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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Das neue Hamburg

konnte ohne weiteres in den Dienst der neuen Sache gestellt werden, so die Stadt¬
bibliothek, das Tropenhygienische Institut, die Botanischen Staatsinstitute, das
geologisch-mineralogische Institut, das Chemische und das Physikalische Staats¬
laboratorium, die Museen für Naturkunde und für Völkerkunde; Professuren für
Kultur und Geschichte des Islams, afrikanische Sprachen, Kultur und Geschichte
Ostasiens, Erdkunde, Volkswirtschaftslehre, öffentliches Recht traten hinzu. Außer¬
dem bestehen für das allgemeine Vorlesungswesen Professuren für Geschichte,
deutsche Sprache und ältere deutsche Literatur, romanische Sprachen und Lite¬
raturen, englische Sprache und Literatur, Philosophie. Neben all das trat eine
von wohlhabenden Bürgern teils durch Vermächtnisse, teils mit warmer Hand
gespendete Wissenschaftliche Stiftung von mehreren Millionen; aus ihr werden
Beiträge zu wissenschaftlichen Forschungsreisen gegeben, Erich Marcks ward von
ihr als Professor der Geschichte nach Hamburg berufen und hat hier den ersten
Band seines Bismarck-Werks beendet, und die Stiftung wird überhaupt zur
Stützung deS wissenschaftlichen Betriebes herangezogen, während ein Großkaufmann.
Edmund Siemers, dem Staat ein Vorlesungsgebäude baute, das im Laufe dieses
Jahres eröffnet worden ist. Damit sind wesentliche Vorbedingungen erfüllt,
aus dem Kolonialinstitut, den übrigen wissenschaftlichen Anstalten und dem
Vorlesungswesen eine Universität zu bilden, die in vielleicht nicht ganz dem
Herkömmlichen entsprechender Form denn auch jedenfalls einmal in Hamburg
errichtet werden wird.

Es verlohnt sich, all diese neuen Züge des hamburgischen Lebens einmal
zusammenfassend zu überschauen. Denn man wird bei der Betrachtung noch einen
gemeinsamen Zug finden: daß nämlich all dies rein bürgerlich geworden und
gewachsen ist-, während in den meisten anderen Großstädten Deutschlands, vielleicht
mit Ausnahme von Frankfurt am Main, Wissenschaft und Kunst immer wieder
von den Höfen her Förderung und Ausgestaltung empfangen haben, sind diese
naturgemäß hier ganz ausgeblieben, und der in seinem Innern auf sich selbst
angewiesene Stadtstaat hat all dies geschaffen. So läßt sich vielleicht erwarten,
daß von dem weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Aufbau und Ausbau
des hamburgischen Wesens auf weite Teile Deutschlands ein Einfluß im Sinne
einer großen bürgerlichen Kultur ausgehen wird, wie ihn der wachsende Industrie¬
staat mit seiner sich rasch mehrenden Bevölkerung nur zu wohl brauchen kann.




Das neue Hamburg

konnte ohne weiteres in den Dienst der neuen Sache gestellt werden, so die Stadt¬
bibliothek, das Tropenhygienische Institut, die Botanischen Staatsinstitute, das
geologisch-mineralogische Institut, das Chemische und das Physikalische Staats¬
laboratorium, die Museen für Naturkunde und für Völkerkunde; Professuren für
Kultur und Geschichte des Islams, afrikanische Sprachen, Kultur und Geschichte
Ostasiens, Erdkunde, Volkswirtschaftslehre, öffentliches Recht traten hinzu. Außer¬
dem bestehen für das allgemeine Vorlesungswesen Professuren für Geschichte,
deutsche Sprache und ältere deutsche Literatur, romanische Sprachen und Lite¬
raturen, englische Sprache und Literatur, Philosophie. Neben all das trat eine
von wohlhabenden Bürgern teils durch Vermächtnisse, teils mit warmer Hand
gespendete Wissenschaftliche Stiftung von mehreren Millionen; aus ihr werden
Beiträge zu wissenschaftlichen Forschungsreisen gegeben, Erich Marcks ward von
ihr als Professor der Geschichte nach Hamburg berufen und hat hier den ersten
Band seines Bismarck-Werks beendet, und die Stiftung wird überhaupt zur
Stützung deS wissenschaftlichen Betriebes herangezogen, während ein Großkaufmann.
Edmund Siemers, dem Staat ein Vorlesungsgebäude baute, das im Laufe dieses
Jahres eröffnet worden ist. Damit sind wesentliche Vorbedingungen erfüllt,
aus dem Kolonialinstitut, den übrigen wissenschaftlichen Anstalten und dem
Vorlesungswesen eine Universität zu bilden, die in vielleicht nicht ganz dem
Herkömmlichen entsprechender Form denn auch jedenfalls einmal in Hamburg
errichtet werden wird.

Es verlohnt sich, all diese neuen Züge des hamburgischen Lebens einmal
zusammenfassend zu überschauen. Denn man wird bei der Betrachtung noch einen
gemeinsamen Zug finden: daß nämlich all dies rein bürgerlich geworden und
gewachsen ist-, während in den meisten anderen Großstädten Deutschlands, vielleicht
mit Ausnahme von Frankfurt am Main, Wissenschaft und Kunst immer wieder
von den Höfen her Förderung und Ausgestaltung empfangen haben, sind diese
naturgemäß hier ganz ausgeblieben, und der in seinem Innern auf sich selbst
angewiesene Stadtstaat hat all dies geschaffen. So läßt sich vielleicht erwarten,
daß von dem weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Aufbau und Ausbau
des hamburgischen Wesens auf weite Teile Deutschlands ein Einfluß im Sinne
einer großen bürgerlichen Kultur ausgehen wird, wie ihn der wachsende Industrie¬
staat mit seiner sich rasch mehrenden Bevölkerung nur zu wohl brauchen kann.




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[0530] Das neue Hamburg konnte ohne weiteres in den Dienst der neuen Sache gestellt werden, so die Stadt¬ bibliothek, das Tropenhygienische Institut, die Botanischen Staatsinstitute, das geologisch-mineralogische Institut, das Chemische und das Physikalische Staats¬ laboratorium, die Museen für Naturkunde und für Völkerkunde; Professuren für Kultur und Geschichte des Islams, afrikanische Sprachen, Kultur und Geschichte Ostasiens, Erdkunde, Volkswirtschaftslehre, öffentliches Recht traten hinzu. Außer¬ dem bestehen für das allgemeine Vorlesungswesen Professuren für Geschichte, deutsche Sprache und ältere deutsche Literatur, romanische Sprachen und Lite¬ raturen, englische Sprache und Literatur, Philosophie. Neben all das trat eine von wohlhabenden Bürgern teils durch Vermächtnisse, teils mit warmer Hand gespendete Wissenschaftliche Stiftung von mehreren Millionen; aus ihr werden Beiträge zu wissenschaftlichen Forschungsreisen gegeben, Erich Marcks ward von ihr als Professor der Geschichte nach Hamburg berufen und hat hier den ersten Band seines Bismarck-Werks beendet, und die Stiftung wird überhaupt zur Stützung deS wissenschaftlichen Betriebes herangezogen, während ein Großkaufmann. Edmund Siemers, dem Staat ein Vorlesungsgebäude baute, das im Laufe dieses Jahres eröffnet worden ist. Damit sind wesentliche Vorbedingungen erfüllt, aus dem Kolonialinstitut, den übrigen wissenschaftlichen Anstalten und dem Vorlesungswesen eine Universität zu bilden, die in vielleicht nicht ganz dem Herkömmlichen entsprechender Form denn auch jedenfalls einmal in Hamburg errichtet werden wird. Es verlohnt sich, all diese neuen Züge des hamburgischen Lebens einmal zusammenfassend zu überschauen. Denn man wird bei der Betrachtung noch einen gemeinsamen Zug finden: daß nämlich all dies rein bürgerlich geworden und gewachsen ist-, während in den meisten anderen Großstädten Deutschlands, vielleicht mit Ausnahme von Frankfurt am Main, Wissenschaft und Kunst immer wieder von den Höfen her Förderung und Ausgestaltung empfangen haben, sind diese naturgemäß hier ganz ausgeblieben, und der in seinem Innern auf sich selbst angewiesene Stadtstaat hat all dies geschaffen. So läßt sich vielleicht erwarten, daß von dem weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Aufbau und Ausbau des hamburgischen Wesens auf weite Teile Deutschlands ein Einfluß im Sinne einer großen bürgerlichen Kultur ausgehen wird, wie ihn der wachsende Industrie¬ staat mit seiner sich rasch mehrenden Bevölkerung nur zu wohl brauchen kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/530>, abgerufen am 29.12.2024.