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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Der Streit um den Hansabund

beiden Seiten. Rötger hat den Kampf gegen den Hansabund gegen die Ansicht
mindestens einzelner, wenn nicht vieler Mitglieder des Zentralverbandes auf¬
genommen, die vielleicht dem Hansabunde im allgemeinen zweifelnd gegenüber
stehen, die sich aber doch sagen, daß es unverantwortlich ist, die Bewegung einer
größeren Zusammenfassung der Gewerbestände in einem Augenblick zu unter¬
brechen, wenn nicht zu vernichten, wo diese Bewegung die erste entscheidende
Lebensäußerung versucht. Weiter war Vonseiten Rötgers folgendes zu bedenken:
Der Hansabund kann mit einer großen Organisation und großen Mitteln in den
Politischen Kampf der nächsten Zeit eingreifen und er muß es tun. Ist es tat¬
sächlich richtig, daß der Bund linksliberal gerichtet ist und in diesem Sinne für
Freihandel und für die Sozialdemokratie praktisch zu arbeiten sich anschickt, so ist
die Gefahr um so größer, je weniger Gegner dieser Wirtschafts- und sozialpolitischen
Anschauung in ihm vorhanden sind. Man kann daher die von der Industrie
gefürchtete schädliche Tätigkeit des Bundes gar nicht kräftiger fördern, als indem
alle Industriellen den Bund verlassen und ihn der angeblichen Wühlarbeit der
Linksliberalen überlassen. Das richtige wäre offenbar gewesen, jetzt gerade in
dein Bund zu bleiben, und ihn in der besonderen Frage der Schutzzollpolitik
theoretisch und soweit möglich auch durch Einfluß auf das politische Eingreifen
Praktisch bei der strengen Neutralität zu halten, die zu üben er verpflichtet ist.
Ich halte es schließlich für taktisch ganz verkehrt, den kommenden Wahlkampf
künstlich unter das Stichwort des Kampfes um die Schutzzollpolitik zu bringen,
wie es durch das Auftreten Buecks jetzt geschehen ist, der zu allen Einseitigkeiten
dieses ganzen Streites die größte Einseitigkeit gefügt hat.

Die nicht objektive, einseitige Haltung und wüste Form der Polemik in
diesem ganzen Streite liegt, das muß nochmals ausgesprochen werden, vielmehr
auf Seiten der Gegner des Hansabundes. Ist die Haltung des Berliner Tage¬
blattes und der Frankfurter Zeitung für den Hansabund in vieler Beziehung zu
bemängeln, so soll man doch auch ehrlich sagen, daß die Stellung der Post und
der rheinisch-westfälischen Zeitung u. a. noch viel weniger erfreulich ist. Bueck
bleibt selbstverständlich trotz sachlicher Schärfe und der bemängelten Fehler seiner
Darstellung nach der persönlichen Seite ruhig, aber angenehm ist es sür viele
seiner Freunde und Verehrer, zu denen auch der Autor gehört, doch nicht, ihn in der
Nähe solcher Kämpfer zu sehen. Die um den Streit im Hansabunde entwickelte
Polemik hat einen tiefen Riß unter die Gewerbetreibenden gebracht, die sich kaum
SU nähern begonnen hatten, hat die Industrie schlimmer gespalten als je und die
Sache, für die Rötger und Bueck eintreten wollen, nicht nur nicht gefördert,
sondern geschädigt. Das ist das beklagenswerte Ergebnis der Vorgänge und es
ist besonders bezeichnend, daß Rötger von den Beweggründen, die Bueck in seiner
Broschüre als maßgebend für die Trennung vom Hansabund angibt, keinen
einzigen genannt, sondern sich auf ganz andere zum Teil viel nebensächlichere und
keineswegs vollständig stichhaltige Trennungspnnkte berufen hat. während sich
allerdings die Gründe, die die rheinisch-westfälische Gruppe des Hansabundes für
ihren Austritt aus dem Bund nennt, mit der Bueckschcn Auffassung wohl decken.




Der Streit um den Hansabund

beiden Seiten. Rötger hat den Kampf gegen den Hansabund gegen die Ansicht
mindestens einzelner, wenn nicht vieler Mitglieder des Zentralverbandes auf¬
genommen, die vielleicht dem Hansabunde im allgemeinen zweifelnd gegenüber
stehen, die sich aber doch sagen, daß es unverantwortlich ist, die Bewegung einer
größeren Zusammenfassung der Gewerbestände in einem Augenblick zu unter¬
brechen, wenn nicht zu vernichten, wo diese Bewegung die erste entscheidende
Lebensäußerung versucht. Weiter war Vonseiten Rötgers folgendes zu bedenken:
Der Hansabund kann mit einer großen Organisation und großen Mitteln in den
Politischen Kampf der nächsten Zeit eingreifen und er muß es tun. Ist es tat¬
sächlich richtig, daß der Bund linksliberal gerichtet ist und in diesem Sinne für
Freihandel und für die Sozialdemokratie praktisch zu arbeiten sich anschickt, so ist
die Gefahr um so größer, je weniger Gegner dieser Wirtschafts- und sozialpolitischen
Anschauung in ihm vorhanden sind. Man kann daher die von der Industrie
gefürchtete schädliche Tätigkeit des Bundes gar nicht kräftiger fördern, als indem
alle Industriellen den Bund verlassen und ihn der angeblichen Wühlarbeit der
Linksliberalen überlassen. Das richtige wäre offenbar gewesen, jetzt gerade in
dein Bund zu bleiben, und ihn in der besonderen Frage der Schutzzollpolitik
theoretisch und soweit möglich auch durch Einfluß auf das politische Eingreifen
Praktisch bei der strengen Neutralität zu halten, die zu üben er verpflichtet ist.
Ich halte es schließlich für taktisch ganz verkehrt, den kommenden Wahlkampf
künstlich unter das Stichwort des Kampfes um die Schutzzollpolitik zu bringen,
wie es durch das Auftreten Buecks jetzt geschehen ist, der zu allen Einseitigkeiten
dieses ganzen Streites die größte Einseitigkeit gefügt hat.

Die nicht objektive, einseitige Haltung und wüste Form der Polemik in
diesem ganzen Streite liegt, das muß nochmals ausgesprochen werden, vielmehr
auf Seiten der Gegner des Hansabundes. Ist die Haltung des Berliner Tage¬
blattes und der Frankfurter Zeitung für den Hansabund in vieler Beziehung zu
bemängeln, so soll man doch auch ehrlich sagen, daß die Stellung der Post und
der rheinisch-westfälischen Zeitung u. a. noch viel weniger erfreulich ist. Bueck
bleibt selbstverständlich trotz sachlicher Schärfe und der bemängelten Fehler seiner
Darstellung nach der persönlichen Seite ruhig, aber angenehm ist es sür viele
seiner Freunde und Verehrer, zu denen auch der Autor gehört, doch nicht, ihn in der
Nähe solcher Kämpfer zu sehen. Die um den Streit im Hansabunde entwickelte
Polemik hat einen tiefen Riß unter die Gewerbetreibenden gebracht, die sich kaum
SU nähern begonnen hatten, hat die Industrie schlimmer gespalten als je und die
Sache, für die Rötger und Bueck eintreten wollen, nicht nur nicht gefördert,
sondern geschädigt. Das ist das beklagenswerte Ergebnis der Vorgänge und es
ist besonders bezeichnend, daß Rötger von den Beweggründen, die Bueck in seiner
Broschüre als maßgebend für die Trennung vom Hansabund angibt, keinen
einzigen genannt, sondern sich auf ganz andere zum Teil viel nebensächlichere und
keineswegs vollständig stichhaltige Trennungspnnkte berufen hat. während sich
allerdings die Gründe, die die rheinisch-westfälische Gruppe des Hansabundes für
ihren Austritt aus dem Bund nennt, mit der Bueckschcn Auffassung wohl decken.




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[0403] Der Streit um den Hansabund beiden Seiten. Rötger hat den Kampf gegen den Hansabund gegen die Ansicht mindestens einzelner, wenn nicht vieler Mitglieder des Zentralverbandes auf¬ genommen, die vielleicht dem Hansabunde im allgemeinen zweifelnd gegenüber stehen, die sich aber doch sagen, daß es unverantwortlich ist, die Bewegung einer größeren Zusammenfassung der Gewerbestände in einem Augenblick zu unter¬ brechen, wenn nicht zu vernichten, wo diese Bewegung die erste entscheidende Lebensäußerung versucht. Weiter war Vonseiten Rötgers folgendes zu bedenken: Der Hansabund kann mit einer großen Organisation und großen Mitteln in den Politischen Kampf der nächsten Zeit eingreifen und er muß es tun. Ist es tat¬ sächlich richtig, daß der Bund linksliberal gerichtet ist und in diesem Sinne für Freihandel und für die Sozialdemokratie praktisch zu arbeiten sich anschickt, so ist die Gefahr um so größer, je weniger Gegner dieser Wirtschafts- und sozialpolitischen Anschauung in ihm vorhanden sind. Man kann daher die von der Industrie gefürchtete schädliche Tätigkeit des Bundes gar nicht kräftiger fördern, als indem alle Industriellen den Bund verlassen und ihn der angeblichen Wühlarbeit der Linksliberalen überlassen. Das richtige wäre offenbar gewesen, jetzt gerade in dein Bund zu bleiben, und ihn in der besonderen Frage der Schutzzollpolitik theoretisch und soweit möglich auch durch Einfluß auf das politische Eingreifen Praktisch bei der strengen Neutralität zu halten, die zu üben er verpflichtet ist. Ich halte es schließlich für taktisch ganz verkehrt, den kommenden Wahlkampf künstlich unter das Stichwort des Kampfes um die Schutzzollpolitik zu bringen, wie es durch das Auftreten Buecks jetzt geschehen ist, der zu allen Einseitigkeiten dieses ganzen Streites die größte Einseitigkeit gefügt hat. Die nicht objektive, einseitige Haltung und wüste Form der Polemik in diesem ganzen Streite liegt, das muß nochmals ausgesprochen werden, vielmehr auf Seiten der Gegner des Hansabundes. Ist die Haltung des Berliner Tage¬ blattes und der Frankfurter Zeitung für den Hansabund in vieler Beziehung zu bemängeln, so soll man doch auch ehrlich sagen, daß die Stellung der Post und der rheinisch-westfälischen Zeitung u. a. noch viel weniger erfreulich ist. Bueck bleibt selbstverständlich trotz sachlicher Schärfe und der bemängelten Fehler seiner Darstellung nach der persönlichen Seite ruhig, aber angenehm ist es sür viele seiner Freunde und Verehrer, zu denen auch der Autor gehört, doch nicht, ihn in der Nähe solcher Kämpfer zu sehen. Die um den Streit im Hansabunde entwickelte Polemik hat einen tiefen Riß unter die Gewerbetreibenden gebracht, die sich kaum SU nähern begonnen hatten, hat die Industrie schlimmer gespalten als je und die Sache, für die Rötger und Bueck eintreten wollen, nicht nur nicht gefördert, sondern geschädigt. Das ist das beklagenswerte Ergebnis der Vorgänge und es ist besonders bezeichnend, daß Rötger von den Beweggründen, die Bueck in seiner Broschüre als maßgebend für die Trennung vom Hansabund angibt, keinen einzigen genannt, sondern sich auf ganz andere zum Teil viel nebensächlichere und keineswegs vollständig stichhaltige Trennungspnnkte berufen hat. während sich allerdings die Gründe, die die rheinisch-westfälische Gruppe des Hansabundes für ihren Austritt aus dem Bund nennt, mit der Bueckschcn Auffassung wohl decken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/403>, abgerufen am 29.12.2024.