Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Arndt als Agitator und Gffiziosus Ihr fühltet die Schande -- o hättet ihr sie nicht gewußt, ihr fühltet sie Ebenso ging es den folgenden Herbst. Die Fürsten liefen davon, oder Aber ich gehe unter in diesem Schmutz. Verderbet, elende Schwächlinge, Arndt als Agitator und Gffiziosus Ihr fühltet die Schande — o hättet ihr sie nicht gewußt, ihr fühltet sie Ebenso ging es den folgenden Herbst. Die Fürsten liefen davon, oder Aber ich gehe unter in diesem Schmutz. Verderbet, elende Schwächlinge, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319506"/> <fw type="header" place="top"> Arndt als Agitator und Gffiziosus</fw><lb/> <p xml:id="ID_2618"> Ihr fühltet die Schande — o hättet ihr sie nicht gewußt, ihr fühltet sie<lb/> und ladet sie doch. Noch sprächet ihr vor eurer Nation, vor Europa, von<lb/> euren Leuten, von euren Untertanen, von dem Weh und Elend des Kriegs,<lb/> das ihr ablenken, von dem Zorn und Grimm des Gewaltigen, den ihr beruhigen<lb/> müßtet (S. 421). Ihr kogel, denn ihr dachtet nicht an eure Leute, ihr<lb/> dachtet nur an euch selbst: und deswegen konntet ihr weder an Ehre noch Heil<lb/> denken. Nicht wahr, ihr dachtet an das Glück und die Glorie eurer Leute, als<lb/> ihr sie mitziehen hießet, den einzigen teutschen Staat zu vernichten, durch welchen<lb/> der teutsche Name mit Ehren auf die Nachwelt kommen konnte? nicht wahr,<lb/> ihr dachtet an die Freiheit und Herrlichkeit eurer Leute, als ihr euch zu<lb/> Knechten der höhnischen Nachbarn machtet? nicht wahr, ihr dachtet an die<lb/> Kunst und Sitte eurer Leute, als ihr die teutschverachtenden Franzosen über sie<lb/> setztet? — O Sklaven ohne Sinn und Gefühl! nur das nächste kurze Weh<lb/> sahet ihr, nicht das entfernte lange Weh. In dieser Zeit müßtet ihr untergehen,<lb/> aber ihr hättet glorreich vergehen sollen. Ihr werdet doch vergehen in Schande,<lb/> euer Volk im Elende, aber euer Volk wird wieder erstehen (S. 422). —<lb/> So wäret ihr die Ersten, ihr Fürsten von Bayern, von Württemberg<lb/> und Baden, du Bayerfürst, der schwärzeste Verbrecher, weil deine Stärke dem<lb/> Verderber sogleich helfen konnte und zu des Vaterlandes Untergang ihm half.<lb/> Ein Erzpriester war mit, du warst mit, Freiherr v. Dalberg, hieltest dem<lb/> Vaterlande in Regensburg eine Leichenrede und bewillkommnetest dann die neue<lb/> Knechtschaft in ebenso verdächtigen Phrasen. Laß andere über deine Gesinnung<lb/> und deinen Zweck streiten, du entrinnest mir vergebens, daß du nicht als ein<lb/> Pfuscher und Stümper erscheinest. Glaubst du, daß die Revolution und Um¬<lb/> kehr Europens Gottes Werk ist, so mußtest du, gerade du, durch Gegenwehr<lb/> den Sturz schneller und gewaltiger machen: Glaubst du aber, daß durch deine<lb/> Winkelei und Elendigkeit dein Vaterlande Wundpflaster aufgelegt werden konnte,<lb/> so kennest dn weder die Wunden, noch die Heilmittel. Fahre hin in deiner<lb/> Nichtigkeit, Mittelding von einem Zierling und Jesuiten! Die Zeit der Priester<lb/> war vorbei, aber ein Dalberg mit Richelieus und Talleyrands Stärke und<lb/> Geschmeidigkeit wäre anders gestanden und gefallen (S. 423).</p><lb/> <p xml:id="ID_2619"> Ebenso ging es den folgenden Herbst. Die Fürsten liefen davon, oder<lb/> gingen den Schelmenvertrag ein gegen ihr Vaterland. Ja, die Knechte fingen<lb/> an, auf Preußen und Österreich zu schimpfen. Was vor fünf, ja, was noch<lb/> vor zwei Jahren tüchtig genannt wäre, war nun hündisch. Doch Teutsche<lb/> selbst lobten hündische Schmeicheleien und den blutigen Muttermord als Weisheit.<lb/> So schnell wuchs Unverschämtheit aus Schande.</p><lb/> <p xml:id="ID_2620"> Aber ich gehe unter in diesem Schmutz. Verderbet, elende Schwächlinge,<lb/> eure Schande soll leben! unsere, die unverschuldete, werden wir einst rein<lb/> waschen." (Schluß folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0559]
Arndt als Agitator und Gffiziosus
Ihr fühltet die Schande — o hättet ihr sie nicht gewußt, ihr fühltet sie
und ladet sie doch. Noch sprächet ihr vor eurer Nation, vor Europa, von
euren Leuten, von euren Untertanen, von dem Weh und Elend des Kriegs,
das ihr ablenken, von dem Zorn und Grimm des Gewaltigen, den ihr beruhigen
müßtet (S. 421). Ihr kogel, denn ihr dachtet nicht an eure Leute, ihr
dachtet nur an euch selbst: und deswegen konntet ihr weder an Ehre noch Heil
denken. Nicht wahr, ihr dachtet an das Glück und die Glorie eurer Leute, als
ihr sie mitziehen hießet, den einzigen teutschen Staat zu vernichten, durch welchen
der teutsche Name mit Ehren auf die Nachwelt kommen konnte? nicht wahr,
ihr dachtet an die Freiheit und Herrlichkeit eurer Leute, als ihr euch zu
Knechten der höhnischen Nachbarn machtet? nicht wahr, ihr dachtet an die
Kunst und Sitte eurer Leute, als ihr die teutschverachtenden Franzosen über sie
setztet? — O Sklaven ohne Sinn und Gefühl! nur das nächste kurze Weh
sahet ihr, nicht das entfernte lange Weh. In dieser Zeit müßtet ihr untergehen,
aber ihr hättet glorreich vergehen sollen. Ihr werdet doch vergehen in Schande,
euer Volk im Elende, aber euer Volk wird wieder erstehen (S. 422). —
So wäret ihr die Ersten, ihr Fürsten von Bayern, von Württemberg
und Baden, du Bayerfürst, der schwärzeste Verbrecher, weil deine Stärke dem
Verderber sogleich helfen konnte und zu des Vaterlandes Untergang ihm half.
Ein Erzpriester war mit, du warst mit, Freiherr v. Dalberg, hieltest dem
Vaterlande in Regensburg eine Leichenrede und bewillkommnetest dann die neue
Knechtschaft in ebenso verdächtigen Phrasen. Laß andere über deine Gesinnung
und deinen Zweck streiten, du entrinnest mir vergebens, daß du nicht als ein
Pfuscher und Stümper erscheinest. Glaubst du, daß die Revolution und Um¬
kehr Europens Gottes Werk ist, so mußtest du, gerade du, durch Gegenwehr
den Sturz schneller und gewaltiger machen: Glaubst du aber, daß durch deine
Winkelei und Elendigkeit dein Vaterlande Wundpflaster aufgelegt werden konnte,
so kennest dn weder die Wunden, noch die Heilmittel. Fahre hin in deiner
Nichtigkeit, Mittelding von einem Zierling und Jesuiten! Die Zeit der Priester
war vorbei, aber ein Dalberg mit Richelieus und Talleyrands Stärke und
Geschmeidigkeit wäre anders gestanden und gefallen (S. 423).
Ebenso ging es den folgenden Herbst. Die Fürsten liefen davon, oder
gingen den Schelmenvertrag ein gegen ihr Vaterland. Ja, die Knechte fingen
an, auf Preußen und Österreich zu schimpfen. Was vor fünf, ja, was noch
vor zwei Jahren tüchtig genannt wäre, war nun hündisch. Doch Teutsche
selbst lobten hündische Schmeicheleien und den blutigen Muttermord als Weisheit.
So schnell wuchs Unverschämtheit aus Schande.
Aber ich gehe unter in diesem Schmutz. Verderbet, elende Schwächlinge,
eure Schande soll leben! unsere, die unverschuldete, werden wir einst rein
waschen." (Schluß folgt.)
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