Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.staatlicher Imperialismus und Individualismus Zählen wir die Schweiz und den holländisch-belgischen Kolonialbesitz noch Diese Zahlen sprechen in der Tat für sich selbst. Die natürliche Jnteressenverknüpfuug ist auf sichtbarer geographischer Grund¬ Wenn deutschfeindliche Blätter des Auslandes immer und immer wieder Zu Unrecht pflegen die ausländischen Politiker die eigenen, ihnen in Fleisch Aber ein großer Unterschied ist doch zwischen der wechselseitigen wirtschaft¬ staatlicher Imperialismus und Individualismus Zählen wir die Schweiz und den holländisch-belgischen Kolonialbesitz noch Diese Zahlen sprechen in der Tat für sich selbst. Die natürliche Jnteressenverknüpfuug ist auf sichtbarer geographischer Grund¬ Wenn deutschfeindliche Blätter des Auslandes immer und immer wieder Zu Unrecht pflegen die ausländischen Politiker die eigenen, ihnen in Fleisch Aber ein großer Unterschied ist doch zwischen der wechselseitigen wirtschaft¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319031"/> <fw type="header" place="top"> staatlicher Imperialismus und Individualismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_853"> Zählen wir die Schweiz und den holländisch-belgischen Kolonialbesitz noch<lb/> zu den für den zentraleuropäischen Gürtel ermittelten Zahlen hinzu, so kommen<lb/> wir auf über 4 Milliarden deutschen Handels mit denjenigen Ländern, die man<lb/> zu einer zentraleuropäischen Interessengemeinschaft zusammenzufassen geneigt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_854"> Diese Zahlen sprechen in der Tat für sich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_855"> Die natürliche Jnteressenverknüpfuug ist auf sichtbarer geographischer Grund¬<lb/> lage vorhanden. Die Gerüchte von Militärkonventionen schießen schon über die<lb/> Tatsachen hinaus und die Pläne des mitteleuropäischen Imperiums gehören<lb/> vollends in das Reich der Phantasie — jener Phantasie, die sich eben gar nicht<lb/> mehr andere als imperialistische Bilder auszumalen vermag.</p><lb/> <p xml:id="ID_856"> Wenn deutschfeindliche Blätter des Auslandes immer und immer wieder<lb/> versuchen, Deutschland als die Neutralität Hollands und dessen Kolonialbesitz<lb/> bedrohende Macht hinzustellen, so ist es zur Gegenwehr notwendig, nicht mir<lb/> das Interesse zu betonen, das gerade Deutschland an der Neutralität der Nieder¬<lb/> lande im Kriegsfalle hat, sondern auch darauf hinzuweisen, daß, wenn dieser<lb/> Neutralität und wenn dem holländischen Kolonialbesitz von irgendwelcher Seite<lb/> Gefahr droht, die Mächte, von denen sie drohen könnte, ganz andere sind als<lb/> das Deutsche Reich!</p><lb/> <p xml:id="ID_857"> Zu Unrecht pflegen die ausländischen Politiker die eigenen, ihnen in Fleisch<lb/> und Blut übergegangenen imperialistischen Ideen auf die mitteleuropäische Politik<lb/> zu übertragen. Wohl ist, wie oben ausgeführt, die Welt um uns her in hohem<lb/> Grade imperialistisch und beseelt von dem Streben nach großen territorialen<lb/> Abrundungen; und es kann nicht wundernehmen, wenn die Politiker all der<lb/> Länder, in denen imperialistisches Trachten, das Trachten nach großen terri¬<lb/> torialen Zusammenfassungen, so lebendig ist, sich auch die mitteleuropäische<lb/> Politik nicht anders vorzustellen vermögen als unter imperialistischen Gesichts¬<lb/> punkten. Was aber ist an diesen Ideen Tatsächliches? Offensichtlich da? Vor¬<lb/> handensein einer ausgedehnten wirtschaftlichen und in gewissem Umfange auch<lb/> militärischen Jnteressenverbindung, die ganz naturgemäß das Mündungsland<lb/> des Rheines mit dem Hinterland dieses Stromes und ebenso das Mündungs¬<lb/> land der Donau mit dem Hinterland dieses Stromes verknüpft. Dieser Jnter-<lb/> essenverknüpfung entsprechen als ebenfalls ganz natürlich freundschaftliche Be¬<lb/> ziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland sowie Österreich-Ungarn<lb/> und Rumänien. Das Wirtschaftsgebiet der Türkei, und zwar sowohl der<lb/> europäischen wie der asiatischen, schließt sich zwanglos an als ein Gebiet, in<lb/> dem deutsche Pionierarbeit ansehnliche Kulturwerke geschaffen hat und eifrig zu<lb/> schaffen fortfährt. Und je weiter diese Kulturarbeit sich entwickelt, insbesondere<lb/> auch in Mesopotamien, um so vollständiger werden die gegenseitigen wirtschaft¬<lb/> lichen wie auch militärisch-politischen Ergänzungsmöglichkeiten innerhalb des<lb/> ganzen Land komplexes zwischen der Rheinmündung und der Euphratmündung.</p><lb/> <p xml:id="ID_858" next="#ID_859"> Aber ein großer Unterschied ist doch zwischen der wechselseitigen wirtschaft¬<lb/> lichen Ergänzung der einzelnen Länderteile dieses Gesamtgebietes, zwischen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
staatlicher Imperialismus und Individualismus
Zählen wir die Schweiz und den holländisch-belgischen Kolonialbesitz noch
zu den für den zentraleuropäischen Gürtel ermittelten Zahlen hinzu, so kommen
wir auf über 4 Milliarden deutschen Handels mit denjenigen Ländern, die man
zu einer zentraleuropäischen Interessengemeinschaft zusammenzufassen geneigt ist.
Diese Zahlen sprechen in der Tat für sich selbst.
Die natürliche Jnteressenverknüpfuug ist auf sichtbarer geographischer Grund¬
lage vorhanden. Die Gerüchte von Militärkonventionen schießen schon über die
Tatsachen hinaus und die Pläne des mitteleuropäischen Imperiums gehören
vollends in das Reich der Phantasie — jener Phantasie, die sich eben gar nicht
mehr andere als imperialistische Bilder auszumalen vermag.
Wenn deutschfeindliche Blätter des Auslandes immer und immer wieder
versuchen, Deutschland als die Neutralität Hollands und dessen Kolonialbesitz
bedrohende Macht hinzustellen, so ist es zur Gegenwehr notwendig, nicht mir
das Interesse zu betonen, das gerade Deutschland an der Neutralität der Nieder¬
lande im Kriegsfalle hat, sondern auch darauf hinzuweisen, daß, wenn dieser
Neutralität und wenn dem holländischen Kolonialbesitz von irgendwelcher Seite
Gefahr droht, die Mächte, von denen sie drohen könnte, ganz andere sind als
das Deutsche Reich!
Zu Unrecht pflegen die ausländischen Politiker die eigenen, ihnen in Fleisch
und Blut übergegangenen imperialistischen Ideen auf die mitteleuropäische Politik
zu übertragen. Wohl ist, wie oben ausgeführt, die Welt um uns her in hohem
Grade imperialistisch und beseelt von dem Streben nach großen territorialen
Abrundungen; und es kann nicht wundernehmen, wenn die Politiker all der
Länder, in denen imperialistisches Trachten, das Trachten nach großen terri¬
torialen Zusammenfassungen, so lebendig ist, sich auch die mitteleuropäische
Politik nicht anders vorzustellen vermögen als unter imperialistischen Gesichts¬
punkten. Was aber ist an diesen Ideen Tatsächliches? Offensichtlich da? Vor¬
handensein einer ausgedehnten wirtschaftlichen und in gewissem Umfange auch
militärischen Jnteressenverbindung, die ganz naturgemäß das Mündungsland
des Rheines mit dem Hinterland dieses Stromes und ebenso das Mündungs¬
land der Donau mit dem Hinterland dieses Stromes verknüpft. Dieser Jnter-
essenverknüpfung entsprechen als ebenfalls ganz natürlich freundschaftliche Be¬
ziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland sowie Österreich-Ungarn
und Rumänien. Das Wirtschaftsgebiet der Türkei, und zwar sowohl der
europäischen wie der asiatischen, schließt sich zwanglos an als ein Gebiet, in
dem deutsche Pionierarbeit ansehnliche Kulturwerke geschaffen hat und eifrig zu
schaffen fortfährt. Und je weiter diese Kulturarbeit sich entwickelt, insbesondere
auch in Mesopotamien, um so vollständiger werden die gegenseitigen wirtschaft¬
lichen wie auch militärisch-politischen Ergänzungsmöglichkeiten innerhalb des
ganzen Land komplexes zwischen der Rheinmündung und der Euphratmündung.
Aber ein großer Unterschied ist doch zwischen der wechselseitigen wirtschaft¬
lichen Ergänzung der einzelnen Länderteile dieses Gesamtgebietes, zwischen der
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