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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Arndt als Agitator und Gffiziosus
Noch ein Arndtfund")
von Albrecht Dühr

in 12. Juni 1812 war der Freiherr vom Stein auf den Ruf des
russischen Kaisers im Hauptquartier zu Wilna eingetroffen. Am
18. bereits übergab er dem Zaren die Denkschrift, in der es
heißt: "Man kann diese Stimmung der Gemüter ^gegen die
napoleonische Herrschaft^ verstärken und erhöhen, wenn man in
Deutschland Schriften verbreitet, die ein treffendes Gemälde der unheilvollen
und herabwürdigenden Lage dieses Landes darbieten. Der zweite Teil des
.Geist der Zeit° von Arndt ist mit einer großen Kraft und einer erschreckenden
Wahrheit geschrieben; in Schweden gedruckt hat er nicht in Deutschland ein¬
dringen können, man müßte einen neuen Abdruck veranstalten und ihn auf dem
Wege des Schleichhandels auf der Galizischen Gränze Herrn Grüner in Prag
zuschicken, damit er das Buch in Deutschland in Umlauf setze, und Herrn Arndt
hierherziehen, um ihn bei der Abfassung der Flugschriften zu gebrauchen, welche
man in Deutschland verbreiten ließe."

Der Zar war damit einverstanden; Stein ließ Grüner die entsprechenden
Weisungen zugehen, und dieser antwortete am 10. Juli, daß er zwei Leipziger
Buchhändler für eine neue Auflage des "Geistes der Zeit" gewonnen habe, am
30., daß die Ausgabe unverzüglich in Leipzig gemacht werden solle, und daß
er die geeigneten Vorbereitungen zum Vertriebe aufs schnellste getroffen habe**).

Ist diese Ausgabe nun aber auch wirklich erschienen? Einer unserer besten
Arndtkenner, G. Meisner, behauptet es in der Einleitung zu seiner Ausgabe
des "Geistes der Zeit" (Ausgewählte Werke E. M. Arndts. Leipzig, Max Hesse.)
S. 7: "Eine neue wohlfeile, wenig veränderte Auflage ließ I. Grüner heimlich
in Leipzig 1812 oder Anfang 1813 drucken." Ich habe ihrer nicht habhaft
werden können, möchte auch annehmen, daß hier ein Irrtum Meisners vorliegt.
Denn erstens ist nach dem Verzeichnis der in den öffentlichen Bibliotheken
Deutschlands vorhandenen Arndtschriften. das im Zentralblatt für Bibliotheks-




*) Vgl. Max Lehmann: "Ein Arndtfund." Deutsche Revue, Dezember 1904, und Ernst
Müsebeck: "Eine neu aufgefundene Schrift E. M. Arndts aus dem Jahre 1810." Preußische
Jahrbücher, Juli 1910.
Vgl. Fournier: Stein und Grüner. Deutsche Rundschau 1887/33, I, 203 ff., und
I. v. Grüner im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichtsvereine. 1894.
63 ff., 66 ff.
Grenzboten III 1911 69


Arndt als Agitator und Gffiziosus
Noch ein Arndtfund")
von Albrecht Dühr

in 12. Juni 1812 war der Freiherr vom Stein auf den Ruf des
russischen Kaisers im Hauptquartier zu Wilna eingetroffen. Am
18. bereits übergab er dem Zaren die Denkschrift, in der es
heißt: „Man kann diese Stimmung der Gemüter ^gegen die
napoleonische Herrschaft^ verstärken und erhöhen, wenn man in
Deutschland Schriften verbreitet, die ein treffendes Gemälde der unheilvollen
und herabwürdigenden Lage dieses Landes darbieten. Der zweite Teil des
.Geist der Zeit° von Arndt ist mit einer großen Kraft und einer erschreckenden
Wahrheit geschrieben; in Schweden gedruckt hat er nicht in Deutschland ein¬
dringen können, man müßte einen neuen Abdruck veranstalten und ihn auf dem
Wege des Schleichhandels auf der Galizischen Gränze Herrn Grüner in Prag
zuschicken, damit er das Buch in Deutschland in Umlauf setze, und Herrn Arndt
hierherziehen, um ihn bei der Abfassung der Flugschriften zu gebrauchen, welche
man in Deutschland verbreiten ließe."

Der Zar war damit einverstanden; Stein ließ Grüner die entsprechenden
Weisungen zugehen, und dieser antwortete am 10. Juli, daß er zwei Leipziger
Buchhändler für eine neue Auflage des „Geistes der Zeit" gewonnen habe, am
30., daß die Ausgabe unverzüglich in Leipzig gemacht werden solle, und daß
er die geeigneten Vorbereitungen zum Vertriebe aufs schnellste getroffen habe**).

Ist diese Ausgabe nun aber auch wirklich erschienen? Einer unserer besten
Arndtkenner, G. Meisner, behauptet es in der Einleitung zu seiner Ausgabe
des „Geistes der Zeit" (Ausgewählte Werke E. M. Arndts. Leipzig, Max Hesse.)
S. 7: „Eine neue wohlfeile, wenig veränderte Auflage ließ I. Grüner heimlich
in Leipzig 1812 oder Anfang 1813 drucken." Ich habe ihrer nicht habhaft
werden können, möchte auch annehmen, daß hier ein Irrtum Meisners vorliegt.
Denn erstens ist nach dem Verzeichnis der in den öffentlichen Bibliotheken
Deutschlands vorhandenen Arndtschriften. das im Zentralblatt für Bibliotheks-




*) Vgl. Max Lehmann: „Ein Arndtfund." Deutsche Revue, Dezember 1904, und Ernst
Müsebeck: „Eine neu aufgefundene Schrift E. M. Arndts aus dem Jahre 1810." Preußische
Jahrbücher, Juli 1910.
Vgl. Fournier: Stein und Grüner. Deutsche Rundschau 1887/33, I, 203 ff., und
I. v. Grüner im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichtsvereine. 1894.
63 ff., 66 ff.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/553>, abgerufen am 29.12.2024.