Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Rcichsspiegel kapitalanlegende Publikum und nicht nur die Spekulation durch diesen Knrs- In der Teuerungsfrage hat die Regierung jetzt entscheidende Schritte unter¬ In der Diskussion über den Kursstand der deutschen Staatsanleihen, die in Rcichsspiegel kapitalanlegende Publikum und nicht nur die Spekulation durch diesen Knrs- In der Teuerungsfrage hat die Regierung jetzt entscheidende Schritte unter¬ In der Diskussion über den Kursstand der deutschen Staatsanleihen, die in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0647" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319594"/> <fw type="header" place="top"> Rcichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_3038" prev="#ID_3037"> kapitalanlegende Publikum und nicht nur die Spekulation durch diesen Knrs-<lb/> zusammenbruch schwer betroffen, da auch die Vorzugsaktien, die als ein sicheres<lb/> Anlagepapier galten, (sie haben seit der Gründung der Gesellschaft regelmäßig<lb/> 7 Prozent Dividende bezogen) in den Strudel der Brandung gerissen wurden.<lb/> Diese erneute Erschütterung der New Aorker Börse ist nicht dazu angetan, auf die<lb/> europäischen Mächte, die mit ihrer eigenen Sanierung genug zu tun haben,<lb/> beruhigend zu wirken. Nur der Umstand, daß allenthalben nach den voran¬<lb/> gegangenen Erregungen eine gewisse Absperrung und Erschlaffung herrscht, wird<lb/> die kontinentalen Börsen vielleicht unempfindlicher machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3039"> In der Teuerungsfrage hat die Regierung jetzt entscheidende Schritte unter¬<lb/> nommen. Neben weitgehenden Tarifermäßigungen für Futtermittel und Seefische<lb/> sind nunmehr auch eine Herabsetzung des Maiszolles und eine Einschränkung des<lb/> Einfuhrscheinsystems, vielleicht auch eine zeitweise Gestattung der Einfuhr argen¬<lb/> tinischen Fleisches ins Auge gesaßt. Es ist erfreulich, daß die Regierung den<lb/> Ernst der Situation nicht verkennt und bemüht ist, der außergewöhnlichen Lage<lb/> durch außergewöhnliche Maßregeln Rechnung zu tragen. Freilich kann man von<lb/> der Regierung nicht unmögliches verlangen; den Notstand selbst wird sie auch durch<lb/> die radikalsten Maßregeln nicht beseitigen können. Bleibt ihr doch jede Einwirkung<lb/> auf die preisverteuernde und in Lagen wie der gegenwärtigen geradezu verderb¬<lb/> liche Wirkung des Zwischenhandels verschlossen. Hier müssen in den begrenzten<lb/> Umfang, der ihnen gestattet ist, die Kommunen eintreten, und das Beispiel Berlins<lb/> zeigt, daß sie sich dieser Pflicht auch bewußt sind. So dürfen wir hoffen, des<lb/> Notstandes wenigstens insoweit Herr zu werden, daß er sich nicht zu einer Hem¬<lb/> mung unserer gesamten wirtschaftlichen Produktion gestattet.</p><lb/> <p xml:id="ID_3040" next="#ID_3041"> In der Diskussion über den Kursstand der deutschen Staatsanleihen, die in<lb/> der gegenwärtigen bewegten Zeit besonderes Interesse bietet, läßt sich nunmehr auch<lb/> der Präsident der Seehandlung vernehmen. Seine Äußerungen verdienen erhöhte<lb/> Beachtung schon wegen der hervorragenden Stellung von der sie ausgehen, noch<lb/> mehr wegen des Umstandes, weil man wohl in den Ansichten des Seehandlungs¬<lb/> präsidenten die Richtlinien der Politik des Finanzministeriums erkennen darf.<lb/> Gerade von diesem Gesichtspunkt aus sind die Darlegungen und Vorschläge der<lb/> Broschüre des Herrn von Dombois erfreulich und beifallswürdig. Denn es werden<lb/> alle Gewaltmittel, die eine plötzliche und dauernde Hebung des Kurses unserer<lb/> Staatsanleihen bezwecken sollen, als untunlich und unzweckmäßig verworfen; weder<lb/> die grundsätzliche Gegnerschaft gegen ausländische Emissionen, noch die Beschränkung<lb/> der Jndustrieobligationen, ebensowenig die Zwangsanleihen von Banken oder<lb/> Aktiengesellschaften im allgemeinen (Anlage des Reservefonds in Staatspapieren)<lb/> findet Gnade vor den Augen des Verfassers. Dagegen betont er die Notwendig¬<lb/> keit, die in den letzten Jahren befolgte Schonung des Anleihemarktes fortzusetzen,<lb/> durch sogenannte kleine Mittel, unter denen die Begünstigung des Staatsschuld¬<lb/> buchs und eine zweckmäßige Jnterventionstätigkeit an erster Stelle stehen, auf eine<lb/> stetige Kursentwicklung einzuwirken, und befürwortet schließlich die Heranziehung<lb/> von Sparkassen und Lebensversicherungsgesellschaften für die zwangsweise Anlage<lb/> ihrer Kapitalien in Staatspapieren in einem Umfang, wie er auch in diesen<lb/> Blättern wiederholt vertreten worden ist. Interessant und neu sind die Mitteilungen,<lb/> welche über die bisherige Jnterventionstätigkeit mit der Seehandlung gemacht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0647]
Rcichsspiegel
kapitalanlegende Publikum und nicht nur die Spekulation durch diesen Knrs-
zusammenbruch schwer betroffen, da auch die Vorzugsaktien, die als ein sicheres
Anlagepapier galten, (sie haben seit der Gründung der Gesellschaft regelmäßig
7 Prozent Dividende bezogen) in den Strudel der Brandung gerissen wurden.
Diese erneute Erschütterung der New Aorker Börse ist nicht dazu angetan, auf die
europäischen Mächte, die mit ihrer eigenen Sanierung genug zu tun haben,
beruhigend zu wirken. Nur der Umstand, daß allenthalben nach den voran¬
gegangenen Erregungen eine gewisse Absperrung und Erschlaffung herrscht, wird
die kontinentalen Börsen vielleicht unempfindlicher machen.
In der Teuerungsfrage hat die Regierung jetzt entscheidende Schritte unter¬
nommen. Neben weitgehenden Tarifermäßigungen für Futtermittel und Seefische
sind nunmehr auch eine Herabsetzung des Maiszolles und eine Einschränkung des
Einfuhrscheinsystems, vielleicht auch eine zeitweise Gestattung der Einfuhr argen¬
tinischen Fleisches ins Auge gesaßt. Es ist erfreulich, daß die Regierung den
Ernst der Situation nicht verkennt und bemüht ist, der außergewöhnlichen Lage
durch außergewöhnliche Maßregeln Rechnung zu tragen. Freilich kann man von
der Regierung nicht unmögliches verlangen; den Notstand selbst wird sie auch durch
die radikalsten Maßregeln nicht beseitigen können. Bleibt ihr doch jede Einwirkung
auf die preisverteuernde und in Lagen wie der gegenwärtigen geradezu verderb¬
liche Wirkung des Zwischenhandels verschlossen. Hier müssen in den begrenzten
Umfang, der ihnen gestattet ist, die Kommunen eintreten, und das Beispiel Berlins
zeigt, daß sie sich dieser Pflicht auch bewußt sind. So dürfen wir hoffen, des
Notstandes wenigstens insoweit Herr zu werden, daß er sich nicht zu einer Hem¬
mung unserer gesamten wirtschaftlichen Produktion gestattet.
In der Diskussion über den Kursstand der deutschen Staatsanleihen, die in
der gegenwärtigen bewegten Zeit besonderes Interesse bietet, läßt sich nunmehr auch
der Präsident der Seehandlung vernehmen. Seine Äußerungen verdienen erhöhte
Beachtung schon wegen der hervorragenden Stellung von der sie ausgehen, noch
mehr wegen des Umstandes, weil man wohl in den Ansichten des Seehandlungs¬
präsidenten die Richtlinien der Politik des Finanzministeriums erkennen darf.
Gerade von diesem Gesichtspunkt aus sind die Darlegungen und Vorschläge der
Broschüre des Herrn von Dombois erfreulich und beifallswürdig. Denn es werden
alle Gewaltmittel, die eine plötzliche und dauernde Hebung des Kurses unserer
Staatsanleihen bezwecken sollen, als untunlich und unzweckmäßig verworfen; weder
die grundsätzliche Gegnerschaft gegen ausländische Emissionen, noch die Beschränkung
der Jndustrieobligationen, ebensowenig die Zwangsanleihen von Banken oder
Aktiengesellschaften im allgemeinen (Anlage des Reservefonds in Staatspapieren)
findet Gnade vor den Augen des Verfassers. Dagegen betont er die Notwendig¬
keit, die in den letzten Jahren befolgte Schonung des Anleihemarktes fortzusetzen,
durch sogenannte kleine Mittel, unter denen die Begünstigung des Staatsschuld¬
buchs und eine zweckmäßige Jnterventionstätigkeit an erster Stelle stehen, auf eine
stetige Kursentwicklung einzuwirken, und befürwortet schließlich die Heranziehung
von Sparkassen und Lebensversicherungsgesellschaften für die zwangsweise Anlage
ihrer Kapitalien in Staatspapieren in einem Umfang, wie er auch in diesen
Blättern wiederholt vertreten worden ist. Interessant und neu sind die Mitteilungen,
welche über die bisherige Jnterventionstätigkeit mit der Seehandlung gemacht
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