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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Italienische Ansstellungsroisc

hinauf: Die Bologneser Schule mit den Porträts der drei Caracci nimmt uns
auf; ihre größte Erscheinung: Dominichino, zeigt sich hier nur gering, wogegen
Guido Reni mit einem Bild seiner Mutter seinen Ruhm leicht behaupten wird.
Die herrliche Lautenspielerin des Caravaggio, in ihrem schönen gelben Kleide,
sieht uns über die Schulter fort, noch tief im Spiel, mit liebem Ernst an; dort
hält ein alter Mann von der viel zu schnellen Hand des vielleicht zu Großem
ausersehenen Luca Giordano den Eiligen unvermutet fest. Ins Veneto hinauf¬
gestiegen, verweilen wir lange vor dem jungen Lautenspieler des Leandro Bassano,
der schwarzen Dame des Padovanino, dem unter sämtlichen Bildnissen der Preis
der Schönheit zugleich mit dem der Kunst gebührt, vor einen: alten Edelmann
im Silberton des Veronese, den Cavagua gemalt hat, und nun wird die Aus¬
stellung zum Museum. Große Namen treten uns entgegen: wir sehen zum
erstenmal ein Bild von Greco, ohne jedoch davon bewegt zu werden, und
begegnen der das Dunkel liebenden Kunst von Strozzi und Sacchi. Den längst
Ermüdeten nimmt, knapp vor dem Ausgang, ein neuer Träte mit Bildern auf
und zwingt mit vielem Bedeütungsvollen die Kräfte des Erfassens zurück. Denn
noch ist ein Bild von Rubens zu sehen, andere von Baroccio und Sustermanns,,
der mit einer Fürstin Doria-Pamphilj aufs neue Bewunderung gewinnt. Und>
ist dies Carlo Dolci, der diesen stolzen Fra Arnolfo ins Bild hinübergeschaffen,
hat, dies wirklich Sassoferrato, süßlicher Nachträumer schöngescheitelter Madonnen¬
köpfe, der mit herrlichen: Zusammenklang des Blau und Rot ein Bildnis wie
das des Monsignore Prati so vollenden konnte? Noch möchte man vor einem
gewiß wohlgetroffenen Porträt Ottavio Piccolominis verweilen, aber dort schließt
sich schon der letzte Saal und zieht den gerne Ungeduldigen zu sich. Der mächtige
Feldhauptmann del Borro, mit dem man einmal den Namen des Velasquez
verbunden hat, gibt ihn bald frei und so überläßt er sich dem Entzücken, das
aus den: schönen Not der Bilder von Maratta und Bacciccio in ihn einströmt.
Mit den beiden Berninis schließt er dann, geht vielleicht noch einmal zu der
schönen Genueserin, die er liebt, oder sieht sich wieder das weiße Haar und die
blauseidene Schleife der russischen Kaiserin an, ehe er in die Freiheit der Piazza
della Signoria hinaustritt. Zu Bildern will sich alles um ihn farbig verwandeln,
farbige Schatten schweben von ihm fort, wie er weiterschreitet, an der Loggia
dei Lanzi vorbei, die ihn noch einmal mit Kunst bedrängt. Dann biegt er in
eine der engen finsteren Gassen ein, unter deren Bogen Vergangenheit groß vor
ihm erwachen mag, und so in: Gehen, rettet er sich aus der schönen Verzauberung
allmählich ins Leben zurück, ob es hier auch leise fließt, gleich dem Arno,
der allabendlich leuchtend in den Untergang der Sonne mündet.




Italienische Ansstellungsroisc

hinauf: Die Bologneser Schule mit den Porträts der drei Caracci nimmt uns
auf; ihre größte Erscheinung: Dominichino, zeigt sich hier nur gering, wogegen
Guido Reni mit einem Bild seiner Mutter seinen Ruhm leicht behaupten wird.
Die herrliche Lautenspielerin des Caravaggio, in ihrem schönen gelben Kleide,
sieht uns über die Schulter fort, noch tief im Spiel, mit liebem Ernst an; dort
hält ein alter Mann von der viel zu schnellen Hand des vielleicht zu Großem
ausersehenen Luca Giordano den Eiligen unvermutet fest. Ins Veneto hinauf¬
gestiegen, verweilen wir lange vor dem jungen Lautenspieler des Leandro Bassano,
der schwarzen Dame des Padovanino, dem unter sämtlichen Bildnissen der Preis
der Schönheit zugleich mit dem der Kunst gebührt, vor einen: alten Edelmann
im Silberton des Veronese, den Cavagua gemalt hat, und nun wird die Aus¬
stellung zum Museum. Große Namen treten uns entgegen: wir sehen zum
erstenmal ein Bild von Greco, ohne jedoch davon bewegt zu werden, und
begegnen der das Dunkel liebenden Kunst von Strozzi und Sacchi. Den längst
Ermüdeten nimmt, knapp vor dem Ausgang, ein neuer Träte mit Bildern auf
und zwingt mit vielem Bedeütungsvollen die Kräfte des Erfassens zurück. Denn
noch ist ein Bild von Rubens zu sehen, andere von Baroccio und Sustermanns,,
der mit einer Fürstin Doria-Pamphilj aufs neue Bewunderung gewinnt. Und>
ist dies Carlo Dolci, der diesen stolzen Fra Arnolfo ins Bild hinübergeschaffen,
hat, dies wirklich Sassoferrato, süßlicher Nachträumer schöngescheitelter Madonnen¬
köpfe, der mit herrlichen: Zusammenklang des Blau und Rot ein Bildnis wie
das des Monsignore Prati so vollenden konnte? Noch möchte man vor einem
gewiß wohlgetroffenen Porträt Ottavio Piccolominis verweilen, aber dort schließt
sich schon der letzte Saal und zieht den gerne Ungeduldigen zu sich. Der mächtige
Feldhauptmann del Borro, mit dem man einmal den Namen des Velasquez
verbunden hat, gibt ihn bald frei und so überläßt er sich dem Entzücken, das
aus den: schönen Not der Bilder von Maratta und Bacciccio in ihn einströmt.
Mit den beiden Berninis schließt er dann, geht vielleicht noch einmal zu der
schönen Genueserin, die er liebt, oder sieht sich wieder das weiße Haar und die
blauseidene Schleife der russischen Kaiserin an, ehe er in die Freiheit der Piazza
della Signoria hinaustritt. Zu Bildern will sich alles um ihn farbig verwandeln,
farbige Schatten schweben von ihm fort, wie er weiterschreitet, an der Loggia
dei Lanzi vorbei, die ihn noch einmal mit Kunst bedrängt. Dann biegt er in
eine der engen finsteren Gassen ein, unter deren Bogen Vergangenheit groß vor
ihm erwachen mag, und so in: Gehen, rettet er sich aus der schönen Verzauberung
allmählich ins Leben zurück, ob es hier auch leise fließt, gleich dem Arno,
der allabendlich leuchtend in den Untergang der Sonne mündet.




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[0435] Italienische Ansstellungsroisc hinauf: Die Bologneser Schule mit den Porträts der drei Caracci nimmt uns auf; ihre größte Erscheinung: Dominichino, zeigt sich hier nur gering, wogegen Guido Reni mit einem Bild seiner Mutter seinen Ruhm leicht behaupten wird. Die herrliche Lautenspielerin des Caravaggio, in ihrem schönen gelben Kleide, sieht uns über die Schulter fort, noch tief im Spiel, mit liebem Ernst an; dort hält ein alter Mann von der viel zu schnellen Hand des vielleicht zu Großem ausersehenen Luca Giordano den Eiligen unvermutet fest. Ins Veneto hinauf¬ gestiegen, verweilen wir lange vor dem jungen Lautenspieler des Leandro Bassano, der schwarzen Dame des Padovanino, dem unter sämtlichen Bildnissen der Preis der Schönheit zugleich mit dem der Kunst gebührt, vor einen: alten Edelmann im Silberton des Veronese, den Cavagua gemalt hat, und nun wird die Aus¬ stellung zum Museum. Große Namen treten uns entgegen: wir sehen zum erstenmal ein Bild von Greco, ohne jedoch davon bewegt zu werden, und begegnen der das Dunkel liebenden Kunst von Strozzi und Sacchi. Den längst Ermüdeten nimmt, knapp vor dem Ausgang, ein neuer Träte mit Bildern auf und zwingt mit vielem Bedeütungsvollen die Kräfte des Erfassens zurück. Denn noch ist ein Bild von Rubens zu sehen, andere von Baroccio und Sustermanns,, der mit einer Fürstin Doria-Pamphilj aufs neue Bewunderung gewinnt. Und> ist dies Carlo Dolci, der diesen stolzen Fra Arnolfo ins Bild hinübergeschaffen, hat, dies wirklich Sassoferrato, süßlicher Nachträumer schöngescheitelter Madonnen¬ köpfe, der mit herrlichen: Zusammenklang des Blau und Rot ein Bildnis wie das des Monsignore Prati so vollenden konnte? Noch möchte man vor einem gewiß wohlgetroffenen Porträt Ottavio Piccolominis verweilen, aber dort schließt sich schon der letzte Saal und zieht den gerne Ungeduldigen zu sich. Der mächtige Feldhauptmann del Borro, mit dem man einmal den Namen des Velasquez verbunden hat, gibt ihn bald frei und so überläßt er sich dem Entzücken, das aus den: schönen Not der Bilder von Maratta und Bacciccio in ihn einströmt. Mit den beiden Berninis schließt er dann, geht vielleicht noch einmal zu der schönen Genueserin, die er liebt, oder sieht sich wieder das weiße Haar und die blauseidene Schleife der russischen Kaiserin an, ehe er in die Freiheit der Piazza della Signoria hinaustritt. Zu Bildern will sich alles um ihn farbig verwandeln, farbige Schatten schweben von ihm fort, wie er weiterschreitet, an der Loggia dei Lanzi vorbei, die ihn noch einmal mit Kunst bedrängt. Dann biegt er in eine der engen finsteren Gassen ein, unter deren Bogen Vergangenheit groß vor ihm erwachen mag, und so in: Gehen, rettet er sich aus der schönen Verzauberung allmählich ins Leben zurück, ob es hier auch leise fließt, gleich dem Arno, der allabendlich leuchtend in den Untergang der Sonne mündet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/435>, abgerufen am 29.12.2024.