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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Karl Anton Fürst von Hohenzollern

die ein Madonnengesicht hatte", aber er erkannte doch, daß sie bei "ihrer außer¬
ordentlichen Schüchternheit einen inneren Gemütsschatz verbarg, dessen spätere
Ausbeute zu meinem häuslichen Glück die beste Aussicht bot". Am 21. Oktober
1834 vermählte er sich mit Josephine von Baden, wiewohl "mein Herz nicht
heiß für sie schlug". Und wie glücklich ist diese Ehe gewordenI Während bis
dahin von Fürst Joseph an, geboren 1702, das fürstliche Haus stets nur einen
einzigen Sohn besaß, blühte jetzt die Familie tüchtig auf; Josephine schenkte ihrem
Gemahl sechs geistig und körperlich gesunde und kräftige Kinder.

Im Jahre 1849 trat Karl Anton durch Staatsvertrag vom 7. Dezember
die Negierung des Fürstentums für sich und seine Nachkommen an Preußen ab.
Äußeren Anlaß dazu gab, daß die Hohenzollerer, wiewohl sie wahrlich keine
Ursache dazu hatten, dein revolutionären Beispiele der Nachbarstaaten folgten
und auch aufsässig wurden. Das bis dahin herrschende patriarchalische Verhältnis
zwischen Fürst und Volk wurde dadurch vernichtet, und Karl Anton sah mit
Unwillen, mit welchem Undank man seinen Vater und ihn behandelte. Aber
bei Karl Anton war auch noch ein anderer Beweggrund geltend, der sehr
lebhaft wirkte. Das war der Gedanke an die Möglichkeit einer Einigung
Deutschlands. "Soll die Einheit Deutschlands aus dem Reich der Träume in
die Wirklichkeit treten, so darf kein Opfer zu groß sein. Ich lege hiermit das
größte, welches ich bringen kann, auf den Altar des Vaterlandes nieder."

Der Deutsche ist geneigt, an allem Kritik zu üben und zwar nicht immer
wohlwollend. Das hat Karl Anton auch erfahren. Wenn man aber erwägt,
was es für eine Dynastie, die achthundert Jahre über ein Land geherrscht,
heißt, diese Regierung niederzulegen, wenn man den konservativen Geist eines
solchen Hauses kennt, eine Ahnung davon hat, wie in solchen Familien die
Tradition fortlebt und Wurzeln geschlagen hat, die nie auszurotten sind, dann
wird man den Schritt, den Karl Anton für sich und -- wohlverstanden -- für
alle seine Nachkommen tat, von einem höheren Gesichtspunkte beurteilen, als
wie es häufig geschehen ist. Und wenn man den ganzen Lebensgang, den Charakter
des Fürsten in Betracht zieht, so muß man zu dem Ergebnis kommen: bei
diesem Manne haben höhere, edlere Beweggründe obgewaltet als nur Berechnung.

Sobald Preußen das Land übernommen, begab sich Karl Anton nach
Neisse, um sich nun ganz dem Soldatenstande zu widmen. Er verzichtet
darauf, "eine Uniform in der Residenz" zu tragen, wiewohl er preußischer
General war, er will lernen und bittet sich vom Kriegsminister einen tüchtigen
militärischen Vorgesetzten aus. Den erhielt er in Generalleutnant v. Werber,
der die militärische Veranlagung seines fürstlichen Schülers bald erkannte und
ihn zu dem macht, was Karl Anton erstrebt: "ein tüchtiger Soldat zu werden
mit dem einzigen Wunsch, in unmittelbarer Nähe der Truppen und stets bei
denselben bleiben zu dürfen".

Als er am 27. April 1851 zum Kommandeur der 12. Jnfanteriebrigade
ernannt wurde, da schrieb ihm Prinz Wilhelm von Preußen: "Es ist ein schönes


Karl Anton Fürst von Hohenzollern

die ein Madonnengesicht hatte", aber er erkannte doch, daß sie bei „ihrer außer¬
ordentlichen Schüchternheit einen inneren Gemütsschatz verbarg, dessen spätere
Ausbeute zu meinem häuslichen Glück die beste Aussicht bot". Am 21. Oktober
1834 vermählte er sich mit Josephine von Baden, wiewohl „mein Herz nicht
heiß für sie schlug". Und wie glücklich ist diese Ehe gewordenI Während bis
dahin von Fürst Joseph an, geboren 1702, das fürstliche Haus stets nur einen
einzigen Sohn besaß, blühte jetzt die Familie tüchtig auf; Josephine schenkte ihrem
Gemahl sechs geistig und körperlich gesunde und kräftige Kinder.

Im Jahre 1849 trat Karl Anton durch Staatsvertrag vom 7. Dezember
die Negierung des Fürstentums für sich und seine Nachkommen an Preußen ab.
Äußeren Anlaß dazu gab, daß die Hohenzollerer, wiewohl sie wahrlich keine
Ursache dazu hatten, dein revolutionären Beispiele der Nachbarstaaten folgten
und auch aufsässig wurden. Das bis dahin herrschende patriarchalische Verhältnis
zwischen Fürst und Volk wurde dadurch vernichtet, und Karl Anton sah mit
Unwillen, mit welchem Undank man seinen Vater und ihn behandelte. Aber
bei Karl Anton war auch noch ein anderer Beweggrund geltend, der sehr
lebhaft wirkte. Das war der Gedanke an die Möglichkeit einer Einigung
Deutschlands. „Soll die Einheit Deutschlands aus dem Reich der Träume in
die Wirklichkeit treten, so darf kein Opfer zu groß sein. Ich lege hiermit das
größte, welches ich bringen kann, auf den Altar des Vaterlandes nieder."

Der Deutsche ist geneigt, an allem Kritik zu üben und zwar nicht immer
wohlwollend. Das hat Karl Anton auch erfahren. Wenn man aber erwägt,
was es für eine Dynastie, die achthundert Jahre über ein Land geherrscht,
heißt, diese Regierung niederzulegen, wenn man den konservativen Geist eines
solchen Hauses kennt, eine Ahnung davon hat, wie in solchen Familien die
Tradition fortlebt und Wurzeln geschlagen hat, die nie auszurotten sind, dann
wird man den Schritt, den Karl Anton für sich und — wohlverstanden — für
alle seine Nachkommen tat, von einem höheren Gesichtspunkte beurteilen, als
wie es häufig geschehen ist. Und wenn man den ganzen Lebensgang, den Charakter
des Fürsten in Betracht zieht, so muß man zu dem Ergebnis kommen: bei
diesem Manne haben höhere, edlere Beweggründe obgewaltet als nur Berechnung.

Sobald Preußen das Land übernommen, begab sich Karl Anton nach
Neisse, um sich nun ganz dem Soldatenstande zu widmen. Er verzichtet
darauf, „eine Uniform in der Residenz" zu tragen, wiewohl er preußischer
General war, er will lernen und bittet sich vom Kriegsminister einen tüchtigen
militärischen Vorgesetzten aus. Den erhielt er in Generalleutnant v. Werber,
der die militärische Veranlagung seines fürstlichen Schülers bald erkannte und
ihn zu dem macht, was Karl Anton erstrebt: „ein tüchtiger Soldat zu werden
mit dem einzigen Wunsch, in unmittelbarer Nähe der Truppen und stets bei
denselben bleiben zu dürfen".

Als er am 27. April 1851 zum Kommandeur der 12. Jnfanteriebrigade
ernannt wurde, da schrieb ihm Prinz Wilhelm von Preußen: „Es ist ein schönes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/469>, abgerufen am 04.01.2025.