Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Zur Ivehrbewogung in England besonders darüber zu muntern, daß die Briten auf ihrer sicheren Insel bisher Trotzdem hatte die Wehrbewegung unleugbare Fortschritte gemacht. (Ein¬ Die liberalen Führer stehen ihr freilich verständnislos bis widerwillig Zur Ivehrbewogung in England besonders darüber zu muntern, daß die Briten auf ihrer sicheren Insel bisher Trotzdem hatte die Wehrbewegung unleugbare Fortschritte gemacht. (Ein¬ Die liberalen Führer stehen ihr freilich verständnislos bis widerwillig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319560"/> <fw type="header" place="top"> Zur Ivehrbewogung in England</fw><lb/> <p xml:id="ID_2870" prev="#ID_2869"> besonders darüber zu muntern, daß die Briten auf ihrer sicheren Insel bisher<lb/> wenig Neigung dafür verspürten, außerdem ist ihnen der Dienst in Indien und<lb/> in den Kolonien höchst widerwärtig.</p><lb/> <p xml:id="ID_2871"> Trotzdem hatte die Wehrbewegung unleugbare Fortschritte gemacht. (Ein¬<lb/> gehenderes findet sich in den Grenzboten III 1909, Heft 37). Die Agitation<lb/> dafür wußte sehr geschickt mit dem allgemeinen Volksempfinden zu operieren<lb/> und erfreute sich auch der besonderen Begünstigung durch den König Eduard.<lb/> Von den Blättern ist dabei der Umstand vielfach zu ernst genommen worden,<lb/> daß die „deutsche Invasion" eine große Rolle spielte. Um „sein Haus" zu<lb/> verteidigen, hätte der freie Brite wohl die Flinte auf die Schulter genommen,<lb/> sobald ihm die Notwendigkeit davon einleuchtend dargestellt wurde. Mit dem<lb/> einstigen Erbfeind Frankreich konnte man ihm jetzt aus verschiedenen Gründen<lb/> nicht kommen, und so blieb bloß Deutschland übrige das wegen seiner zunehmenden<lb/> Handels- und Flottenkoukurrenz ohnehin schon manchen Ärger erregt hatte. In<lb/> den leitenden deutscheu Kreisen ist diese Scheinhetze niemals höher eingeschätzt<lb/> worden, als sie wirklich wert war, ebensowenig die Zusammenziehuug der<lb/> britischen Geschwader an den heimischen Küsten, angeblich auch Deutschlands<lb/> wegen. Der eigentliche Beweggrund lag selbstverständlich anderswo. Die<lb/> großen Entscheidungen zur See hatten gelehrt, daß es mit der bisherigen<lb/> Kausfahrertaktik nicht mehr ging, und daß heutzutage die Geltung zur See nur<lb/> mit eiuer wohl geübten und in großen Manövern durchgebildeten Flotte zu<lb/> behaupten ist. Daß es den über alle Meere zerstreuten britischen Geschwadern<lb/> daran mangelte, durste nicht zugestanden werden; für die erforderliche neue<lb/> Schulung und Ausbildung finden sich aber bloß in England die geeigneten<lb/> Stützpunkte, die sogar noch vermehrt werden mußten. Der Hinweis aus Deutsch¬<lb/> land kam dabei der Wehrbewegung zugute. ,</p><lb/> <p xml:id="ID_2872" next="#ID_2873"> Die liberalen Führer stehen ihr freilich verständnislos bis widerwillig<lb/> gegenüber; kaum daß sie sich von der öffentlichen Meinung zur weiteren Ver¬<lb/> stärkung der Flotte und zur Begünstigung des bereits gescheiterten Experimentes<lb/> ihres Zivilkriegsministers Haldane zur Reform des Freiwilligen-, und Miliz¬<lb/> wesens bestimmen ließen.' Vergeblich sind mannigfache Anregungen von aus¬<lb/> wärts geblieben. Der australische Minister George Raid hat es den Briten<lb/> im vorigen Juli auf den Kopf zugesagt, daß die australische Bevölkerung die<lb/> zwangsweise militärische Ausbildung aus sich genommen hat und für die Neichs-<lb/> verteidigung mehr tut als das Mutterland, das nicht einmal für Lord Kitchener<lb/> eine Beschäftigung finde. Die Freunde, Japan und Frankreich, haben den<lb/> Briten wiederholt unverblümt zu verstehen gegeben, daß ihr Bündnis ohne<lb/> Landarmee des eigentlichen Wertes entbehre. Großbritannien ist keineswegs<lb/> mehr ein vom Meer umspültes Inselreich. sondern namentlich in Asien eine<lb/> große Landmacht, die verhängnisvollen Überraschungen ausgesetzt sein kann. Es<lb/> ist unter diesen Umständen eine große politische Kurzsichtigkeit, daß die Liberalen<lb/> die Wehrbewegung lähmen, indem sie das Land mit Verfassungskonflikten erfüllen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
Zur Ivehrbewogung in England
besonders darüber zu muntern, daß die Briten auf ihrer sicheren Insel bisher
wenig Neigung dafür verspürten, außerdem ist ihnen der Dienst in Indien und
in den Kolonien höchst widerwärtig.
Trotzdem hatte die Wehrbewegung unleugbare Fortschritte gemacht. (Ein¬
gehenderes findet sich in den Grenzboten III 1909, Heft 37). Die Agitation
dafür wußte sehr geschickt mit dem allgemeinen Volksempfinden zu operieren
und erfreute sich auch der besonderen Begünstigung durch den König Eduard.
Von den Blättern ist dabei der Umstand vielfach zu ernst genommen worden,
daß die „deutsche Invasion" eine große Rolle spielte. Um „sein Haus" zu
verteidigen, hätte der freie Brite wohl die Flinte auf die Schulter genommen,
sobald ihm die Notwendigkeit davon einleuchtend dargestellt wurde. Mit dem
einstigen Erbfeind Frankreich konnte man ihm jetzt aus verschiedenen Gründen
nicht kommen, und so blieb bloß Deutschland übrige das wegen seiner zunehmenden
Handels- und Flottenkoukurrenz ohnehin schon manchen Ärger erregt hatte. In
den leitenden deutscheu Kreisen ist diese Scheinhetze niemals höher eingeschätzt
worden, als sie wirklich wert war, ebensowenig die Zusammenziehuug der
britischen Geschwader an den heimischen Küsten, angeblich auch Deutschlands
wegen. Der eigentliche Beweggrund lag selbstverständlich anderswo. Die
großen Entscheidungen zur See hatten gelehrt, daß es mit der bisherigen
Kausfahrertaktik nicht mehr ging, und daß heutzutage die Geltung zur See nur
mit eiuer wohl geübten und in großen Manövern durchgebildeten Flotte zu
behaupten ist. Daß es den über alle Meere zerstreuten britischen Geschwadern
daran mangelte, durste nicht zugestanden werden; für die erforderliche neue
Schulung und Ausbildung finden sich aber bloß in England die geeigneten
Stützpunkte, die sogar noch vermehrt werden mußten. Der Hinweis aus Deutsch¬
land kam dabei der Wehrbewegung zugute. ,
Die liberalen Führer stehen ihr freilich verständnislos bis widerwillig
gegenüber; kaum daß sie sich von der öffentlichen Meinung zur weiteren Ver¬
stärkung der Flotte und zur Begünstigung des bereits gescheiterten Experimentes
ihres Zivilkriegsministers Haldane zur Reform des Freiwilligen-, und Miliz¬
wesens bestimmen ließen.' Vergeblich sind mannigfache Anregungen von aus¬
wärts geblieben. Der australische Minister George Raid hat es den Briten
im vorigen Juli auf den Kopf zugesagt, daß die australische Bevölkerung die
zwangsweise militärische Ausbildung aus sich genommen hat und für die Neichs-
verteidigung mehr tut als das Mutterland, das nicht einmal für Lord Kitchener
eine Beschäftigung finde. Die Freunde, Japan und Frankreich, haben den
Briten wiederholt unverblümt zu verstehen gegeben, daß ihr Bündnis ohne
Landarmee des eigentlichen Wertes entbehre. Großbritannien ist keineswegs
mehr ein vom Meer umspültes Inselreich. sondern namentlich in Asien eine
große Landmacht, die verhängnisvollen Überraschungen ausgesetzt sein kann. Es
ist unter diesen Umständen eine große politische Kurzsichtigkeit, daß die Liberalen
die Wehrbewegung lähmen, indem sie das Land mit Verfassungskonflikten erfüllen,
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