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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Arndt als Agitator und Gffiziosus

Friedrich den Großen höhere Lobesworte übrig als 1813 -- er nannte ihn
"den einziggrößten aller, die wir hatten (226--227--97), begehrte "einen Mann,
der zünden und führen kann wie Luther und Friedrich" (237--288--102) --,
aber andererseits bekannte er noch im "notgedrungenen Bericht" 1848 I, 246,
daß Preußen ihm "staatsrechtlich und bürgerlich damals völlig fremd war".
Dem entspricht, was wir weiterhin über Preußen -- und sein Verhältnis zu
Österreich -- vernehmen: über Preußens egoistische Politik im Frieden von Basel
heißt es (396--391--167): "Preußen, das vielleicht dumm (1813 "leichtsinnig")
hineingefahren war in diesen Krieg, ging ebenso dumm (1813 "leichtsinnig")
heraus ... und überließ das Vaterland und das noch immer gehaßte Österreich ihrem
Schicksal. Es war indessen mit der russischen Katharina gegen die armen Polen
auf die kleine Mäusejagd ausgegangen, wobei es nichts gewann als den äsopischen
Eselsanteil, Verachtung von ganz Europa und wachsenden Haß von seinem
Vaterlande, das es verlassen hatte. Seine Politik zur Zeit der Rastadter und
Lüneviller Verhandlungen strafte er mit bitteren Worten: "Das dumme und
schlechte Preußen sah mit dummem Geitz bloß auf kleine Erwerbe hin"
(404--399 --170), "es fand die Mittelmäßigkeit, wodurch kein Staat bestehen
kann, die Faulheit, wodurch alles vergehen muß, besser als Ehre und Gefahr"
(406--401--171). "So stellte sich Preußen nicht bloß als Zuschauer außer¬
halb der Schranken hin -- was schlecht und dumm war --, nein, es trat --
was schlechter und dummer war -- als Mitsuchender und Mitbittender, die
Mütze unter dem Arm, mit an die Schranken, und erwartete, was der gro߬
mütige und gerechte Friedensstifter, der treue und redliche Bundesgenosse, ihm
von dem Raube zuleiten werde. Diese Zuteilung war kärglich genug; aber ein
kleinherziger Geizhals ist leicht zufrieden und rechnet immer für großen Gewinnst,
was er ohne Arbeit und Gefahr gewinnt; denn das ist eben sein Unglück und
seine Strafe, daß er staarblind ist und nicht in die Ferne sehen kann." (1813
wurde das abgeschwächt in: "So ward aus Liebe des Friedens die Sicherheit
des Friedens verspielt..." (408--403--172). Unnatürlich, himmelschreiend ...
war die Dummheit und Schläfrigkeit der Minister und Räte, welche keine Zeiten
und Begebenheiten unterscheiden konnten; traurig war der Wahn des preußischen
Hofes, daß er zu eigener Rettung sich auf Frankreich lehnen müsse und lehnen
könne; traurig war der alte Haß und die apathische Langsamkeit Österreichs
gegen Preußen; traurig die Verfinsterung, die selbst in diesen Zeiten in pro¬
testantischen Landsleuten kaum gleiche Brüder erkennen wollte. So kam es,
daß die beiden wortführenden Staaten in ihrer eigensten Sache kein Wort hatten"
(414). 1813 wurde dies gestrichen (408--174 f.).

Sehr bemerkenswert sind schließlich die Äußerungen über den preußischen
Krieg 1806/07, über Hardenberg und den Herzog von Braunschweig, und ihre
Änderung in der zweiten Ausgabe. 1809 hieß es: "Der mittelmäßige Haufe...
blieb am Ruder des Staats, da die Männer des Kriegs, besonders der Mann
des Kriegs und des Königlichen Wortes gegen Bonaparte, Hardenberg, vom


Arndt als Agitator und Gffiziosus

Friedrich den Großen höhere Lobesworte übrig als 1813 — er nannte ihn
„den einziggrößten aller, die wir hatten (226—227—97), begehrte „einen Mann,
der zünden und führen kann wie Luther und Friedrich" (237—288—102) —,
aber andererseits bekannte er noch im „notgedrungenen Bericht" 1848 I, 246,
daß Preußen ihm „staatsrechtlich und bürgerlich damals völlig fremd war".
Dem entspricht, was wir weiterhin über Preußen — und sein Verhältnis zu
Österreich — vernehmen: über Preußens egoistische Politik im Frieden von Basel
heißt es (396—391—167): „Preußen, das vielleicht dumm (1813 „leichtsinnig")
hineingefahren war in diesen Krieg, ging ebenso dumm (1813 „leichtsinnig")
heraus ... und überließ das Vaterland und das noch immer gehaßte Österreich ihrem
Schicksal. Es war indessen mit der russischen Katharina gegen die armen Polen
auf die kleine Mäusejagd ausgegangen, wobei es nichts gewann als den äsopischen
Eselsanteil, Verachtung von ganz Europa und wachsenden Haß von seinem
Vaterlande, das es verlassen hatte. Seine Politik zur Zeit der Rastadter und
Lüneviller Verhandlungen strafte er mit bitteren Worten: „Das dumme und
schlechte Preußen sah mit dummem Geitz bloß auf kleine Erwerbe hin"
(404—399 —170), „es fand die Mittelmäßigkeit, wodurch kein Staat bestehen
kann, die Faulheit, wodurch alles vergehen muß, besser als Ehre und Gefahr"
(406—401—171). „So stellte sich Preußen nicht bloß als Zuschauer außer¬
halb der Schranken hin — was schlecht und dumm war —, nein, es trat —
was schlechter und dummer war — als Mitsuchender und Mitbittender, die
Mütze unter dem Arm, mit an die Schranken, und erwartete, was der gro߬
mütige und gerechte Friedensstifter, der treue und redliche Bundesgenosse, ihm
von dem Raube zuleiten werde. Diese Zuteilung war kärglich genug; aber ein
kleinherziger Geizhals ist leicht zufrieden und rechnet immer für großen Gewinnst,
was er ohne Arbeit und Gefahr gewinnt; denn das ist eben sein Unglück und
seine Strafe, daß er staarblind ist und nicht in die Ferne sehen kann." (1813
wurde das abgeschwächt in: „So ward aus Liebe des Friedens die Sicherheit
des Friedens verspielt..." (408—403—172). Unnatürlich, himmelschreiend ...
war die Dummheit und Schläfrigkeit der Minister und Räte, welche keine Zeiten
und Begebenheiten unterscheiden konnten; traurig war der Wahn des preußischen
Hofes, daß er zu eigener Rettung sich auf Frankreich lehnen müsse und lehnen
könne; traurig war der alte Haß und die apathische Langsamkeit Österreichs
gegen Preußen; traurig die Verfinsterung, die selbst in diesen Zeiten in pro¬
testantischen Landsleuten kaum gleiche Brüder erkennen wollte. So kam es,
daß die beiden wortführenden Staaten in ihrer eigensten Sache kein Wort hatten"
(414). 1813 wurde dies gestrichen (408—174 f.).

Sehr bemerkenswert sind schließlich die Äußerungen über den preußischen
Krieg 1806/07, über Hardenberg und den Herzog von Braunschweig, und ihre
Änderung in der zweiten Ausgabe. 1809 hieß es: „Der mittelmäßige Haufe...
blieb am Ruder des Staats, da die Männer des Kriegs, besonders der Mann
des Kriegs und des Königlichen Wortes gegen Bonaparte, Hardenberg, vom


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[0607] Arndt als Agitator und Gffiziosus Friedrich den Großen höhere Lobesworte übrig als 1813 — er nannte ihn „den einziggrößten aller, die wir hatten (226—227—97), begehrte „einen Mann, der zünden und führen kann wie Luther und Friedrich" (237—288—102) —, aber andererseits bekannte er noch im „notgedrungenen Bericht" 1848 I, 246, daß Preußen ihm „staatsrechtlich und bürgerlich damals völlig fremd war". Dem entspricht, was wir weiterhin über Preußen — und sein Verhältnis zu Österreich — vernehmen: über Preußens egoistische Politik im Frieden von Basel heißt es (396—391—167): „Preußen, das vielleicht dumm (1813 „leichtsinnig") hineingefahren war in diesen Krieg, ging ebenso dumm (1813 „leichtsinnig") heraus ... und überließ das Vaterland und das noch immer gehaßte Österreich ihrem Schicksal. Es war indessen mit der russischen Katharina gegen die armen Polen auf die kleine Mäusejagd ausgegangen, wobei es nichts gewann als den äsopischen Eselsanteil, Verachtung von ganz Europa und wachsenden Haß von seinem Vaterlande, das es verlassen hatte. Seine Politik zur Zeit der Rastadter und Lüneviller Verhandlungen strafte er mit bitteren Worten: „Das dumme und schlechte Preußen sah mit dummem Geitz bloß auf kleine Erwerbe hin" (404—399 —170), „es fand die Mittelmäßigkeit, wodurch kein Staat bestehen kann, die Faulheit, wodurch alles vergehen muß, besser als Ehre und Gefahr" (406—401—171). „So stellte sich Preußen nicht bloß als Zuschauer außer¬ halb der Schranken hin — was schlecht und dumm war —, nein, es trat — was schlechter und dummer war — als Mitsuchender und Mitbittender, die Mütze unter dem Arm, mit an die Schranken, und erwartete, was der gro߬ mütige und gerechte Friedensstifter, der treue und redliche Bundesgenosse, ihm von dem Raube zuleiten werde. Diese Zuteilung war kärglich genug; aber ein kleinherziger Geizhals ist leicht zufrieden und rechnet immer für großen Gewinnst, was er ohne Arbeit und Gefahr gewinnt; denn das ist eben sein Unglück und seine Strafe, daß er staarblind ist und nicht in die Ferne sehen kann." (1813 wurde das abgeschwächt in: „So ward aus Liebe des Friedens die Sicherheit des Friedens verspielt..." (408—403—172). Unnatürlich, himmelschreiend ... war die Dummheit und Schläfrigkeit der Minister und Räte, welche keine Zeiten und Begebenheiten unterscheiden konnten; traurig war der Wahn des preußischen Hofes, daß er zu eigener Rettung sich auf Frankreich lehnen müsse und lehnen könne; traurig war der alte Haß und die apathische Langsamkeit Österreichs gegen Preußen; traurig die Verfinsterung, die selbst in diesen Zeiten in pro¬ testantischen Landsleuten kaum gleiche Brüder erkennen wollte. So kam es, daß die beiden wortführenden Staaten in ihrer eigensten Sache kein Wort hatten" (414). 1813 wurde dies gestrichen (408—174 f.). Sehr bemerkenswert sind schließlich die Äußerungen über den preußischen Krieg 1806/07, über Hardenberg und den Herzog von Braunschweig, und ihre Änderung in der zweiten Ausgabe. 1809 hieß es: „Der mittelmäßige Haufe... blieb am Ruder des Staats, da die Männer des Kriegs, besonders der Mann des Kriegs und des Königlichen Wortes gegen Bonaparte, Hardenberg, vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/607>, abgerufen am 29.12.2024.