Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Das Gluck des Hauses Rottland Sie war aufgesprungen und hatte den rechten Arm um den Hals der Kuh Der alte Herr dachte an seine Pferde und erhob sich nun ebenfalls. "Daß Jhr's wißt," sagte das Mädchen, als er sich zum Weggehen anschickte, "Gute Verrichtung!" entgegnete der Freiherr, "aber was kümmert mich's, Sie sah ihn mit blitzenden Augen an. "Ihr denkt wohl, ich wüßt's nicht, wie Ihr immer drauf lauert, daß ich "Weshalb sollt' ich drauf lauern?" "Weil Ihr allemal erntet, was meine Kühe gesät haben." Sie brach in ein Der alte Herr versuchte zu lächeln, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen. Er ließ das Mädchen stehen und ging denselben Pfad, den er gekommen war, Die Pferde, denen die Zeit zu lang geworden sein mochte, hatten den Pflug (Fortsetzung folgt.) Das Gluck des Hauses Rottland Sie war aufgesprungen und hatte den rechten Arm um den Hals der Kuh Der alte Herr dachte an seine Pferde und erhob sich nun ebenfalls. „Daß Jhr's wißt," sagte das Mädchen, als er sich zum Weggehen anschickte, „Gute Verrichtung!" entgegnete der Freiherr, „aber was kümmert mich's, Sie sah ihn mit blitzenden Augen an. „Ihr denkt wohl, ich wüßt's nicht, wie Ihr immer drauf lauert, daß ich „Weshalb sollt' ich drauf lauern?" „Weil Ihr allemal erntet, was meine Kühe gesät haben." Sie brach in ein Der alte Herr versuchte zu lächeln, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen. Er ließ das Mädchen stehen und ging denselben Pfad, den er gekommen war, Die Pferde, denen die Zeit zu lang geworden sein mochte, hatten den Pflug (Fortsetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319472"/> <fw type="header" place="top"> Das Gluck des Hauses Rottland</fw><lb/> <p xml:id="ID_2489"> Sie war aufgesprungen und hatte den rechten Arm um den Hals der Kuh<lb/> gelegt, während sie mit der Linken das dichte Stirnhaar zwischen den Hörnern<lb/> traute. 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Daß<lb/> er selbst Bauernarbeit verrichten mußte, Keuchte ihm ebensowenig eine Schande,<lb/> obgleich der Adel in der Nachbarschaft, den Krieg und Pest um Knechte und Hinter¬<lb/> sassen gebracht hatten, meist vorzog, seinen Grundbesitz brach liegen zu lassen und<lb/> tatenlos auf bessere Zeiten zu warten oder sein Glück im Kriegs- und Hofdienst<lb/> zu suchen. Daß aber die Holzheimer Merge dahinter gekommen war, auf welche<lb/> Weise er den himmlischen Segen, der auf der fleißigen Bestellung des Ackerbodens<lb/> ruht, wirksamer zu machen trachtete, das verdroß und beschämte ihn über alle<lb/> Maßen, und er, der Weißkopf, kam sich der jungen Bauerndirne gegenüber wie ein<lb/> Schulknabe vor, den man bei einem dummen Streiche ertappt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2498"> Er ließ das Mädchen stehen und ging denselben Pfad, den er gekommen war,<lb/> zurück. Jetzt klang ihm das Gezeter der Häher wie Hohn und der Schrei des<lb/> Spechtes wie Gelächter, und ihm war, als hätte beides ihm gegolten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2499"> Die Pferde, denen die Zeit zu lang geworden sein mochte, hatten den Pflug<lb/> umgeworfen und grasten am Waldrand. Der Freiherr nahm sie beiden Köpfen<lb/> und brachte sie wieder auf den Acker. Aber in allen seinen Bewegungen lag etwas<lb/> Ungestümes, und als der Pflug nun wieder das Erdreich zerschnitt, sauste öfter als<lb/> sonst ein scharfer Peitschenhieb auf die Flanken der keuchenden Gäule nieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_2500"> (Fortsetzung folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0525]
Das Gluck des Hauses Rottland
Sie war aufgesprungen und hatte den rechten Arm um den Hals der Kuh
gelegt, während sie mit der Linken das dichte Stirnhaar zwischen den Hörnern
traute. Das Tier schien für diese Liebkosung empfänglich zu sein, es hob den
Kopf und stieß ein freudiges Gebrüll aus, das von einer der anderen Kühe, die
tiefer im Walde weideten, beantwortet wurde.
Der alte Herr dachte an seine Pferde und erhob sich nun ebenfalls.
„Daß Jhr's wißt," sagte das Mädchen, als er sich zum Weggehen anschickte,
„heut' treib' ich zeitiger heim. Muß noch nach der Roederer Mühle heut' abend."
„Gute Verrichtung!" entgegnete der Freiherr, „aber was kümmert mich's,
wann du heimtreibst?"
Sie sah ihn mit blitzenden Augen an.
„Ihr denkt wohl, ich wüßt's nicht, wie Ihr immer drauf lauert, daß ich
heimtreib'?"
„Weshalb sollt' ich drauf lauern?"
„Weil Ihr allemal erntet, was meine Kühe gesät haben." Sie brach in ein
tolles Lachen aus. „Ja," fuhr sie fort, „vergangene Woche hatte ich meinen Krug
stehen lassen und kam noch einmal zurück, ihn zu holen. Da sah ich, wie Ihr mit
einem Korb zwischen den Büschen herumgingt und fleißig auflast, was die Kühe
zurückgelassen hatten, und wie Ihr dann den Korb aus dem Walde schlepptet und
den Mist auf Eure Wintergerste streutet. Und nachher seid Ihr mit dem leeren
Korb zu den Heidenlöchern gegangen und habt ihn da versteckt. Ja, Herr, meine
Kühe sind stolz, die nehmen nichts geschenkt, sondern bezahlen ihre Zeche, so gut
sie's verstehen."
Der alte Herr versuchte zu lächeln, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen.
Seine Armut, die ihm verbot, sich in dieser teuern Zeit Vieh zu kaufen, bedrückte
ihn nicht, denn den meisten seiner Standesgenossen erging es nicht besser. Daß
er selbst Bauernarbeit verrichten mußte, Keuchte ihm ebensowenig eine Schande,
obgleich der Adel in der Nachbarschaft, den Krieg und Pest um Knechte und Hinter¬
sassen gebracht hatten, meist vorzog, seinen Grundbesitz brach liegen zu lassen und
tatenlos auf bessere Zeiten zu warten oder sein Glück im Kriegs- und Hofdienst
zu suchen. Daß aber die Holzheimer Merge dahinter gekommen war, auf welche
Weise er den himmlischen Segen, der auf der fleißigen Bestellung des Ackerbodens
ruht, wirksamer zu machen trachtete, das verdroß und beschämte ihn über alle
Maßen, und er, der Weißkopf, kam sich der jungen Bauerndirne gegenüber wie ein
Schulknabe vor, den man bei einem dummen Streiche ertappt hat.
Er ließ das Mädchen stehen und ging denselben Pfad, den er gekommen war,
zurück. Jetzt klang ihm das Gezeter der Häher wie Hohn und der Schrei des
Spechtes wie Gelächter, und ihm war, als hätte beides ihm gegolten.
Die Pferde, denen die Zeit zu lang geworden sein mochte, hatten den Pflug
umgeworfen und grasten am Waldrand. Der Freiherr nahm sie beiden Köpfen
und brachte sie wieder auf den Acker. Aber in allen seinen Bewegungen lag etwas
Ungestümes, und als der Pflug nun wieder das Erdreich zerschnitt, sauste öfter als
sonst ein scharfer Peitschenhieb auf die Flanken der keuchenden Gäule nieder.
(Fortsetzung folgt.)
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