Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Strömungen im ländlichen Genossenschaftswesen fachleuten geleitet und in allen Geld- und anderen kaufmännischen Fragen die In den örtlichen Darlehnskassen schwankt der Geldstand je nach Jahreszeit, Strömungen im ländlichen Genossenschaftswesen fachleuten geleitet und in allen Geld- und anderen kaufmännischen Fragen die In den örtlichen Darlehnskassen schwankt der Geldstand je nach Jahreszeit, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0616" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319563"/> <fw type="header" place="top"> Strömungen im ländlichen Genossenschaftswesen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2879" prev="#ID_2878"> fachleuten geleitet und in allen Geld- und anderen kaufmännischen Fragen die<lb/> Vertrauensstelle der Genossenschaften ist, vor allem ihren Geschäftsbetrieb periodisch<lb/> revidiert. In einem ähnlichen Vertrauensverhältnis stehen die Darlehnskassen<lb/> zu der Bank, mit der sie im Verkehr stehen. Um eines unparteiischen Rates<lb/> sicher zu sein, sind die Genossenschaften selbst die Anteilhaber ihrer Zentrale.<lb/> Raiffeisen, der dies Bedürfnis rasch erkannte, begründete für die Revision der<lb/> ländlichen Genossenschaften den Generalverband, für ihren Bankverkehr im<lb/> Jahre 187L nach dem Fehlschlag einer anders gearteten Organisation die<lb/> Landwirtschaftliche Zentmldarlehnskasse in Neuwied a. R, deren Sanierungs¬<lb/> versuch und Kampf gegen die Preußische Zentralgenossenschaftskasse heute die<lb/> Öffentlichkeit beschäftigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2880" next="#ID_2881"> In den örtlichen Darlehnskassen schwankt der Geldstand je nach Jahreszeit,<lb/> Ernte usw. in gewissen Grenzen. Infolge ihrer örtlichen Begrenzung pflegen<lb/> sie aber auch für längere Perioden entweder Geldmangel zu haben oder Geld-<lb/> überflnß, je nachdem das Dorf wohlhabend und wie weitgehend das in die<lb/> Kasse gesetzte Vertrauen ist. In der Zentralgenossenschaftsbank gleichen sich dieser<lb/> Überfluß und dieser Mangel aus. Weil nun aus diesem Grunde der Bank¬<lb/> kredit für die einzelne Darlehnskasse im Verhältnis zu ihren Betriebsmitteln in<lb/> sehr vielen Fällen ganz außerordentlich groß ist, so verlangt die Zentralgenossen¬<lb/> schaftskasse im Interesse ihrer Sicherheit die „Ausschließlichkeit": sie muß die<lb/> Gewißheit haben, daß ihre Kundin nicht auch noch andere Geldquellen sich<lb/> eröffnet und ihr Schuldenstand für sie dadurch unkontrollierbar wird. Sonst<lb/> kann sie einen so weitgehenden Kredit nicht geben und sie müßte den Zinsfuß<lb/> erhöhen, weil die Gefahr der Beleihung größer würde. Dieses Ausschließlichkeits¬<lb/> verhältnis bedeutet keineswegs eine Knebelung der Genossenschaft; denn wenn<lb/> sie wirklich kreditwürdig ist, so ist es ihr auch möglich, sich eine andere Bank¬<lb/> verbindung zu wählen, sobald die alte ihr nicht gefällt. Auch ist die Aus¬<lb/> schließlichkeit an sich nicht etwas dem Genossenschaftswesen Eigentümliches. Die<lb/> Deutsche Bank z. B. verlangt sie von ihren Kunden bei der Beleihung von<lb/> Buchforderungen, also sobald es für sie im Interesse der Übersicht geboten ist.<lb/> Es handelt sich also nur um die Anwendung kaufmännischer Vorsicht. Imi<lb/> genossenschaftlichen Kreditwesen bezieht sich die Ausschließlichkeit nur auf den<lb/> eigentlichen Bankverkehr; es bleibt der Genossenschaft unbenommen, Spargelder<lb/> heranzuziehen. Die Bedingungen der Preußenkasse sind sogar darauf zugeschnitten,<lb/> die mit ihr arbeitenden Genossenschaftsbanken zu veranlassen, sich — abgesehen<lb/> von der Vermehrung des eigenen Kapitals — auch durch Beschaffung von Spar¬<lb/> geldern ihr gegenüber unabhängiger zu machen. Ebensowenig beschränkt die<lb/> Ausschließlichkeit die Anlage der Betriebsmittel im Genossenschaftsbezirk. Die<lb/> Ausschließlichkeit liegt auch im Interesse der Darlehnskasse und ihrer Mitglieder,<lb/> denn sie haben dadurch die Gewißheit, daß ihr Geschäftsverkehr von der Zentral¬<lb/> genossenschaftskasse, deren Rat sie vertrauen, übersehen und wirksam kontrolliert<lb/> werden kann. Auch Darlehnskassen, die dauernd im Geldüberfluß sind, daher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0616]
Strömungen im ländlichen Genossenschaftswesen
fachleuten geleitet und in allen Geld- und anderen kaufmännischen Fragen die
Vertrauensstelle der Genossenschaften ist, vor allem ihren Geschäftsbetrieb periodisch
revidiert. In einem ähnlichen Vertrauensverhältnis stehen die Darlehnskassen
zu der Bank, mit der sie im Verkehr stehen. Um eines unparteiischen Rates
sicher zu sein, sind die Genossenschaften selbst die Anteilhaber ihrer Zentrale.
Raiffeisen, der dies Bedürfnis rasch erkannte, begründete für die Revision der
ländlichen Genossenschaften den Generalverband, für ihren Bankverkehr im
Jahre 187L nach dem Fehlschlag einer anders gearteten Organisation die
Landwirtschaftliche Zentmldarlehnskasse in Neuwied a. R, deren Sanierungs¬
versuch und Kampf gegen die Preußische Zentralgenossenschaftskasse heute die
Öffentlichkeit beschäftigt.
In den örtlichen Darlehnskassen schwankt der Geldstand je nach Jahreszeit,
Ernte usw. in gewissen Grenzen. Infolge ihrer örtlichen Begrenzung pflegen
sie aber auch für längere Perioden entweder Geldmangel zu haben oder Geld-
überflnß, je nachdem das Dorf wohlhabend und wie weitgehend das in die
Kasse gesetzte Vertrauen ist. In der Zentralgenossenschaftsbank gleichen sich dieser
Überfluß und dieser Mangel aus. Weil nun aus diesem Grunde der Bank¬
kredit für die einzelne Darlehnskasse im Verhältnis zu ihren Betriebsmitteln in
sehr vielen Fällen ganz außerordentlich groß ist, so verlangt die Zentralgenossen¬
schaftskasse im Interesse ihrer Sicherheit die „Ausschließlichkeit": sie muß die
Gewißheit haben, daß ihre Kundin nicht auch noch andere Geldquellen sich
eröffnet und ihr Schuldenstand für sie dadurch unkontrollierbar wird. Sonst
kann sie einen so weitgehenden Kredit nicht geben und sie müßte den Zinsfuß
erhöhen, weil die Gefahr der Beleihung größer würde. Dieses Ausschließlichkeits¬
verhältnis bedeutet keineswegs eine Knebelung der Genossenschaft; denn wenn
sie wirklich kreditwürdig ist, so ist es ihr auch möglich, sich eine andere Bank¬
verbindung zu wählen, sobald die alte ihr nicht gefällt. Auch ist die Aus¬
schließlichkeit an sich nicht etwas dem Genossenschaftswesen Eigentümliches. Die
Deutsche Bank z. B. verlangt sie von ihren Kunden bei der Beleihung von
Buchforderungen, also sobald es für sie im Interesse der Übersicht geboten ist.
Es handelt sich also nur um die Anwendung kaufmännischer Vorsicht. Imi
genossenschaftlichen Kreditwesen bezieht sich die Ausschließlichkeit nur auf den
eigentlichen Bankverkehr; es bleibt der Genossenschaft unbenommen, Spargelder
heranzuziehen. Die Bedingungen der Preußenkasse sind sogar darauf zugeschnitten,
die mit ihr arbeitenden Genossenschaftsbanken zu veranlassen, sich — abgesehen
von der Vermehrung des eigenen Kapitals — auch durch Beschaffung von Spar¬
geldern ihr gegenüber unabhängiger zu machen. Ebensowenig beschränkt die
Ausschließlichkeit die Anlage der Betriebsmittel im Genossenschaftsbezirk. Die
Ausschließlichkeit liegt auch im Interesse der Darlehnskasse und ihrer Mitglieder,
denn sie haben dadurch die Gewißheit, daß ihr Geschäftsverkehr von der Zentral¬
genossenschaftskasse, deren Rat sie vertrauen, übersehen und wirksam kontrolliert
werden kann. Auch Darlehnskassen, die dauernd im Geldüberfluß sind, daher
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |