Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Universität Frankfurt ni. M.

der Umgebung gegenüber in bezug auf staatliche Unterstützungen sehr ungünstig
gestellt, es ist ganz auf sich angewiesen. Dazu kommt, daß die Frankfurter
Akademiker auf die Dauer von ihrer Stellung nicht befriedigt sind, da sie
infolge der mangelnden Berechtigungen unter ihren Zuhörern nicht die Elemente
finden, welche hier längere Zeit bleiben, an ihren Arbeiten teilnehmen und
im eigentlichen Sinne ihre Schüler werden. Wolle man daher hervorragende
Gelehrte an Frankfurt fesseln, so müsse schon aus diesem Grunde eine Uni¬
versität begründet werden, deren Besuch die vollen Berechtigungen wie die
anderen Schwesteranstalten gewährt. Es erübrigt sich hervorzuheben, daß
auch der Hinweis, die Universität werde gewissen Erwerbskreisen in besonderem
Maße zum Vorteil gereichen, besonders unterstrichen wurde.

Alle diese Erwägungen waren jedoch nicht im Stande, eine scharfe Opposition,
die namentlich von sozialdemokratischer aber auch vou bürgerlicher Seite gegen
das Hochschulprojekt eingesetzt hat, zum Schweigen zu bringen. Es waren
namentlich drei Argumente, die hier ins Feld geführt wurden. Das erste
betraf die Organisation der Universität und ihre staatsrechtliche Gestaltung,
das zweite die finanzielle Sicherstellung, endlich wurden erhebliche Zweifel
darüber laut, ob die Frankfurter Institute nach Begründung der Universität
in derselben Weise der Fortbildung der Bevölkerung dienen könnten, wie
bisher.

Am heißesten ist der Streit hinsichtlich der Organisationsfrage entbrannt.
Die Sozialdemokraten bekämpften das Projekt, weil sie in ihm die Aus¬
lieferung der Frankfurter wissenschaftlichen Institute und Krankenhäuser an den
preußischen Staat und die preußische Universitätsreaktion sehen. Die Anstalten
würden ihre Selbständigkeit verlieren, die Stadt die Kosten zu tragen haben,
im übrigen aber in die Verwaltung der Universität nichts hineinzureden haben.
Unter Verwerfung einer Berechtigungsuuiversitüt wollen sie nur deu weiteren
Ausbau der Institute zu einer Forschungs- und Fortbildungsuniversität, die deu
Namen "Goethestiftung" tragen soll, konzedieren. Demgegenüber wird mit
Recht eingewendet, daß wir eine Forschungs- und Fortbildungsuniversität bereits
besitzen und daß ein wesentlicher Teil der neuen Stiftungen ausschließlich für
Universitätszwecke zur Verfügung gestellt werde.

Im übrigen sind die nach dieser Richtung geäußerten Bedenken gewiß nicht
leicht zu nehmen. Wenn der freie Bürgersinn einer Stadt dem Staate eine
Hochschule gleichsam zum Geschenk macht, ihm eine Aufgabe abnimmt, die bisher
unbestritten zu den ausschließlichen staatlichen Aufgaben gehörte, wenn eine Stadt
von sich aus ein derartiges monumentales Kulturwerk schafft, dann sollten aller¬
dings auch Garantien gegeben sein, daß ihm die Selbstverwaltung im weitesten
Maße gewährt werde, daß sich die staatlichen Aufsichtsrechte auf ein Minimum
beschränken, daß vor allem die Freiheit der Forschung und des Unterrichts
unangetastet bleibe, daß die häßlichen Begleiterscheinungen des preußischen
Universitätssystems, wie sie durch die lex Arons, die Strafprofessuren, die Zurück-


Die Universität Frankfurt ni. M.

der Umgebung gegenüber in bezug auf staatliche Unterstützungen sehr ungünstig
gestellt, es ist ganz auf sich angewiesen. Dazu kommt, daß die Frankfurter
Akademiker auf die Dauer von ihrer Stellung nicht befriedigt sind, da sie
infolge der mangelnden Berechtigungen unter ihren Zuhörern nicht die Elemente
finden, welche hier längere Zeit bleiben, an ihren Arbeiten teilnehmen und
im eigentlichen Sinne ihre Schüler werden. Wolle man daher hervorragende
Gelehrte an Frankfurt fesseln, so müsse schon aus diesem Grunde eine Uni¬
versität begründet werden, deren Besuch die vollen Berechtigungen wie die
anderen Schwesteranstalten gewährt. Es erübrigt sich hervorzuheben, daß
auch der Hinweis, die Universität werde gewissen Erwerbskreisen in besonderem
Maße zum Vorteil gereichen, besonders unterstrichen wurde.

Alle diese Erwägungen waren jedoch nicht im Stande, eine scharfe Opposition,
die namentlich von sozialdemokratischer aber auch vou bürgerlicher Seite gegen
das Hochschulprojekt eingesetzt hat, zum Schweigen zu bringen. Es waren
namentlich drei Argumente, die hier ins Feld geführt wurden. Das erste
betraf die Organisation der Universität und ihre staatsrechtliche Gestaltung,
das zweite die finanzielle Sicherstellung, endlich wurden erhebliche Zweifel
darüber laut, ob die Frankfurter Institute nach Begründung der Universität
in derselben Weise der Fortbildung der Bevölkerung dienen könnten, wie
bisher.

Am heißesten ist der Streit hinsichtlich der Organisationsfrage entbrannt.
Die Sozialdemokraten bekämpften das Projekt, weil sie in ihm die Aus¬
lieferung der Frankfurter wissenschaftlichen Institute und Krankenhäuser an den
preußischen Staat und die preußische Universitätsreaktion sehen. Die Anstalten
würden ihre Selbständigkeit verlieren, die Stadt die Kosten zu tragen haben,
im übrigen aber in die Verwaltung der Universität nichts hineinzureden haben.
Unter Verwerfung einer Berechtigungsuuiversitüt wollen sie nur deu weiteren
Ausbau der Institute zu einer Forschungs- und Fortbildungsuniversität, die deu
Namen „Goethestiftung" tragen soll, konzedieren. Demgegenüber wird mit
Recht eingewendet, daß wir eine Forschungs- und Fortbildungsuniversität bereits
besitzen und daß ein wesentlicher Teil der neuen Stiftungen ausschließlich für
Universitätszwecke zur Verfügung gestellt werde.

Im übrigen sind die nach dieser Richtung geäußerten Bedenken gewiß nicht
leicht zu nehmen. Wenn der freie Bürgersinn einer Stadt dem Staate eine
Hochschule gleichsam zum Geschenk macht, ihm eine Aufgabe abnimmt, die bisher
unbestritten zu den ausschließlichen staatlichen Aufgaben gehörte, wenn eine Stadt
von sich aus ein derartiges monumentales Kulturwerk schafft, dann sollten aller¬
dings auch Garantien gegeben sein, daß ihm die Selbstverwaltung im weitesten
Maße gewährt werde, daß sich die staatlichen Aufsichtsrechte auf ein Minimum
beschränken, daß vor allem die Freiheit der Forschung und des Unterrichts
unangetastet bleibe, daß die häßlichen Begleiterscheinungen des preußischen
Universitätssystems, wie sie durch die lex Arons, die Strafprofessuren, die Zurück-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319714"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Universität Frankfurt ni. M.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_467" prev="#ID_466"> der Umgebung gegenüber in bezug auf staatliche Unterstützungen sehr ungünstig<lb/>
gestellt, es ist ganz auf sich angewiesen. Dazu kommt, daß die Frankfurter<lb/>
Akademiker auf die Dauer von ihrer Stellung nicht befriedigt sind, da sie<lb/>
infolge der mangelnden Berechtigungen unter ihren Zuhörern nicht die Elemente<lb/>
finden, welche hier längere Zeit bleiben, an ihren Arbeiten teilnehmen und<lb/>
im eigentlichen Sinne ihre Schüler werden. Wolle man daher hervorragende<lb/>
Gelehrte an Frankfurt fesseln, so müsse schon aus diesem Grunde eine Uni¬<lb/>
versität begründet werden, deren Besuch die vollen Berechtigungen wie die<lb/>
anderen Schwesteranstalten gewährt. Es erübrigt sich hervorzuheben, daß<lb/>
auch der Hinweis, die Universität werde gewissen Erwerbskreisen in besonderem<lb/>
Maße zum Vorteil gereichen, besonders unterstrichen wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_468"> Alle diese Erwägungen waren jedoch nicht im Stande, eine scharfe Opposition,<lb/>
die namentlich von sozialdemokratischer aber auch vou bürgerlicher Seite gegen<lb/>
das Hochschulprojekt eingesetzt hat, zum Schweigen zu bringen. Es waren<lb/>
namentlich drei Argumente, die hier ins Feld geführt wurden. Das erste<lb/>
betraf die Organisation der Universität und ihre staatsrechtliche Gestaltung,<lb/>
das zweite die finanzielle Sicherstellung, endlich wurden erhebliche Zweifel<lb/>
darüber laut, ob die Frankfurter Institute nach Begründung der Universität<lb/>
in derselben Weise der Fortbildung der Bevölkerung dienen könnten, wie<lb/>
bisher.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_469"> Am heißesten ist der Streit hinsichtlich der Organisationsfrage entbrannt.<lb/>
Die Sozialdemokraten bekämpften das Projekt, weil sie in ihm die Aus¬<lb/>
lieferung der Frankfurter wissenschaftlichen Institute und Krankenhäuser an den<lb/>
preußischen Staat und die preußische Universitätsreaktion sehen. Die Anstalten<lb/>
würden ihre Selbständigkeit verlieren, die Stadt die Kosten zu tragen haben,<lb/>
im übrigen aber in die Verwaltung der Universität nichts hineinzureden haben.<lb/>
Unter Verwerfung einer Berechtigungsuuiversitüt wollen sie nur deu weiteren<lb/>
Ausbau der Institute zu einer Forschungs- und Fortbildungsuniversität, die deu<lb/>
Namen &#x201E;Goethestiftung" tragen soll, konzedieren. Demgegenüber wird mit<lb/>
Recht eingewendet, daß wir eine Forschungs- und Fortbildungsuniversität bereits<lb/>
besitzen und daß ein wesentlicher Teil der neuen Stiftungen ausschließlich für<lb/>
Universitätszwecke zur Verfügung gestellt werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Im übrigen sind die nach dieser Richtung geäußerten Bedenken gewiß nicht<lb/>
leicht zu nehmen. Wenn der freie Bürgersinn einer Stadt dem Staate eine<lb/>
Hochschule gleichsam zum Geschenk macht, ihm eine Aufgabe abnimmt, die bisher<lb/>
unbestritten zu den ausschließlichen staatlichen Aufgaben gehörte, wenn eine Stadt<lb/>
von sich aus ein derartiges monumentales Kulturwerk schafft, dann sollten aller¬<lb/>
dings auch Garantien gegeben sein, daß ihm die Selbstverwaltung im weitesten<lb/>
Maße gewährt werde, daß sich die staatlichen Aufsichtsrechte auf ein Minimum<lb/>
beschränken, daß vor allem die Freiheit der Forschung und des Unterrichts<lb/>
unangetastet bleibe, daß die häßlichen Begleiterscheinungen des preußischen<lb/>
Universitätssystems, wie sie durch die lex Arons, die Strafprofessuren, die Zurück-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] Die Universität Frankfurt ni. M. der Umgebung gegenüber in bezug auf staatliche Unterstützungen sehr ungünstig gestellt, es ist ganz auf sich angewiesen. Dazu kommt, daß die Frankfurter Akademiker auf die Dauer von ihrer Stellung nicht befriedigt sind, da sie infolge der mangelnden Berechtigungen unter ihren Zuhörern nicht die Elemente finden, welche hier längere Zeit bleiben, an ihren Arbeiten teilnehmen und im eigentlichen Sinne ihre Schüler werden. Wolle man daher hervorragende Gelehrte an Frankfurt fesseln, so müsse schon aus diesem Grunde eine Uni¬ versität begründet werden, deren Besuch die vollen Berechtigungen wie die anderen Schwesteranstalten gewährt. Es erübrigt sich hervorzuheben, daß auch der Hinweis, die Universität werde gewissen Erwerbskreisen in besonderem Maße zum Vorteil gereichen, besonders unterstrichen wurde. Alle diese Erwägungen waren jedoch nicht im Stande, eine scharfe Opposition, die namentlich von sozialdemokratischer aber auch vou bürgerlicher Seite gegen das Hochschulprojekt eingesetzt hat, zum Schweigen zu bringen. Es waren namentlich drei Argumente, die hier ins Feld geführt wurden. Das erste betraf die Organisation der Universität und ihre staatsrechtliche Gestaltung, das zweite die finanzielle Sicherstellung, endlich wurden erhebliche Zweifel darüber laut, ob die Frankfurter Institute nach Begründung der Universität in derselben Weise der Fortbildung der Bevölkerung dienen könnten, wie bisher. Am heißesten ist der Streit hinsichtlich der Organisationsfrage entbrannt. Die Sozialdemokraten bekämpften das Projekt, weil sie in ihm die Aus¬ lieferung der Frankfurter wissenschaftlichen Institute und Krankenhäuser an den preußischen Staat und die preußische Universitätsreaktion sehen. Die Anstalten würden ihre Selbständigkeit verlieren, die Stadt die Kosten zu tragen haben, im übrigen aber in die Verwaltung der Universität nichts hineinzureden haben. Unter Verwerfung einer Berechtigungsuuiversitüt wollen sie nur deu weiteren Ausbau der Institute zu einer Forschungs- und Fortbildungsuniversität, die deu Namen „Goethestiftung" tragen soll, konzedieren. Demgegenüber wird mit Recht eingewendet, daß wir eine Forschungs- und Fortbildungsuniversität bereits besitzen und daß ein wesentlicher Teil der neuen Stiftungen ausschließlich für Universitätszwecke zur Verfügung gestellt werde. Im übrigen sind die nach dieser Richtung geäußerten Bedenken gewiß nicht leicht zu nehmen. Wenn der freie Bürgersinn einer Stadt dem Staate eine Hochschule gleichsam zum Geschenk macht, ihm eine Aufgabe abnimmt, die bisher unbestritten zu den ausschließlichen staatlichen Aufgaben gehörte, wenn eine Stadt von sich aus ein derartiges monumentales Kulturwerk schafft, dann sollten aller¬ dings auch Garantien gegeben sein, daß ihm die Selbstverwaltung im weitesten Maße gewährt werde, daß sich die staatlichen Aufsichtsrechte auf ein Minimum beschränken, daß vor allem die Freiheit der Forschung und des Unterrichts unangetastet bleibe, daß die häßlichen Begleiterscheinungen des preußischen Universitätssystems, wie sie durch die lex Arons, die Strafprofessuren, die Zurück-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/113>, abgerufen am 23.07.2024.