Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Das Glück des Hauses Rottland "Pater de la Tour in Antwerpen war so aimsble, mir dieses Horn zu "Das EinhornI" rief Schwester Felizitas in freudigem Erstaunen, "das "Weshalb es Aristoteles auch den indischen Esel benamset," setzte der Bruder Das Antlitz der würdigen Dame umwölkte sich, und um ihre Mundwinkel "Schokolade!" erklärte er. "Unsere Brüder in Salamanca haben uns ein So war es dem aufmerksamen Freunde gelungen, alle drei Geschwister So kam es, daß sich, als Villa nun den Tisch zu decken begann, die Wogen Das Glück des Hauses Rottland „Pater de la Tour in Antwerpen war so aimsble, mir dieses Horn zu „Das EinhornI" rief Schwester Felizitas in freudigem Erstaunen, „das „Weshalb es Aristoteles auch den indischen Esel benamset," setzte der Bruder Das Antlitz der würdigen Dame umwölkte sich, und um ihre Mundwinkel „Schokolade!" erklärte er. „Unsere Brüder in Salamanca haben uns ein So war es dem aufmerksamen Freunde gelungen, alle drei Geschwister So kam es, daß sich, als Villa nun den Tisch zu decken begann, die Wogen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0627" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319574"/> <fw type="header" place="top"> Das Glück des Hauses Rottland</fw><lb/> <p xml:id="ID_2921"> „Pater de la Tour in Antwerpen war so aimsble, mir dieses Horn zu<lb/> verehren. Er hat es aus Engelland erhalten, wo man das Einhorn sonderlich<lb/> estimiert, wie es dort ja auch der König im Wappen führt."</p><lb/> <p xml:id="ID_2922"> „Das EinhornI" rief Schwester Felizitas in freudigem Erstaunen, „das<lb/> wildeste aller Tiere, das nur eine reine Jungfrau zu bändigen vermag, also daß<lb/> es sein Haupt in ihren Schoß legt und sich ohne rssistance fangen läßt!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2923"> „Weshalb es Aristoteles auch den indischen Esel benamset," setzte der Bruder<lb/> trocken hinzu.</p><lb/> <p xml:id="ID_2924"> Das Antlitz der würdigen Dame umwölkte sich, und um ihre Mundwinkel<lb/> zuckte es schon wie Wetterleuchten. Aber der kluge geistliche Freund wandte das<lb/> ausziehende Gewitter ab, indem er der Priorin ein Päckchen überreichte, das sie<lb/> nicht ohne ein wenig Ziererei annahm, dann aber mit umso größerer Haft öffnete.<lb/> Es enthielt einen Beutel mit einem feinen bräunlichen Pulver, das einen köst¬<lb/> lichen würzigen Duft ausströmte. Die Beschenkte sog das wundersame Aroma<lb/> begierig ein und blickte den Spender der Gabe fragend an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2925"> „Schokolade!" erklärte er. „Unsere Brüder in Salamanca haben uns ein<lb/> ganzes Fäßchen dieses Staubes zum Präsent gemacht. Ihre Missionare Pflegen<lb/> dergleichen aus Veracruz mitzubringen. Man rührt eine kleine Portion davon in<lb/> kochendes Wasser und trinkt es, so lange es noch heiß ist." Und indem er den<lb/> Dank der für alle Süßigkeiten und Näschereien so empfänglichen unter reverencla<lb/> mit dem Hinweis darauf, daß die Gabe ja kein Geschenk, sondern nur ein Kost-<lb/> pröbchen sei, bescheiden ablehnte, händigte er der Gubernatorin einen kleinen<lb/> Oktavband aus: die Memoiren des Michel de Marolles, des Abtes von Villeloin,<lb/> ein Buch, nach dem sie schon lange geschmachtet hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2926"> So war es dem aufmerksamen Freunde gelungen, alle drei Geschwister<lb/> glücklich zu machen — wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Denn der<lb/> Gubernatorin fiel schwer auf die Seele, daß sie die noch tausendmal interessanteren<lb/> Memoiren des Seigneur de Brantüme ebenfalls noch nicht gelesen hatte, die<lb/> Priorin empfand plötzlich einen unwiderstehlichen Appetit nach dem berühmten<lb/> „Coffee", von dem man am Hofe des Allerchristlichsten Königs jetzt so viel Auf¬<lb/> hebens machte, und dem Freiherrn drängte sich die schmerzliche Erkenntnis auf,<lb/> daß in eine echte und rechte Naturalienkammer nicht nur das Horn des seltsamen<lb/> britischen Wappentieres, sondern zu allererst der noch weit erstaunlichere Paradies-<lb/> vogel gehöre.</p><lb/> <p xml:id="ID_2927"> So kam es, daß sich, als Villa nun den Tisch zu decken begann, die Wogen<lb/> des allgemeinen Entzückens bereits wieder gelegt hatten, und daß man den geist¬<lb/> lichen Freund, der schon nach seinem Krempenhut griff, durchaus nicht so ein-<lb/> dringlich zum Dableiben und zur Teilnahme an dem einfachen Mittagsmahle<lb/> nötigte, wie es aus Rücksicht auf seine Gastgeschenke wohl am Platze gewesen<lb/> wäre. Er leistete jedoch als kluger Mann, der sich bewußt ist, daß er noch andere<lb/> Missionen zu erfüllen hat, auch der weniger eindringlichen Einladung Folge, aß<lb/> und trank wie ein Vögelchen und gab sich die redlichste Mühe, den Freiherrn in<lb/> eine rosige Stimmung zu versetzen und ihn auf diese Weise für die Bearbeitung,<lb/> der er ihn nach aufgehobener Tafel zu unterwerfen gedachte, zweckmäßig vor¬<lb/> zubereiten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0627]
Das Glück des Hauses Rottland
„Pater de la Tour in Antwerpen war so aimsble, mir dieses Horn zu
verehren. Er hat es aus Engelland erhalten, wo man das Einhorn sonderlich
estimiert, wie es dort ja auch der König im Wappen führt."
„Das EinhornI" rief Schwester Felizitas in freudigem Erstaunen, „das
wildeste aller Tiere, das nur eine reine Jungfrau zu bändigen vermag, also daß
es sein Haupt in ihren Schoß legt und sich ohne rssistance fangen läßt!"
„Weshalb es Aristoteles auch den indischen Esel benamset," setzte der Bruder
trocken hinzu.
Das Antlitz der würdigen Dame umwölkte sich, und um ihre Mundwinkel
zuckte es schon wie Wetterleuchten. Aber der kluge geistliche Freund wandte das
ausziehende Gewitter ab, indem er der Priorin ein Päckchen überreichte, das sie
nicht ohne ein wenig Ziererei annahm, dann aber mit umso größerer Haft öffnete.
Es enthielt einen Beutel mit einem feinen bräunlichen Pulver, das einen köst¬
lichen würzigen Duft ausströmte. Die Beschenkte sog das wundersame Aroma
begierig ein und blickte den Spender der Gabe fragend an.
„Schokolade!" erklärte er. „Unsere Brüder in Salamanca haben uns ein
ganzes Fäßchen dieses Staubes zum Präsent gemacht. Ihre Missionare Pflegen
dergleichen aus Veracruz mitzubringen. Man rührt eine kleine Portion davon in
kochendes Wasser und trinkt es, so lange es noch heiß ist." Und indem er den
Dank der für alle Süßigkeiten und Näschereien so empfänglichen unter reverencla
mit dem Hinweis darauf, daß die Gabe ja kein Geschenk, sondern nur ein Kost-
pröbchen sei, bescheiden ablehnte, händigte er der Gubernatorin einen kleinen
Oktavband aus: die Memoiren des Michel de Marolles, des Abtes von Villeloin,
ein Buch, nach dem sie schon lange geschmachtet hatte.
So war es dem aufmerksamen Freunde gelungen, alle drei Geschwister
glücklich zu machen — wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Denn der
Gubernatorin fiel schwer auf die Seele, daß sie die noch tausendmal interessanteren
Memoiren des Seigneur de Brantüme ebenfalls noch nicht gelesen hatte, die
Priorin empfand plötzlich einen unwiderstehlichen Appetit nach dem berühmten
„Coffee", von dem man am Hofe des Allerchristlichsten Königs jetzt so viel Auf¬
hebens machte, und dem Freiherrn drängte sich die schmerzliche Erkenntnis auf,
daß in eine echte und rechte Naturalienkammer nicht nur das Horn des seltsamen
britischen Wappentieres, sondern zu allererst der noch weit erstaunlichere Paradies-
vogel gehöre.
So kam es, daß sich, als Villa nun den Tisch zu decken begann, die Wogen
des allgemeinen Entzückens bereits wieder gelegt hatten, und daß man den geist¬
lichen Freund, der schon nach seinem Krempenhut griff, durchaus nicht so ein-
dringlich zum Dableiben und zur Teilnahme an dem einfachen Mittagsmahle
nötigte, wie es aus Rücksicht auf seine Gastgeschenke wohl am Platze gewesen
wäre. Er leistete jedoch als kluger Mann, der sich bewußt ist, daß er noch andere
Missionen zu erfüllen hat, auch der weniger eindringlichen Einladung Folge, aß
und trank wie ein Vögelchen und gab sich die redlichste Mühe, den Freiherrn in
eine rosige Stimmung zu versetzen und ihn auf diese Weise für die Bearbeitung,
der er ihn nach aufgehobener Tafel zu unterwerfen gedachte, zweckmäßig vor¬
zubereiten.
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