorischen Schwierigkeiten behoben sein. Ob allerdings der preußische Staat, was er einer Akademie ohne Berechtigungen gewährt, einer Volluniversität zuzugestehen geneigt sein wird, das läßt sich mit einiger Sicherheit nicht voraussagen. Die härteste Nuß bei dem ganzen Hochschulprojekt ist aber die Finanz¬ frage. In weiten Kreisen der Bürgerschaft traut man den Versprechungen nicht, daß esbeider geringen vorgesehenenBclastung für die Stadt bleiben wird, und glaubt, daß vielmehr das Lieblingskind des Herrn Adickes die Stadt noch schwere Opfer kosten wird. Man fürchtet, daß trotz aller feierlichen Beschlüsse der Stadt¬ verordnetenversammlung, daß für Universitätszwecke auch in der Zukunft keine weiteren städtischen Mittel in Anspruch genommen werden dürfen als die bereits in Aussicht genommenen, diese formelle Festlegung gegenüber dem Zwange der Ent¬ wicklung nicht verfangen würde, wenn erst einmal die Universität wachse und weitere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/114>, abgerufen am 23.07.2024.